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13.08.1998
 
 
   
 

Tragödie des Staates
Die Werkschau zu Francesco Rosi

 
Francesco Rosi,
Beruf: Regisseur
     
 
 
 
 

(Das Filmfest liegt ja schon eine Weile zurück. Wie die dortige Francesco Rosi-Werkschau selbst ist auch dieser Text verspätet; sozusagen ein Nachschlag zur "Unser Filmfest"-Reihe)

Es gibt zwei Mythen über die Mafia. Der eine ist der amerikanische: Mafiosi sind Menschen. Marlon Brando, Robert de Niro oder Al Pacino verkörpern diese schönen Verbrecherhelden in all ihrer Coolness, sie zeigen sie als gute Söhne, Brüder, Väter, die eigentlich immer nur ihrer spaghettikochenden Mamma gefallen und die Familie zusammenhalten wollen. Diese Humanisierung der Mafia weckt Verständnis noch für den unnötigsten Mord, denn alles geschieht ja für Mamma.
Der zweite Mythos ist der italienische: Mafia ist immer und überall. Wir erleben sie als eiskalte Unsichtbare, und zugleich als omnipräsent: als korrupte Bullen oder als schlägernde Halbwüchsige. Sinnlos ist der Kampf vereinzelter sysiphoshafter Polizisten allein gegen den Clan, am Ende steht immer der Sieg des Unsichtbaren.

Kein zweiter Filmregisseur hat dies so geschickt inszeniert, wie Francesco Rosi. Seine Filme, die jetzt auf dem Münchner Filmfest gezeigt wurden, sind Epen des Verbrechens. Sie romantisieren die Mafia dadurch, daß sie sie in Eiseskälte und Perfektion zeigen, die vorgibt, die Wirklichkeit zu schildern.
Die Filme des 1922 geborenen Italieners sind engagierte Thriller und Gangsterfilme. Fast dokumentarisch und in jedem Detail hyperrealistisch (obwohl seine Bilder bis ins Kleinste inszeniert sind) zeigt Rosi die Zustände Italiens in den 50er, 60er und 70er Jahren. SALVATORE GUILIANO (1961), HÄNDE ÜBER DER STADT (1963) und noch LUCKY LUCIANO (1973) wirken phasenweise wie Dokumentarfilme. Rosi schaut genau hin, aber er bleibt immer skeptisch.
Keiner hat den Filz zwischen Mafia, Macht und Kapital so kühl und doch eindeutig anklagend in Film verwandelt wie er. Wie ein Ermittlungsbeamter verschafft sich der Regisseur stellvertretend für die Zuschauer ein objektives Bild, doch im selben Moment drückt er sich nicht um dessen Bewertung. Viele Filme Francesco Rosis gleichen einem Prozeß. Die Fakten werden nüchtern und sachlich präsentiert, am Ende wird das Urteil gesprochen.
Aber Rosis Helden sind keine Ankläger, sondern Produkte der Verhältnisse, und an ihren Defekten, die sie in aller Integrität doch nicht verleugnen können, zeigt sich die Gewalt des Systems. Ihre Anklagen sind deshalb indirekter, aber um so schärfer. Oft sind es Ermittler, wie der stoische Inspektor Rosas (Lino Ventura), der in CADAVERI ECCELENTI (1976) eine Serie von Richtermodern aufklären muß.

Rosi –das kann man nicht genug schätzen- verwechselt nie die Wirklichkeit mit der Wahrheit. Aber der Skeptiker sitzt auf dem bequemsten Sessel. Wo im Polizeifilm der 90er Polizisten durchdrehen und ein Massaker unter Verbrechern anrichten, weil hierin die einzige Alternative dazu liegt, selbst korrupt zu werden, sind Rosis Helden meist angepaßte, brave Beamte. Stur tun sie ihren Beruf noch im Scheitern perfekt. Und so wie die Mafia –darum liebt sie Hollywood so- die gewalttätigen Ursprünge des freien Unternehmertum bloßlegt, enthüllen Rosis Filme in ihren melancholischen Sysiphoshelden die Tragödie des Staates im Kampf mit dem Kapitalismus.


Rüdiger Suchsland

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