|
Tom Tykwer ist der neue Regie-Star des deutschen Films. Nach
DIE TÖDLICHE MARIA
und WINTERSCHLÄFER
ist LOLA RENNT,
der an diesem Donnerstag in die Kinos kommt, und überdies
beim Filmfestival in Venedig für den Wettbewerb um den Goldenen
Löwen nominiert wurde, Tykwers dritter Spielfilm. Außerdem
schrieb Tykwer das Drehbuch für Wolfgang Beckers DAS
LEBEN IST EINE BAUSTELLE, der im Wettbewerb auf der 97er
Berlinale lief, und den Durchschitt anderer deutscher Filme
weit überragte. Tykwer ist schließlich Mitgründer (mit Wolfgang
Becker, Dani Levy, Stefan Arndt) der Berliner Produktionsfirma
X -Film, die auch LOLA RENNT produziert hat.
Das Interview mit Tom Tykwer führte Rüdiger Suchsland am
6.8.98 in Berlin. Diese Woche redet Tykwer über LOLA RENNT, seine
Generation und über Helmut Kohl, kommende Woche spricht er über den
deutschen Film, nochmals über LOLA RENNT und über Fußball (was mit
den anderen Themen durchaus viel zu tun hat).
In der kommenden Woche werden im Rahmen der Filmkunstwochen auch
die beiden älteren Tykwer-Filme, DIE TÖDLICHE MARIA und
WINTERSCHLÄFER in München gezeigt.
Artechock: Im Presseheft heißt es, LOLA RENNT sei
ein "Überlebensfilm". Wie ist das gemeint?
Tykwer: Naja, zu der Zeit, als das Projekt bei mir
Konturen annahm, hatten wir bei X-Film gerade die "Baustelle" und
WINTERSCHLÄFER abgedreht, und hatten beide Filme finanziell
überzogen. Wir sind erst langsam in die ökonomische Verantwortung
reingewachsen. Diese Filme haben wirklich viel Geld gekostet. Wir
haben alles reingesteckt, und überzogen, und nochmal und nochmal,
um den Film so gut wie möglich zu machen. Und zu dem Zeitpunkt war
die Frage: gehen wir jetzt schon wieder zur Bank und erhöhen,
versuchen noch einen Kredit aufzunehmen, oder überfallen wir die
Bank, oder machen wir einen Film.
Und dann habt ihr einen Film gemacht, bei dem ein
Banküberfall vorkommt ?
Naja, indirekt - genau. Die Idee war aber natürlich schon
da. Ich hatte große Lust, nach WINTERSCHLÄFER einen Film zu machen,
der das, was WINTERSCHLÄFER die ganze Zeit thematisiert, nämlich
Stagnation, Phlegma, diesen Stillstand, der da den Stöpsel
rauszieht, und das Ganze loslaufen läßt, und der diesen
Energieschub, auf dem man bei WINTERSCHLÄFER die ganze Zeit wartet,
und der nicht wirklich kommt, beantwortet. Das fand ich sehr
wichtig. Ich hatte einfach das dringende Bedürfnis etwas zu machen,
was nach draußen geht, nach vorne geht. Und trotzdem ist ganz
realistisch, was WINTERSCHLÄFER beschreibt, nämlich so eine Art von
Isolation und Zurückgezogenheit unserer Generation. Die führt aber
natürlich nicht dazu, daß wir alle nur noch vertrocknet in der Ecke
sitzen. Wir haben auch eine Sehnsucht nach Ausdruck und
Explosivität. Das sollte mein nächster Film formulieren – und das
war LOLA RENNT.
Würdest Du sagen, daß beide Filme auch in ihrer
Unterschiedlichkeit etwas mit Deiner Generation um die 30 zu tun
haben ?
Mit unserer Gegenwart auf jeden Fall. Wie soll ich sagen:
akut politische Filme zu machen ist wirklich nicht leicht zur Zeit.
Alles ist so zerfasert, und jedes Thema ist auf bestimmte Weise so
zu Tode demokratisiert worden, daß man schon das Gefühl hat: Es ist
alles in so ‘nem Brei zusammengepappt, Probleme werden immer nur
ausgesessen, aber nicht ausdiskutiert, wir haben keine
Streitkultur, überhaupt keine Diskurskultur mehr, nur
intellektuelle Wüste - das ist ja alles ein Resultat aus der
politischen Gegenwart, die da seit inzwischen bald 20 Jahren vor
sich hindümpelt. Und um sich in dieser Realität zu befreien, ist
erst mal wichtig, daß man sie wahrnimmt, daß man sie beschreibt,
was wir auch mit der "Baustelle" versucht haben, und auch in
WINTERSCHLÄFER. Das sind ja beides Filme, die in einem Jahr
entstanden sind, die auf unterschiedliche Weise unterschiedliche
Schichten zeigen, die aber beide sehr repräsentativ sind speziell
für Deutschland, und das deutsche Lebensgefühl dieser Zeit. Das
gefällt mir auch rückblickend. Das macht man natürlich nicht bewußt
als Konzept, während der Arbeit, sondern das wird dann rückblickend
deutlich.
Bei der "Baustelle" war es doch bestimmt bewußt.
Oder?
Ja, bei WINTERSCHLÄFER auch; aber nicht bewußt war, daß beide
Filme sich auch noch so gut ergänzen. Das gefällt mir ganz
besonders. Mir ist auch ganz wichtig, daß ich nicht so tue, als
würde die Welt nur aus Menschen bestehen, wie sie in WINTERSCHLÄFER
rumlaufen, sondern es gibt eben auch die anderen. Es gibt ja
eine Melancholie und eine Verzweiflung, die dort drinsteckt, aber
die ist eben nicht alles. Darin sehe ich jetzt den politischen
Gehalt und den Gegenwartsbezug von LOLA RENNT: Wir sind wirklich an
dem Punkt angekommen, wo das verstopfte Loch vor uns, um das wir
alle drumrumsitzen und draufglotzen, daß da mal was passiert, wo
mal einer den Stöpsel rausziehen muß. Und ich wollte den Stöpsel
rausziehen. Und da ist LOLA RENNT rausgekommen.
Wie gesagt, mir gefällt LOLA RENNT sehr gut. Man
könnte aber dem Film zumindest einen Vorwurf machen: In gewissem
Sinn ist das eine Flucht in den Aktionismus, genau aus dieser
WINTERSCHLÄFER-Situation: Es muß irgendetwas passieren, ganz egal
was, Hauptsache: Tempo, Tempo, Tempo. Und daß zumindest auf der
oberflächlichen Ebene, von der Story her und von den Dialogen her,
eine gesellschaftliche Reflexion wie in den anderen Filmen
überhaupt nicht stattfindet.
Ich finde den Film mindestens genauso komplex, wie die
Filme, die ich vorher gemacht habe, ich bin nur besonders glücklich
und stolz, daß er das nicht die ganze Zeit behaupten muß, es
ständig vor sich herträgt, und dann ab und zu irgendein Schild
aufstellt: "Achtung, jetzt echt ne interessante Idee, oder echt
wichtiger Hinweis, oder tolles Symbol", sondern daß er es einfach
ist, daß er einfach komplex ist, und zwar auf die lässigste Weise,
die ich mir wünsche. Ich wünsche mir natürlich Filme, die dem
Zuschauer nicht die ganze Zeit einbleuen, daß er jetzt echt mal
nachdenken soll, sondern die einfach nachdenklich stimmen und
trotzdem Riesenspaß machen, unterhaltsam sind und lustig. Das ist
für mich eben kein Widerspruch, und das was mich zum Kino gebracht
hat, waren diese Filme, die man während man sie guckt, spannend und
aufregend findet, wo man sich identifiziert und wo man mitgeht, sei
es Truffaut, sei's Hitchcock, sei's – egal, da kannst Du ja alle
nennen, der Meister war natürlich Hitchcock. Es ist Wahnsinn ! Du
guckst Dir die Filme an, und sie sind einfach nur spannend, Du
bleibst immer wieder hängen, beim zehnten Mal noch, und denkst: das
gibt's ja gar nicht, Du weißt ja sogar, was passiert, und trotzdem:
es ist echt spannend. Hitchcock hat null Halbwertszeit bis heute.
Das Tolle ist eben, daß diese Filme das auch überhaupt nicht vor
sich hertragen, aber wenn man nachher darüber redet, merkt man, was
für ein riesiger Kosmos dahinterliegt. Gerade bei Hitchcock ist es
wirklich phänomenal, weil der das auf die Spitze getrieben hat. Es
geht nur um reine Unterhaltung und es sind doch Psychogramme, wie
sie abgründiger kaum sein könnten, und wofür Bergmann sich wirklich
die Finger wund gearbeitet hat, tolle Filme gemacht hat, bei denen
man aber auch immer weiß: es geht um ganz schön viel, und kommt
jetzt ganz schön dicke. Der Wunsch, den ich habe, ist eben die
Fusion von Beidem. Da ist LOLA RENNT der Film, der das am Besten
bisher hinkriegt. Deswegen zu sagen: das ist purer Aktionismus,
halte ich für oberflächlichen Schwachsinn. Wer den Film so
wahrnimmt, der hat überhaupt nicht hingeguckt, und hat sich auch
nicht darauf eingelassen.
Schicksal und Zufall beschäftigt uns alle ständig, und auch
dieses Problem: man glaubt, man steckt überall in so ner Kausalitätskette
drin und hat eigentlich gar keine Chance, es ist sowieso alles
schon so... jedes Jahr mindestens hat man einmal so einen
fatalistischen Tag, daß man denkt: Was soll das Ganze denn
noch? Was kann ich schon dran ändern?
Da ist der Film natürlich ein ganz klares Plädoyer -das
finde ich auch ziemlich eindeutig formuliert, da muß man nicht viel
dechiffrieren- dafür, daß sich doch was bewegen läßt. Ein
statisches System braucht einfach einen anarchischen Einfluß, der
es auseinanderdrückt, oder eine Delle reinhaut, die es nen bißchen
aus der Bahn wirft. Unsere Kraft liegt immer in der Leidenschaft.
Ich wünsche mir, daß man den Augenblick zu schätzen lernt, daß
jeder Moment eigentlich gleich wichtig sein kann, und daß man nicht
vorher wissen kann, welcher Moment eigentlich der Entscheidende
ist, daß man einen größeren Respekt vor der Situation hat. Ich
finde es immer blöd, wenn Menschen auf die Zukunft hin leben, und
sich nicht auf das Nächstliegende konzentrieren. Gerade in der uns
vorhergehenden Generation, unserer Elterngeneration, waren wir
umzingelt von Menschen, die darüber reden, daß es ihre Kinder mal
besser haben sollen – wo ich mir immer denke: was für ein perverses
Statement. Man hat schon aufgegeben, daß man selber es noch einmal
gut haben könnte, was ja absurd ist, denn das sind ja alles Leute,
die leben noch, aber leben auf die Rente hin, sagen: Demnächst wird
alles anders, demnächst muß ich mal mein Leben ändern. Diese
Haltung ist Wahnsinn, die hat etwas Selbstzerstörerisches, in der
liegt nichts Kreatives und nichts Konstruktives.
Meinst Du nicht, daß wir jüngeren Westdeutschen
auch sehr saturiert sind, die Erben der Sicherheit, daß wir
natürlich gar nicht das Bestreben hatten, uns um die Zukunft zu
kümmern; wir mußten uns nicht sichern ?
Ja, materiell ist natürlich der Vorteil da. Aber die Frage
wäre, wie inspiriert unsere Generation wäre, wenn wir inspiriertere
Eltern gehabt hätten ? Wenn wir vielleicht materiell nicht so toll
daständen, aber dafür eine größere Offenheit gegenüber einem
schöpferischen Leben gehabt hätten. Dann hätten wir vielleicht auch
nicht 16 Jahre lang den selben idiotischen Kanzler gewählt, weil
wir früher erkannt hätten, daß der ein absoluter
Stagnationsfetischist ist, der das festhalten will, was da ist, und
insofern sogar gegenwartsbezogen ist - aber das ist nicht meine
Vorstellung von Gegenwartsbezogenheit.
Aber wir beide haben ihn ja wahrscheinlich gar
nicht gewählt.
Nein, natürlich nicht. Nach wie vor halte ich das für
einen perversen Akt, diesen Mann jemals gewählt zu haben. Ich würde
mich im nachhinein noch schämen dafür, wenn das so wäre, wenn ich
das getan hätte. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen, wie man
das jemals... wie das jemals für jemanden eine Option war, der
wirklich länger als 5 Minuten darüber nachgedacht hat. Das ist
wirklich ein Akt der kollektiven Besinnungslosigkeit gewesen, der
über Jahre hinweg angehalten hat, und der natürlich dadurch
beflügelt worden ist, daß man eben in so einer Sattheit dagesessen
ist, und daß wir eben so satt und warm, mit dicker Wampe irgendwo
sitzen und das Gefühl haben: Naja, wer weiß wie es anders wäre ?
Wenigstens hab ich einen dicken Bauch und ein Dach überm
Kopf.
Was ja auch was wert ist, aber der Bauch könnte auch halb
so fett sein. Wir sind so fett wie unser Kanzler, der repräsentiert
uns eben auch körperlich, das finde ich so faszinierend an
dem, der ist ja sehr mit sich im Reinen. Man kann ja sagen:
Das was er vertritt, verkörpert er mit seiner ganzen Erscheinung,
auch die Sprachlosigkeit, die er hat. Es ist faszinierend,
daß die Menschen so sprachlos geworden ist, daß das intellektuelle
Niveau Deutschlands so niedrig ist. Langsam prescht das wieder
nach vorne. Wir sind ja nicht wirklich dümmer geworden, sondern
nur einfach stumm. Und diese Stummheit, die dieser Mensch
ausdrückt: er ist dick und stumm und träge, und hat das wie
einen Virus... - ich will das gar nicht ihm allein in die
Schuhe schieben, aber er hat so eine Haltung geprägt. Er symbolisiert
das.
Was ist denn Lola für eine Heldin ?
Qua Leidenschaft bewegt sie Raum und Zeit auseinander. Sie
überwindet eine scheinbar völlig aussichtslose Situation.
Demonstrativ wurde ihr mehrfach vorgeführt: Du hast keine Chance.
Und am Ende nutzt sie sie trotzdem. Weil sie einfach bestimmte
Grenzen überwindet, weil sie nicht akzeptiert, daß es diese Grenzen
gibt. Ich glaube an diesen antipragmatischen Ansatz, daß man Sätze
wie "Die Welt ist wie sie ist" nicht so stehen lassen muß, sondern
daß man an einem bestimmten Punkt auch sagen muß: "Ja warum denn
eigentlich, wer sagt das ? Wieso können wir das nicht verändern ?"
Und das ist immer der Moment gewesen, an dem die Menschen
tatsächlich etwas überwunden haben.
Entscheidend ist daß Lola an einem bestimmten Punkt natürlich
nicht weiter weiß, es scheint alles gescheitert zu sein -
aber gerade das ist ihre Chance, im Moment der großen Verzweiflung
kommt die Leidenschaft. Das anarchische Element, das Systeme
sprengen kann, das Grenzen überwindet, und den Blick wieder
neu öffnet für andere Horizonte, die wir immer wieder aus
den Augen verlieren in der Normalität, auch in der Unüberwindbarkeit
dieser Normalität, dieser elenden Konstanten, die uns ständig
umgeben. Die natürlich primär diktiert werden durch die Zeit.
Die Zeit ist das andere große Thema des Films.
Aller Deiner Filme.
Ja eigentlich schon. Schicksal und Zufall übrigens auch, aber das
ist ja schön, dann erkennt man mich wenigstens wieder. Die
Zeit ist ein Faktor, der mich total fasziniert, natürlich
weil ich Filme mache, weil Film ja diese märchenhafte Möglichkeit
bietet, daß man mit Zeit machen kann, was man will, daß man
Zeit dehnen oder strecken oder zusammendrücken kann, wie es
im Leben ja nie geht, und wie wir es uns ganz oft wünschen,
wie wir es andererseits auch oft wahrnehmen. Zeit ist für
mich etwas extrem Subjektives, und die Subjektivität ist für
mich das erzählerische Prinzip aller meiner Filme. Es interessiert
mich nie, nach objektiven Notwendigkeiten zu entscheiden,
sondern nach subjektiven. Das ist für mich Film. Das strukturiert
Filme die mich interessieren.
Und das ist auch so
bei Hitchcock natürlich, oder Scorsese, Fellini oder Lars von
Trier. Wo man sich fragt: nanu, warum wird jetzt das so wichtig
genommen, und im nachhinein wird einem klar, daß natürlich nur
durch einen Moment, der scheinbar in sich gar nicht dramaturgisch
oder emotional Notwendiges transportiert, eigentlich die Essenz des
Films mitgeprägt wird. Bei LOLA RENNT wird besonders stark
darauf focussiert, daß es 1000 Entscheidungen und Momente gibt,
aber ganz selten welche, wo wir sagen würden, daß wir das vorher
schon gewußt haben: Das ist es jetzt, das ist der Moment, an dem
sich mein Leben anders entwickeln wird. Die großen Augenblicke, die
wir als so pathetisch bedeutend empfinden, verblassen nach drei
Tagen, und haben eigentlich gar keine Bedeutung mehr für unser
Leben. Sie sind zwar objektiv wichtig gewesen, aber subjektiv
haften sie gar nicht lange, während dann irgendein Kaffeetrinken
nach 20 Jahren noch ein unheimlich bedeutender Augenblick ist, und
sei es dadurch: Weil Du den Kaffee getrunken hast, hast Du dann den
Zug verpaßt, der 2 Stunden später entgleist ist, und Du wärst tot
gewesen.
Wir haben gerade über die Generation gesprochen,
die mit Kohl aufgewachsen ist, die Kohl-Kinder. Wie siehst Du Dich
denn selber ? Du scheinst ja anders zu sein, als viele; man sieht
das ja auch an Deinen Filmen, daß Du andere Filme machst, als
andere Deiner Generation, des jungen Neuen Deutschen Films. Glaubst
Du, daß Du typisch bist für Deine Generation, oder ist das sogar
schon ein Schritt weiter ?
Ich sehe mich schon als Teil einer ganzen Bewegung, die
jetzt vielleicht weniger darum kämpfen muß, sich aus diesem Phlegma
zu befreien, weil es eine generelle Tendenz dazu gibt, daß man
keinen Bock mehr hat, besinnungslos vor sich hinzudümpeln. Und das
wird jetzt dafür sorgen, daß diejenigen, die noch 10 Jahre jünger
sind, schneller zu dem Punkt kommen, für den ich vielleicht ein
bißchen länger gebraucht habe.
Ich sehe mich überhaupt nicht als einzelner Vorkämpfer. Wenn
man sich das nächste halbe Jahr anguckt, da werden wir überrollt
von einer Welle von wirklich guten Filmen: BIN
ICH SCHÖN? von Doris Dörrie ist ein sehr starker Film,
der unheimlich viel riskiert, eine große Leinwand verträgt,
ein großes Publikum will, und hoffentlich bekommen wird. Der
ist zerrissen und fordert einen heraus: unheimlich viele menschliche
Aufs und Abs und Du gehst raus und mußt drüber reden.
Solche
Filme will ich haben: Filme, die Dich erst mal verstricken und auch
verführen, und die nachher dafür sorgen, daß Du wirklich über den
Film reden mußt. Ich hoffe auch, daß LOLA RENNT so was auslöst, und
daß das ein Film ist, der einen stimuliert, und wachrüttelt.
Dann kommt 23
von Hans-Christian Schmid, hast Du den gesehen?
Ja hab ich, der ist nicht schlecht, aber ich fand
ihn auch nicht so gut, aber es ist natürlich auch etwas Neues.
Ja es geht jetzt auch gar nicht darum, wie er uns
persönlich gefällt, sondern das Entscheidende ist, daß man merkt:
da ist ein Entwurf, da ist auf jeden Fall eine Vision. Es ist auch
ein kompliziertes Thema, wie willst Du da einen sinnlichen Film
machen ? Es geht ja eh nur darum, das man fragt: was steht uns
bevor ? Wir sehen jetzt in Locarno und Venedig je drei deutsche
Filme im offiziellen Programm drin. Da ist eine unübersehbare
Präsenz da. Das Ausland übersieht's nicht, also sollten wir das
auch nicht übersehen.
Dein Film ist aus meiner Sicht ja der erste seit
Jahren, von dem vorstellbar ist, daß er auch eine Chance in Paris,
London, New York bekommt, und dort sein Publikum findet.
Es geht schon los, wir haben den Film schon nach Italien
verkauft, was wir noch nie hatten. Superschweres Land für deutsche
Filme. Weißt Du deutsche Filme - uäääh! Deutsche Filme sind im
Ausland immer noch tierisch out. Das was wir jetzt so langsam
erreicht haben, dank auch vieler Komödien und der Filme die eben da
waren, daß da überhaupt wieder eine Akzeptanz gegenüber deutschen
Schauplätzen da ist, daß wir einfach wieder eine kleine Auswahl von
Stars haben. Jetzt brauchst Du universellere Stoffe, natürlich,
aber alle Länder haben ein sehr klares lokales Standbein. Bei
den Italienern siehst Du unter den Top-ten immer Titel, die kommen
überhaupt nicht nach Deutschland, das sind ialienische Komiker, die
da unheimliche Erfolgskomödien machen; Frankreich: DIE BESUCHER, 13
Millionen Zuschauer hat der gehabt, das kommt bei uns jetzt unter
ferner liefen raus. Aber das ist ein ganz normaler Prozeß. Der
sorgt dafür, daß in so einem Land wie Frankreich die Industrie dann
noch eine Kraft und Potenz hat, und die brauchen wir halt genau so.
Es geht nicht, daß alle nur noch so Filme machen wie BIN ICH SCHÖN
und LOLA RENNT und ZUGVÖGEL. Wir brauchen auch BALLERMANN 6.
Wofür brauchen wir BALLERMANN 6 ??
Das Spektrum ist wichtig. Der Film ist blöde, aber die
Leute lachen sich einfach schlapp, das mußt Du akzeptieren.
Meinst Du, daß Leuten, die in BIN ICH SCHÖN?
oder LOLA RENNT gehen, das wirklich gut gefällt ?
Natürlich nicht. Aber das ist ja normal. Es gibt halt für
jeden Film ein unterschiedliches Publikum. Aber das ist ja
das Entscheidende: Das wir diejenigen Leute wieder ins Kino
zurückholen, die dem deutschen Film verloren gegangen sind.
Darum funktionieren die Amis, weil sie diesen industriellen
Komplex haben, in dem Filme wie BALLERMANN
6 ihren Platz bekommen. Das Spektrum geht von da bis da.
Bei BALLERMANN 6, das ist für mich ein echter Punkt: Das ist
kein zynischer Film. Sondern es ist ein Jim Carrey-Film, und
Jim Carrey-Filme find ich auch grauenhaft, ich guck mir das
auch nicht an, weil ichs nicht ertrage. Aber er selber steht
zu dem, was er macht, und er ist sehr gut darin: Tom Gerhard
ist unser Jim Carrey, der findet das auch selber wirklich
lustig. Das macht den Film nicht-zynisch.
Es gibt Filme, die sind
wirklich zynisch. Weil Du merkst: Jeder findet das eigentlich
Scheiße, was er hier macht, und glaubt da nicht dran: Die "Frau
Rettich" zum Beispiel. Dem siehst Du an: Niemand hat daran geglaubt
von den Leuten, die ihn gemacht haben, alle fanden eigentlich blöd,
was sie da machen, aber alle haben ordentlich Geld verdient, und
haben gedacht: Naja, iss ja ne Komödie, wird schon gehen. Das ist
verlogen. Da stehe ich dann auch auf der anderen Seite und sage:
Euch brauchen wir nicht. Aber die Filme, die ein Genre aus einer
bestimmten Überzeugung heraus bedienen, die sollen auch da
bleiben.
Also Authentizität und Leidenschaft sind sie
Kriterien ?
Genau. Und das gilt auch für Hollywood. Deswegen nervt LOST
WORLD oder es nervt GODZILLA,
weil es pures Konzept und Rezept-geschissen ist. Aber ich
bin völlig einverstanden mit "Indiana Jones". Verstehst Du,
der Spielberg findet das selber Super, diese Energie steckt
dann auch in dem Film drin, das inspiriert dann auch obwohl
es nur Achterbahnfahren ist. Ich gehe genauso gerne auf die
Kirmes. Wir gehen halt gerne auf die Kirmes, aber doch nicht
jeden Tag. Und wir müssen jetzt gucken, das wir Platz auch
für andere Filme schaffen.
Abgesehen davon, daß man vielleicht Amerika und
Europa nicht so gut vergleichen kann, habe ich den Eindruck, daß
beispielsweise in Frankreich und in England es gelingt, das
Publikum ein bißchen zu erziehen, auf ein etwas höheres Niveau, als
in Deutschland.
Das ist ja der Ansatz. Ich will ja nicht sowas wie
BALLERMANN machen. Ich meine nur, wenn man zumindest in kleinem
Rahmen wieder diesen industriellen Anspruch hat, ist es einfach
dämlich, zu sagen: Sowas ist tabu. Integrität vorausgesetzt,
ist erstmal alles erlaubt. Das gilt so für mich. Natürlich ist das
nichts, was mich interessiert. Aber in Blick auf das, was wir
innerhalb unserer Kinolandschaft erreichen wollen, müssen wir
aufhören, Grabenkriege zu führen. Wir müssen uns konstruktiv
miteinander auseinandersetzen, und auch streiten. Für den Diskurs
bin ich total, und ich würde Tom Gerhard sagen, was ich denke, was
er vielleicht noch besser machen kann, weil ich finde: man kann
solche Filme auch noch ein bißchen besser machen. Ich find ihn dann
an manchen Stellen doch ein bißchen zu dämlich. Es ist schon ein
bißchen schwierig, Ballermann irgendwas abzugewinnen. Es geht
ums Prinzip. Es geht um die Haltung. Ich werde auch dauernd
gefragt: Was halten Sie von Sönke Wortmann ? Ich finde Sönke
Wortmann einen extrem talentierten Filmemacher, der mal einen guten
und mal einen schlechen Film macht. So ist es nun mal. Ich habe
bisher Glück. Aber mir wird auch einer unterkommen, der einfach
voll danebengeht. Und dann erwarte ich auch nicht, daß man dann
sofort sagt: siehste, ham wir doch immer gewußt, daß er eigentlich
Scheiße ist. Das nervt mich total. Abgesehen davon, daß ichs
wichtig finde, daß man ihm seine Filme um die Ohren haut, die
Scheiße sind, und das erwarte ich auch umgekehrt, daß man das bei
mir macht, ich will, daß man gnadenlos ist, aber im konstruktiven
Sinne gnadenlos, das ist wichtig. Deswegen kann ich diese ganzen
Grabesgesänge auf den deutschen Film nicht ertragen. Das Kücken hat
gerade mal rausgeguckt. Das dauert, das dauert noch zwei, drei
Jahre bis wir dieses neue Level wirklich etabliert haben, und auch
in den Köpfen drin haben. Man darf auch nicht verzweifelt sein,
wenn jetzt so ein Film wie LOLA RENNT noch immer nicht die
tierischen Zahlen macht. Wenn das Wetter 40 Grad im Schatten ist,
dann kannst Du nichts machen, dann ist drei Wochen später GODZILLA
da, und dann ist "Lola" plattgestampft. Natürlich sehe ich, daß der
Film die Chance hat, und ich glaube auch, daß er sie nutzen wird.
Alle Vorführungen, die wir hatten, sind toll gelaufen. Wir hatten
Szenenapplaus und so etwas. So was hab ich nie gehabt, ich bin da
auch unverwöhnt. Bei WINTERSCHLÄFER, da sitzen die Leute stumm da,
und Du hoffst dann, daß die konzentriert sind, und nicht
eingeratzt.
Hast Du denn Angst vor dem Hype, der jetzt kommt,
davor, daß die Erwartungshaltung bei dem nächsten Projekt,
das Du machst, zu hoch ist? Macht Dir die Einladung zum
Festival nach Venedig Angst, oder bist Du gottfroh?
Nein, da wollte ich doch hin. Ich wäre ja blöd. Also
Angst, nein, überhaupt nicht. Wenn ich jetzt denken würde: Das ist
alles vollkommen unangemessen, denn der Film ist doch gar nicht so
gut, der wird jetzt irgendwie künstlich gepushed, das wäre was
anderes. Aber das ist nicht künstlich, er kommt gut an, und dadurch
entwickelt er sich so, wie er sich entwickelt. Das hat nur mit
seiner Qualität zu tun, und das macht mich natürlich erstmal stark.
Den Druck... ?! Also ich seh den Druck schon. Was mir nicht
gefällt, ist, wenn man den Tag vor dem Abend lobt. Er wird schon so
gehandelt, als wärs ein Hit, dabei ist es noch keiner. Er muß sich
jetzt erstmal im Kino durchsetzen. Wir werden schon irgendwie mehr
Zuschauer machen, als mit "Winterschläfer". Aber wenn Du über die
Dörfer fährst, und in die Buden reinguckst, dann willst Du, daß
auch die jetzt den Film angucken. Das ist ja das Verrückte: Du
weißt, die hätten Spaß dabei. Sie müssen irgendwie den Weg finden,
und einmal nicht ARMAGEDDON gucken, für den sie 27.000mal mehr
Werbung gesehen haben, wo sie einfach so zugeballert wurden, daß
das der einzige Film ist, der denen jetzt einfällt. Aber was
soll man machen, man kann halt nur hoffen. Und man kann alles
dafür tun. Ich hab viel dafür getan, viel am Soundtrack gebastelt,
der eine ganz eigenständige Pop-Platte geworden ist, die richtig
gut ist, und nicht so ein Merchandising-Ding. Das ist ja eigentlich
das wahre Merchandising, wenn Du was hast, was wirklich Klasse ist,
eigenständig, und nicht so ein Appendix. Das Buch ist auch kein
"Buch zum Film", irgendsoein beknackter Roman, den man aus dem Film
rausdestilliert hat, was ich auch hasse, das Du nie liest, und Dir
nur hinstellst, weil Du halt den Film gut fandest. Was völlig blöd
ist. Es ist viel schöner, wenn es ne eigene Qualität hat.
Wie hast Du die Musik gemacht ?
Beim Film hatte ich bestimmte Sachen vor Augen. Und dann
während des Schnitts sind wir mit dem Rohschnitt ins Studio
gegangen, haben da eine erste Musik-Version gemacht, und dann
mehrmals hin und her. Weil ich wirklich eine absolute Symbiose
wollte von Film und Musik und Ton; ich will das man sich überhaupt
nicht mehr vorstellen kann, wie das eine ohne das andere wäre.
Ich liebe diese Kombination von verschiedenen Elementen, das Du
alles machst. Ich bin kein Regisseur im traditionellen Sinn. Ich
bin Filmemacher. Weil ich von der ersten Idee bis zur letzten
Serienkopie alles persönlich überwache. Weil ich jeden Bereich
unheimlich mag. Ich mag auch die Post-Produktion. Wenn das Material
gut ist, ist das toll, das wächst dann zusammen, 1000 einzelne
Fragmente rücken immer mehr an das heran, was Du Dir gewünscht und
erträumt hast. Und Du erlebst natürlich auch immer wieder
Überraschungen, weil die Sachen dann anders werden.
Kannst Du noch einmal beschreiben, was Lola für
eine Figur ist? Ist das überhaupt eine Heldin?
Eine Heldin des Alltags. Trotz aller Stilisierung, die der
Film auch wagt, war wichtig, daß das eine ist, die trotz aller
Potentiale über sich hinauszuwachsen, ganz diesseitig bleibt, die
man versteht, und wo man sich vorstellen kann: ich würde genau
dasselbe machen, wenn ich in der Situation wäre. Die nie etwas
macht, was obercool, posig ist, nur weil der Film ein lässiges
Statement abgeben will, sondern aus einer Verzweiflung und aus
dieser Leidenschaft heraus, mit der wir uns, glaube ich, alle
identifizieren können, schier Unglaubliches tut, aber immer im
Rahmen dessen, was man denken kann. Diese Power kennt man: das
ist die Energie, die aus der Verliebtheit kommt, und die eine
ziemlich anarchische Potenz hat. Und die Potente hat halt diese
Potenz, das utopische Prinzip: ich kann die Welt aus den Angeln
heben. Sie hat diese Energie, ohne "Tank Girl" oder eine
Comic-Figur zu werden, da hatte ich nie Bock drauf. Dann ist es zu
abstrakt und uninteressant, weil es unrealistisch ist. Ich wollte
immer einen Film der sich ganz konkret zur Realität bekennt.
Hast Du eigentlich einen philosophischen Background
?
Ich habe Philosophie studiert, aber nur kurz, 3 Semester.
Aber ich habe dadurch einen philosophischen Background, daß ich 11
Jahre mit einer Philosophin zusammen war. Das hat mich extrem
geprägt. Philosophie ist etwas, für das ich immer offen war, was
mich interessiert hat. Ich finde es schön, wenn Filme
philosophische Thematiken entwickeln und entfalten können, ohne
natürlich zu akademisch zu werden. Ich interessiere mich überhaupt
nicht für akademisches Kino, sondern für Filme, die auf andere Art
eine Philosophie vermitteln, ohne das es irgendwie vordergründig
wäre.
Hast Du an irgendetwas bestimmtes gedacht ? Die
triadische Struktur hat ja Ähnlichkeiten zu Hegel:
These-Antithese-Sythese – ist so etwas gemeint ?
Das ist natürlich in dieser Dreiaktigkeit mit drin. Aber
es gibt ja keine richtige Antithese oder Synthese. Es gibt drei
Akte. Das ist ein dramaturgisches Konzept: Eine Reise mit vielen
Widerständen, am Ende gibt es eine Erlösung. Es ist nicht nur ein
Experimentalfilm, der immer wieder zurückspringt. Ganz wichtig war
mir, daß man ihn als eine durchgehende Reise wahrnimmt, daß man am
Ende das alles durchgemacht hat, das Lola –und Franka spielt das ja
auch so- erst selbst gestorben ist, dann ist er gestorben; sie hat
alles durchgemacht, was man sich vorstellen kann, und endlich,
endlich hat sie es geschafft. Nicht, daß sie erst seit 20 Minuten
wieder rennt, sondern sie rennt eigentlich seit Ewigkeiten durch
Raum und Zeit. Ich habe mich auch mit Kausalitätstheoretikern
beschäftigt. Ich habe einen relativ unverkrampften Umgang mit
Philosophie, dadurch, daß das für mich auch Alltag war. Am Anfang
liest Du ein Zitat von T.S.Eliot und dann von Sepp Herberger.
Beides ist wichtig. Herberger ist der Philosoph des Alltags.
Das heißt: Ich gucke eben genauso gern einen Film von Rivette
wie von Spielberg. Damit meine ich: beides bringt uns weiter. Ich
will Filme, die beides schaffen. Es gibt eine Menge an
Philosophen, die ich bewundere. Meine Ex-Freundin war Ernst
Tugendhat-Schülerin. Der ist ein gutes Beispiel: Man kann die
komplexesten ethischen Fragen behandeln, und schreibt ein Buch, das
liest Du runter. Der fragt ganz einfach, und versucht dann
nachvollziehbare Antworten zu geben. Und man wird dann in eine
Kette von Fragen verstrickt, und merkt erst gar nicht: Das ist
wahnsinnig komplex.
Nicht wie Hegel und Heidegger, wo es gleich zur Sache geht.
Aber auch das ist interessant. Heidegger hat diesen Strudel,
dieses Manische, dieses Wahnsinnige, dieses Besessene, dieses
Teuflische – wo man das Gefühl hat, Du bist Satan auf der
Spur. Seine Texte sind wie Beschwörungsformeln. Das beeindruckt
einen natürlich. Da wird dann in mir wahrscheinlich der Katholik
wach, der ich auch bin. Und der gern auch mit dem Diffusen
hantiert, was ja Heideggers Sache war. Solche Metaphysiker
sind mir nicht völlig fremd. Ich halte zwar ein Plädoyer für
die Aufklärer, aber bin auch Metaphysiker – ich will beides.
Gleichzeitig. Und wenn das ein Widerspruch ist, ist mir das
eigentlich egal. Es gibt ja Autoren, die beides tun. Natürlich
hat der analytische, rationale Philosoph das letzte Wort.
Du hast Herberger genannt, der eine Bedeutung für
Deinen Film hat. Wie ist Dein Verhältnis zum Fußball ?
Fußball interessiert mich sehr. Ich bin Dortmund-Fan,
etwas unglücklich zur Zeit, und auch der WSV, Wuppertaler SV, weil
ich aus Wuppertal komme, die sind in der Regionalliga und arbeiten
dran, haben eine Chance. Aber der BVB ist eine sehr wichtige
Mannschaft für mich, wobei ich über den augenblicklichen Stand sehr
unglücklich bin, da muß man sehen, was daraus wird.
Welchen Trainer hättest Du Dir gewünscht ?
Naja, ich finde das ganz gut mit dem jungen Skibbe. Ich bin
sehr neugierig, und halte das für richtig, jetzt nicht wieder
einen blöden Bonzen einzukaufen, der mit seinen Superstars
ein bißchen Ballett fabriziert, nichts Neues formt. Ich bin
so abgetörnt von Möller, aber er ist in Dortmund immer viel
besser gewesen, als in der Nationalmannschaft. Ich gehe viel
mit Joachim Krol ins Stadion, Dortmund ist sein Gott, das
ist wirklich anstrengend, wenn Dortmund verliert, ist echt
der Tag gelaufen, Du gehst natürlich Bier trinken, aber er
hat wirklich schlechte Laune, ganz im Ernst. Aber das Westfalenstadion
ist das beste. Ich hab viel mit Fußball zu tun, ich hab schon
unvergessliche Abende im Stadion verbracht. Als Kind war der
WSV sehr wichtig, die waren ja mal zweiter der Bundesliga,
und wären fast Vizemeister geworden.
Was macht einen guten Regisseur aus ? Was ist die
Qualität eines Filmregisseurs ?
Sich von seinen Vorbildern abzunabeln. Daß man aufhört,
Remakes zu drehen, was die meisten ihr Leben lang tun, und sich auf
die Suche macht zu dem, was man wirklich selber zu sagen hat. Denn
das ist immer das Aufregendste: Wenn ein Film eine wirkliche
Persönlichkeit offenbart. Und der zweite Punkt ist, daß man die
Gabe hat, die richtigen Leute für den richtigen Stoff
zusammenzubringen, und sie auch zu halten. Aber der erste
Schritt ist der inhaltliche. Daß man diesen Quantensprung macht,
und selber denkt. Das ist wie der Moment, wo man als Philosoph zum
ersten Mal einen dialektischen Gedanken kapiert hat, wo dieser
riesige Groschen kracht. Das ging mir so, als ich mit 17 Marx und
später dann Hegels "Phänomenologie des Geistes" gelesen habe.
Dieser Moment, wo sich der Horizont öffnet. Und so will ich –und
kann es auch- als Filmemacher eine Kommunikation, einen Diskurs mit
dem Publikum herstellen. Damit da etwas Sinnvolles rauskommt. Das
muß das Ziel sein, um als Filmemacher eine Legitimation zu haben.
|