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Für Fans des Horrorfilms zählt sein Namen mit zu den letzten, die
noch immer frischen Glanz haben: Seit fast 20 Jahren versorgt Brian
Yuzna sie mit Genre-Perlen und tut es noch immer, in einer Zeit, wo
die meisten anderen Helden des Metiers sich in den Ruhestand oder
den Mainstream abgesetzt haben. Dem großen Publikum ist Yuzna
weniger vertraut, dafür hat es seinen indirekten Einfluss
unwissentlich sicher schon des öfteren gespürt - Filme wie THE CELL
oder HANNIBAL sähen wohl anders aus ohne die Pionierarbeit von
Yuzna. Mitte der 80er drückte er als Produzent von RE-ANIMATOR dem
Splatter-Kino einen enorm prägenden Stempel auf und ließ dann als
Regisseur eine Reihe feiner, kleiner Perlen folgen (u.a. BRIDE OF
THE RE-ANIMATOR, RETURN OF THE LIVING DEAD 3, THE DENTIST), die
alle wesentlich surrealer, subversiver, gutgelaunter waren als das,
was zur selben Zeit im amerikanischen Horrorkino sonst so sein
Unwesen zu treiben pflegte. Mittlerweile hat Brian Yuzna sich
in Spanien niedergelassen, wo er derzeit zusammen mit der großen
Produktionsforma Filmax das Label "Fantastic Factory" aufbaut, das
eine Art Reinkarnation solch traditioneller
Fantastischer-Film-Schmieden wie American International oder der
Hammer-Studios werden soll: Ein Dach, unter dem sich (insbesonders
junge) Kreative versammeln können, um mit wenig Geld, aber viel
Ideen lebendiges Genre-Kino zu produzieren. Zu den ersten drei
Filmen aus diesen Werkstätten gehört auch Yuznas jüngstes Werk,
FAUST: LOVE OF THE DAMNED nach den berüchtigten Comics von David
Quinn und Tim Vigil. Das Fantasy Filmfest 2001
(siehe auch unser SPECIAL) widmet Yuzna eine Hommage - aus diesem Anlass sprach
Artechock-Redakteur Thomas Willmann mit dem ebenso sympathischen
wie auskunftsfreudigen Meister in München über Vergangenheit und
Zukunft des Horrorfilms - und darüber, was das Filmgeschäft mit BSE
zu tun hat.
Artechock: Zur Zeit scheint das Horror-Genre etwas
anämisch. Seinen letzten richtig großen Boom hatte es in den 80ern
- seither gibt es immer wieder einzelene erfolgreiche Horrorfilme,
von denen aber keiner so recht eine ganze neue Welle auslösen
konnte. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Yuzna: Normalerweise lenke ich meinen Blick auf
die Finanzierung, um alles im Filmgeschehen zu erklären. Ich weiß,
das ist nicht die beliebteste Art, es zu tun, aber für mich scheint
sie zu funktionieren. In den 80ern fand gerade erst die
Video-Revolution statt. Das bedeutete, dass die großen Studios und
Verleiher den Wert von Video noch nicht begriffen hatten. Dadurch
hatten die ganzen kleinen Independents die Möglichkeit, ihre Filme
vorab zu verkaufen und zu finanzieren durch einen riesigen
Kapital-Vorrat, der heutzutage an die Majors geht. Weil so viele
kleine Firmen Filme machten konnten, gab es, wenn sie Horrorfilme
machten - die zu den Filmen gehören, die man am einfachsten mit
geringen Budgets drehen kann (ich weiß, dass die Effekte da billig
und lächerlich sein können, aber das ist manchmal auch okay) - da
gab es so viel Freiheit, und das ermöglichte Leuten wie Sam Raimi,
Stuart Gordon und selbst Veteranen wie Wes Craven, der schon in den
70ern ziemlich viel Erfahrung hatte, oder John Carpenter - all
diesen verschiedenen Leute ermöglichte das, Filme zu machen, und es
gab eine sehr offene Atmosphäre. Sobald die Mitte der 80er kam
und die großen Studios und Verleiher erkannten, wie wertvoll Video
war, fingen sie an, den Markt zu dominieren. Inzwischen wissen wir,
dass Video nichts weiter ist als eine Möglichkeit, zu zahlen, um
den selben Film, der vor drei Monaten im Kino war, nochmal zu
sehen. Bevor er ins Fernsehen kommt. Oder vielleicht nachdem er im
Kabel lief. Jetzt ist es einfach Teil des selben Systems, und nun
befinden wir uns in Konkurrenz zu den selben riesigen Budgets, und
wenn man jetzt einen Horrofilm macht, sind die Leute, die ihn
finanzieren, stets besorgt, ob sie ihr Geld zurückbekommen. Oft
ist das Publikum für die originelleren Filme, für die EVIL DEAD-Art
von Filmen, kein sehr großes Publikum. Für jeden EVIL DEAD oder
BLAIR WITCH PROJECT, jeden dieser kleinen Filme mit unglaublichem
Erfolg, gibt es ungefähr 50 weitere, die nicht funktioniert haben,
die aber genauso billig waren. Im heutigen Markt bekommt man,
wenn man kein großes Publikum hat oder keinen großen Verleiher
findet, der einen unterstützt, gar nichts. Da kann jemand, zum
Beispiel eine deutsche Gruppe von Leuten, einen low-budget-Film
machen, und man denkt, "Wow, der kostet überhaupt nicht viel", doch
wenn sie von Anfang an Schwierigkeiten haben, einen Verleiher zu
finden, kann es sein, dass sie nie irgendwen finden werden, der ihn
zeigt. Und dieser Film könnte dann ein finanzielles Debakel werden.
Während, wenn es von Anfang an die Unterstützung von, sagen wir,
Helkon, gäbe, dann wüssten sie, dass sie zumindest ihre Kosten
wieder hereinbekommen werden, und sie hätten eine Chance etwas zu
machen, das ein EVIL DEAD oder FRIDAY, THE 13TH werden könnte - das
Risiko wäre nicht so groß. Wenn sie es ohne diese Unterstützung
machen, und der Film stellt sich als unglaublich gut heraus, dann
ist es kein Problem. Hast du LOLA RENNT, dann startest du durch.
Aber wenn er, wie die meisten Filme, nicht 100% gelungen ist, kein
Klassiker ist, dann war's das. Aus und vorbei. Ich glaube, wenn
man das Filmgeschehen verstehen will und was da passiert, sollte
man wirklich auf die Finanzierung schauen, und auf das Marketing,
und schauen, woher das Geld kommt und wohin es geht. Denn das
bestimmt wirklich unser Produkte - in allen Belangen. Wenn man
will, kann man das selbe in einem ganz anderen Bereich verfolgen,
BSE zum Beispiel. Wenn man sich die Agrarpolitik zwischen den
Ländern anschaut, dann wird man sehen, dass die direkt BSE und die
Maul- und Klauenseuche fördert, weil es eine Art von Agrar-Business
kreiert, in der Seuchen gefährlich gedeihen können. Und im
Filmgeschäft diese paar großen Firmen zu haben, die den gesamten
Markt dominieren - einerseits kann man sagen, ja, die arbeiten viel
effizienter, andererseits lassen sie keinen Raum für neues Blut,
buchstäblich.
Jeder Markt aber wird auch von den Gesetzen von Angebot und
Nachfrage bestimmt - ohne Nachfrage nützt das schönste Angebot
nichts. Gibt es nicht auch Gründe, warum die Nachfrage
schwankt?
Wenn man jenseits der finanziellen Ebene der Geschichte schaut -
die ich für sehr, sehr wichtig halte - dann haben sie recht, dann
gibt es da quasi diesen Zyklus der Ideen. Wenn man zum Beispiel die
Monsterfilme von Universal aus den 30ern nimmt, dann wurden da ein
paar gemacht, die einen Stil kreiert haben - vor allem von James
Whale und Todd Browning... Plötzlich hatte man diesen Stil von
Filmen, die in einer Art von Welt existierten, die sowas wie ein
Alternativ-Universum war. Frankenstein und Dracula existieren in
keiner normalen Welt. Es gab diesen Look, der von den
Universal-Monstern begründet wurde - damit hatten sie eine ganze
Reihe von GROßEN Erfolgen. Es gab FRANKENSTEIN, BRIDE OF
FRANKENSTEIN, THE MUMMY, THE WOLFMAN, THE OLD DARK HOUSE, und nun
bauten sie diese Filme auf, und dann gingen ihnen die Ideen aus. Da
gab es dann FRANKENSTEIN MEETS THE WOLFMAN (kein schlechter Film,
aber man sieht, wohin das führt...) und dann all diese
verschiedenen Versionen von THE MUMMY - die hatten alle die sich
langsam bewegende Mumie, aber sie hatten nichts von dem magischen,
eigenartigen Herz des ersten. Und schließlich landeten wir bei
ABBOTT & COSTELLO MEET THE MUMMY, und dann starb es aus. Der
ganze Stil wurde schließlich zum Witz, weil er sich abnutzte, und
er wurde nurmehr etwas für Anspielungen, für liebevolle Referenzen.
Dann dauerte es bis zu den Hammer-Filmen in den 50ern, dass die
Dracula- und Frankenstein-Filme erneut gemacht wurden, aber nun mit
Blut und nackten Brüsten und in Farbe. Oder wenn man sich etwa
Roger Cormans Poe-Serie ansieht... Ich glaube schon, dass es da
eine gewisse Eigendynamik gibt, einen Zyklus. Im Moment befinden
wir uns in einer Zeit, wo die großen Studios Genre-Filme machen auf
eine Art, wie sie es nie zuvor getan haben. In den 30ern, 40ern,
50ern, 60ern, haben sie nicht diese Art von Filme gemacht, die
jetzt riesige Budgets haben - eine Art von Filmen, die einst von
Roger Corman und American International produziert wurden. Aber
jetzt werden diese Filme mit $100 Mio. Budgets gemacht, und da
bleibt den Independents fast nur noch Splatter - und selbst das
verlieren sie, weil inzwischen die Action-Filme mehr Splatter
liefern als LEGION OF THE DEAD - nicht ganz, aber... Aber im
Moment sind wir, glaube ich, bereit für etwas Neues. Wir hatten
einen Zyklus in den 70ern, und dann haben die 80er wirklich groß
eingeschlagen - da gab es eine richtige Flut von Interesse für
Horror-Filme. Die 90er waren mehr uneinheitlich.
Ist SCARY MOVIE dann quasi unser ABBOTT & COSTELLO MEET
THE LAST HOUSE ON THE LEFT?
Ja, ich denke schon. Es ist zur Farce geworden. In der Tat ist
mein Projekt gerade - das, was mich derzeit am meisten beschäftigt:
RE-ANIMATOR 3. Und was mir wirklich Kopfzerbrechen macht ist: Wie
macht man das noch einmal? Denn es ist die Fortsetzung einer
Fortsetzung, die Story wurde schon erzählt - ich habe erst gestern
den ersten RE-ANIMATOR wieder gesehen, der ist so nahezu perfekt,
wie er voranmarschiert, und man denkt sich, "Oh Mann, wenn man
diese Art von Film wieder macht, gibt es dafür ein Publikum?" Denn
das Publikum verändert sich, und das junge Publikum - das hat SCARY
MOVIE gesehen. Da gibt es kaum was in RE-ANIMATOR, mit dem man es
schockieren könnte. Einer der Gründe, warum ich glaube, dass
bald etwas Neues passieren wird ist, erstens, weil ich einen
Glauben an den Frühling habe (lacht) und zweitens sehe ich um mich
herum und bei mir selbst dieses Mischen von Genres. Zwei Filme
diese Woche beim Festival: Der eine war Christophe Gans' LE PACTE
DE LOUPS, und der andere war mein FAUST: LOVE OF THE DAMNED. Die
sind beide eine Art Mischmasch - die sind so "können die sich nicht
entscheiden, was für eine Art Film sie machen wollen?"-mäßig. Will
Christophe einen Kung Fu-Film machen, oder ein großes französisches
Kostümdrama? Will FAUST ein Comic-Film sein oder ein Horrorfilm?
"Los, entscheidet Euch!" Ein Monster-Film oder was? Und von mir
selbst aus, der daran teilhat, kann ich sagen, dass es damit zu tun
hat, dass man versucht, etwas Neues zu finden - und das erste was
wir tun, wenn wir etwas Neues tun wollen, ist, die bekannten
Zutaten zu nehmen und sie zusammenzumischen, um zu sehen, ob was
passiert. Hin und wieder nur sieht man etwas, das Origineller ist.
Deswegen habe ich das Gefühl, dass bald etwas passieren wird - dass
wir am Ende eines Zyklus angelangt sind. Und was wird das Neue
sein? Keine Ahnung. Wer hätte EVIL DEAD voraussagen können, oder
RE-ANIMATOR, oder selbst RETURN OF THE LIVING DEAD - den ich für
einen der wirklich einflussreichen Filme seiner Zeit halte.
Die Infusion an neuem Blut für diese Zyklen scheint oft aus
Europa gekommen zu sein...
Nun, man muss feststellen, dass Dario Argento in den 70ern sehr
einflussreich war, und selbst in den 50ern, William Castle, obwohl
er so einzigartig war - wenn man sich THE TINGLER anschaut, sieht
man mittendrin (Henri-Georges Clouzots) LES DIABOLIQUES. Ich
glaube, jeder ist sich (dieser anderen Traditionen) bewusst. Selbst
Christophe Gans und selbst Quentin Tarantino - die machen Hong
Kong. Und sie haben Glück, weil das Publikum keine Hong Kong-Filme
gesehen hat. Jeder nimmt von jedem - das ist keine Kritik, sondern
eine Beschreibung. Wir müssen Wurzeln haben.
Wäre dann Ihre "Fantastic Factory" mit ihrem Standort in
Spanien nicht vielleicht tatsächlich in einer guten Position, um
eine Renaissance des Genres zu bringen?
Was da passiert ist eine Art Mischung. Aber ich habe das schon in
der Vergangenheit versucht. Heute zeigen sie auf dem Festival
NECRONOMICON, ein Film, der mir sehr am Herzen liegt, weil ich ihn
immer als Experiment angesehen habe. Ehrlich gesagt finde ich
nicht, dass NECRONOMICON als Film an sich so wahnsinnig gut
funktioniert, und es ist immer schwierig für ein Publikum, drei
verschiedene Geschichten zu haben. Filmemacher lieben es, solche
Anthologie-Filme zu machen, aber das Publikum schaut sie nicht
gerne an. Es ist ein uneinheitlicher Film. Aber das macht mir
nichts aus, denn als ich anfing, ihn zu machen, da habe ich das als
Experiment getan. Das Experiment war, einen Regisseur aus Europa,
einen aus Asien und einen aus Amerika zu nehmen und jeden einen
Lovecraft-Film machen zu lassen, und sich die Mixtur anzusehen.
Denn für mich sind das die drei Teile der cineastischen Welt zur
Zeit. Und ich wollte einfach sehen, wie die Mischung aussehen
würde. Das ist es zum Teil, was derzeit in Barcelona passiert:
Ich versuche, so viele Leute wie möglich, die ich interessant
finde, zu mischen - innerhalb der von der EU vorgeschriebenen
Nationalitäten-Quoten, was sehr kompliziert ist. Ich glaube zum
Beispiel, dass Jaume Balagueró, der unser auf einheimischer Erde
gewachsener Held ist, unser katalanischer Held, davon profitiert
hat - dass er einen anderen Film macht, als er ihn ohne die
Fantastic Factory gemacht hätte. Er macht einen Film, der ganz und
gar seiner ist, er hat einen katalanischen Kameramann, Cutter, das
ganze Team. Aber nachdem wir drei Filme dort produziert haben,
haben wir uns mit dem was wir tun etwas aufeinander eingestellt,
und die Crew hat ihr eigenes System erfunden. Ich glaube, es gibt
da einige europäische oder spanische oder katalanische Sichtweisen,
die daraus resultieren, die ziemlich fresh - ziemlich neu und cool
- sind. Und ziemlich interessant. Ich hoffe, dass das etwas
bewegen wird. Ich will einfach Filme machen, die ich liebe. Mich
ermüdet das herkömmliche Zeug. Ich liebe einiges von dem
herkömmlichen Zeug - ich hätte unheimlich gern THE HOLLOW MAN
gemacht gehabt, vielleicht nicht genau so, aber diese Art von Film
sind großartig. Ich mochte THE CELL. Ich mag Filme, die ganz in
einem Labor spielen - nun gut, das waren riesige Budgets, aber es
hätten keine sein müssen.
Oft scheinen die erfolgreichen Zyklen von Horrorfilmen auch an
ein konservatives gesellschaftliches Klima gekoppelt zu sein. Wäre
das auch ein Indiz, dass die nächste Welle unmittelbar
bevorsteht?
Möglich. Es könnte auch einfach mit neuen Leuten zu tun haben,
die andere Ideen haben, wie man Horrorfilme macht. Ich würde sagen,
EVIL DEAD war eine Mischung von allem, an was Sam Raimi sich nur
erinnern konnte. Und trotzdem ist da pure Kreativität am Werk. Und
bei RETURN OF THE LIVING DEAD machte Dan O'Bannon im Prinzip eine
fast perfekte filmische Version der EC-Comics, bevor Joel Silver
TALES FROM THE CRYPT gemacht hat oder sonstwas von dem Zeug. Es gab
den Ton vor. Niemand hat je einen Zombie-Film gemacht, wie Dan
O'Bannon ihn machte. Auch NIGHTMARE ON ELM STREET war eine ganz
neue Idee - Surrealismus mit einem Slasher-Film zu mischen. Im
Moment scheint es, dass der größere Markt mehr an
Grusel-Geschichten interessiert ist, mehr an der Art Geschichte von
THE SIXTH SENSE. Das basiert jetzt natürlich auf dem Erfolg eines
einzelnen Films... Aber es werden viele Filme gemacht über Geister,
über Spukhäuser, und ich glaube, wir werden davon mehr sehen, wir
werden mehr CHILDREN OF THE DAMNED-artige Sachen sehen. Diese
Ängste, die man nicht ganz fassen kann... wo man kein Blut sieht
und keine abgetrennten Gliedmaßen und Monster. Aber auch das ist
ein Zyklus. Die eine Sache, die ich wirklich für im Kommen
halte, ist der Horror des Solipsismus, in der Art von THE MATRIX.
Wo die Welt nicht real ist. eXistenZ war für mich wirklich,
wirklich gut - viele mochten den nicht, aber ich fand, das war das
beste Videospiel, dass ich je auf der Leinwand gesehen habe.
Ich denke, die Welt der Videospiele hat der Film immer noch nicht
zu fassen gekriegt. Das fing an mit TRON und seither frickeln sie
daran rum, und zuletzt hatten wir LARA CROFT: TOMB RAIDER (den ich
einfach nur furchtbar fand) (Einspruch, Euer Ehren - Die
Red.) und nun FINAL FANTASY. Sie versuchen noch immer, dieses
Erlebnis, das so viele Leute rund um die Welt haben, die ihre Zeit
mit Videospielen verbringen, einzubeziehen. Das wird sicher
Auswirkungen haben.
Das neue Erstarken der Konservativen hat ja auch die leidige
Debatte um Gewalt in den Medien wieder sehr hochkochen lassen.
Sind Sie davon in irgendeiner Weise betroffen?
Ich bin mir dessen sicher bewusst. Es betrifft mich nicht wie
jemandem wie beispielsweise Tobe Hooper, der jede Menge Angriffe
einstecken musste für THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE, so dass er jetzt
lieber Filme macht über Monster statt über Menschen, die rumziehen
und töten. Weil er nicht verantwortlich gemacht werden will für
Probleme in unserer Gesellschaft. Aber da die meisten meiner Filme
so fantastisch sind, ist es wirklich schwierig, etwas wie RETURN OF
THE LIVING DEAD 3 zu nehmen und zu sagen, das ermutigt Kinder
irgendwie, sich gegenseitig umzubringen - das sehe ich einfach
nicht, es ist einfach zu abseitig. Von dieser Seite gesehen habe
ich da nicht die gleiche Beziehung. Aber es gibt gewiss Leute die
finden, dass die Filme, die ich mache, sich einfach nur in
perversen Bildern suhlen und eine Art pornographische Sache
bedienen, die das Leben oder den Tod entwerten, so etwas... Und
ich weiß es wirklich nicht. Ich glaube gewiss, dass Filme und
Literatur Menschen beeinflussen, aber ich denke gewiss nicht, dass
daher die Inhumanität der Menschen herkommt. Wir haben ja überhaupt
erst seit sehr kurzem sowas wie eine alphabetisierte Gesellschaft,
geschweige denn Kino oder CDs, und trotzdem haben wir eine
Geschichte von Jahrtausenden von gegenseitigem Abschlachten und
sich die schrecklichsten Dinge antun - man kann für die Spanische
Inquisition gewiss keine Horrorfilme verantwortlich machen, oder
Splatterfilme. Dann sollte man vielleicht die katholische Kirche
dafür verantwortlich machen. Nun, ich sehen niemand, der der
Katholischen Kirche sagt, sie soll damit aufhören, Jesus jeden
Sonntag zu töten und zu essen, oder ihre Statuen abschaffen von
Heiligen, denen die Haut abgezogen wird... Gewiss, sie haben ein
höheres Ziel. Aber wir müssen vorsichtig sein mit unserer
Einschätzung. Ich denke, dass es auch dumm ist zu sagen: Nein, es
gibt keinerlei Effekt. Es gibt gewiss Sachen, die ich nie
darstellen wollen würde. Aber mache ich das, was für mich
funktioniert - wenn man es von außen betrachtet und all das Blut
und so sieht mag man sagen, "Oh, das ist eine schreckliche Sache",
andererseits finde ich, dass Horrorfilme extrem streng sind
moralisch gesehen. Ein Horrorfilm hat eine unglaublich starke
moralische Struktur, viel mehr, als normale Filme. Und ich glaube,
es gibt viel mehr Immoralität in einer Menge von
Mainstream-Filmen.
Jetzt haben ja auch ausgerechnet die inhumansten Diktaturen
immer die saubersten Medien...
Nun, die unterdrücken. Es ist so ähnlich wie wenn man japanische
Horrorfilme anschaut - manchmal zeigen die solch schreckliche
Folter-Szenen, solch schrecklichen Sadismus (der mich ehrlich nicht
anzieht, der mir nichts gibt) - aber dann schaut man sich die
Gesellschaft an, und es ist diese absolut homogene Art von
Gesellschaft, in der alles so unterdrück wird - auf der einen
Seite, und dann explodiert es auf der anderen einfach vor Wahnsinn.
Sie haben wahrscheinlich recht, dass eine rechtslastige Kultur
diese abartigen Bilder, diese Perversionen kreiert.
Würden Sie sich in gewisser Weise als subversiven Filmemacher
ansehen?
Ich weiß nicht. Ich wüsste nicht, gegen was meine Arbeit
subversiv wäre. Ich bin für die Welt an sich ziemlich ungefährlich,
weil ich einfach reinpassen will, mit allen klarkommen will. Als
ich jünger war, war ich ein Hippie und war Teil dieser ganzen
linken Szene, Hippie-Kommunen und alles, und da gab es immer das
Gefühl, dass man ein Outlaw sei. Seit diese Kultur das Ruder
übernahm - oder vom Mainstream geschluckt wurde - bin ich wie jeder
andere: Ich will Geld, ich will mein Haus haben. Vor allem wenn man
älter wird: Man möchte Annehmlichkeit. Wenn man jung ist, lassen
einem die Leute viel Freiraum, weil man süß aussieht oder sowas.
Aber je älter man wird: Mann, da hast du besser ein Geschäft, hast
besser Geld, oder du bekommst von den Leuten weder Respekt noch
sonst irgendwas. Und wenn man diese Dinge will, dann beginnt man,
in den status quo zu investieren... - Ich fände es etwas prätentiös
zu glauben, dass ich subversiv sein könnte. Vielleicht in einem
sehr eng begrenzten Bereich des Filmemachens bin ich es, aber was
ich mache ist so gewöhnlich in der Welt des Films, wenn man darüber
nachdenkt... - die Fantastic Factory aufzuziehen ist, was viele
Leute in der Vergangenheit gemacht haben. American International,
New World, alle von diesen Sachen. Das läuft nach dem Muster:
"Okay, lasst uns eine Reihe von Filmen machen, lasst sie uns
low-budget machen, und wir versuchen, ein paar größere zu machen."
Der Unterschied für mich ist, dass ich einfach Gefallen an dem
Genre habe. Selbst meine Kinder, wenn sie ein gewisses Alter
erreicht haben, wollen nicht mehr mit mir ins Kino gehen, weil sie
meinen Geschmack zu pubertär finden. (Lacht) Vielleicht ist es,
weil ich als Katholik aufgewachsen bin, und das allein pflanzt
einem schon diese seltsame Idee in den Kopf von
Körper-Transformationen und Tod und Schmerz, Wundern und
Geistern... Die katholische Kirche gibt uns die am besten
organisierte Symbolik des Horror überhaupt, viel mehr als östliche
Religionen. Wenn man sich östliche Horrorfilme anschaut, da geht
alles kreuz und quer, die wissen nicht, was die Regeln sind. Aber,
mein Gott, die Katholische Kirche gibt uns Vampire! (Lacht) Sie
diktiert uns diese Sachen sehr klar, und das ist etwas, das ich
wohl in mir trage. Und aus der Zeit, in der ich aufwuchs, erinnere
ich mich an Bildern von Filmen am stärksten an die aus den
Horrorfilmen.
Immerhin zeigen Sie in Ihren Filmen stets
mehr Mitgefühl mit den Monstern als mit dem
Establishment...
Ich denke, das ist ziemlich traditionell. Das ist eine
gewissermaßen traditionelle Sichtweise. Der Grund, warum sowohl
KING KONG und FRANKENSTEIN als Filme so attraktiv sind ist, dass
man Sympathie für das Monster empfindet, sowohl für King Kong als
auch Frankenstein. Wir fühlen sogar Mitleid mit der Mumie - und THE
WOLFMAN hat das sogar richtig gehend gemolken, da haben sie alle
Hemmungen fahren lassen. Es ist keine ungewöhnliche Sache. Aber Sie
haben Recht - ich mag die Monster. Und mich interessieren die mehr
als sonst wer.
In den 80ern und 90ern, als Ihre Filme entstanden, war
Sympathie mit den Monstern aber nicht gerade en vogue. Mit einem
Jason oder all den anderen Schlitzern hatte man wenig
Mitgefühl...
Ja, die waren ziemlich gesichtslos. Der eine meiner Filme, der
für mich am deutlichsten damit arbeitet, ist RETURN OF THE LIVING
DEAD 3 - denn es war so schwierig, die zweite Fortsetzung zu einer
Alternativ-Fortsetzung eines Klassikers zu machen (lacht). (Die
RETURN OF THE LIVING DEAD-Reihe ist ein Ableger von George Romeros
LIVING DEAD-Trilogie, die durch einen Rechtsstreit zwischen Romero
und O'Bannon zu Stande kam. - Die Red.) Aber auch, die
Mythologien von George Romero und Dan O'Bannons Zombies zu mischen
und damit etwas anderes zu machen. Das erste, was mir einfiel war,
die Hauptfigur zum Zombie zu machen. In DAY OF THE DEAD hat Romero
angefangen, ein bisschen in diese Richtung zu gehen. Und in
RE-ANIMATOR gab's sowas Ähnliches mit Dr. Hill - obwohl wir mit dem
nicht so viel Zeit verbringen. Bei BRIDE OF THE RE-ANIMATOR
habe ich immer bereut, dass wenn ich ihn gesehen mir aufgestossen
ist: Die Braut kommt erst ganz zum Schluss, wie bei BRIDE OF
FRANKENSTEIN. Sie hätte früher kommen sollen, wir hätten ein
bisschen bei ihr sein sollen, sie war großartig. Und als ich die
Chance hatte, einen Zombie-Film zu machen, habe ich gesagt: Dieses
Mal kommt die Braut gleich zu Beginn, und wir werden bei ihr sein.
Ich finde es eine sehr anrührende Geschichte. Mich hat schon immer
interessiert was in der Zeit passiert zwischen dem Moment wenn
jemand stirbt und dann zum Zombie wird - was ist das für eine
Erfahrung? Wie kommt man damit klar?
Sie haben ja auch nie diesen Horror der Zerstückelung
mitgemacht, der die anderen Filme der Zeit so prägte...
Mich hat das Slasher-Ding nie wirklich interessiert, das war ein
Genre, das ich nicht sonderlich mochte, ehrlich gesagt. Selbst bei
einem Film wie HALLOWEEN, den ich sehr bewundere - der Einfluss,
den dieser Film hatte, ist unglaublich... Mich hat immer eher
NIGHTMARE ON ELM STREET angezogen, weil es da das abgefahrene Zeug
gibt. Diese Szene mit der Zunge aus dem Telefonhörer? Sowas finde
ich großartige Sachen. Oder Freddies Arme, die immer länger werden
- wow, das sind Alptraum-Geschichten! Aber wenn einfach einer kommt
und Leute metzelt, das habe ich noch nie gemocht, obwohl ich fand,
dass FRIDAY, THE 13TH ziemlich gut war, weil der praktisch die
Anfangsszene von HALLOWEEN genommen hat und einen ganzen Film
daraus gemacht. Soweit ich sehe, habe ich nur einen "body
count-movie" gemacht, und das ist THE DENTIST. Und ich wusste
damals, als ich den machte, schon: Oh je, da ist nur dieser Typ,
der einen Haufen Leute umbringt. Wie kann ich das machen? Sowas hab
ich noch nie gemacht, das ist nichts, was mir Freude bereitet - ich
suche nicht nach neuen Methoden, Leute umzubringen, ich
interessiere mich für Tod nur als Weg, um andere Dinge damit zu
tun. Deshalb fand ich THE DENTIST sehr schwer zu machen - ich ging
in andere Filme, um Wege zu finden, Leute umzubringen, weil ich
selbst daran keine Freude hatte. Also hab ich eine Menge von
Hitchcock übernommen. Letztlich musste ich mich viel mehr auf den
Zahnarzt konzentrieren als sein Morde, weil ich den Film nicht
hätte machen können, wenn ich den Zahnarzt nicht gemocht hätte. Am
Schluss mochte ich den Zahnarzt. Für mich war er, trotz all seiner
schlimmen Taten, ein Mann der - schon sehr verklemmt - einfach nur
vom Leben enttäuscht ist.
Sie haben vorhin das Älterwerden angesprochen. Verändert sich
dabei auch die Sicht auf Horror, vielleicht auch im anderen
Erfahren der eigenen Sterblichkeit?
Ich weiß nicht. Ich denke ja. Vielleicht. Was ich sagen kann ist,
dass ich mehr über Horror weiß. Denn seit ich angefangen habe Filme
zu machen, habe ich auch Filme studiert. Ich habe mein eigenes
Studium von Filmen betrieben. Ich habe Bücher gelesen und Tonnen
von Filmen gesehen, besonders die alten Stummfilme und die aus den
30ern. Also fühle ich mich viel mehr film-literate,
Film-gebildet. Andererseits gibt es diese Tendenz, je älter ich
werde, um so stärker in einer Außensicht zu sein in der Art, wie
ich über Filme denke. Während ich mich, als ich jünger, wenn ich
die Gelgenheit hatte, einen Film zu machen, einfach von einer Idee
mitreißen ließ. Jetzt fange ich damit an, von einer Idee
mitgerissen zu werden, und dann beginne ich zu analysieren, von
außen, vom Markt her, vom Publikum. Schließlich ist da ein viel
nüchterneres Herangehen, und ich weiß nicht, ob das nicht
vielleicht eine schlechte Sache ist. Denn bei Horrorfilmen braucht
man wirklich diesen freudigen Enthusiasmus, man will das Gefühl von
Freude. Und das ist schwieriger zu bekommen, wo ich älter werde und
vielleicht viel nüchterner als in jungen Jahren.
Also irgendwann einmal der Wechsel zur Romantic
Comedy?
Ich habe immer noch Freude daran, grauselige Sachen auf der
Leinwand zu machen. Aber von Anfang an hatte ich dabei irgendeine
abgefahrene Idee hinter dem allen, mit der ich arbeitete...
Manchmal denke ich, es gäbe andere Arten von Filmen, die ich gerne
machen würde - das sind immer noch Genre-Filme, aber sie wären
vielleicht etwas weniger pulpy, weniger groschenroman-mäßig. Aber
dann komm ich davon zurück und denke: Nun, dies ist ein Genre -
wenn du es gut machst, dann ist es großartig. Wie jedes Genre.
Was mir an mir aufgefallen ist: Ich fühle mich sehr unwohl an fast
jedem Drehtag, wenn ich nicht etwas Abgefahrenes in den Dailies,
den am Tag abgedrehten Filmstreifen, sehe. (Lacht) So bin ich
einfach. Vielleicht ist mein Geschmack einfach nur sehr
bodenständig. Ich glaube nicht, dass ich gut wäre bei einer
Romantic Comedy, aber ich würde sehr gerne einen Action-Film
machen, oder ganz besonders einen Abenteuerfilm, aber wenn es ein
Abenteuer auf dem Mars wäre, würde ich es noch lieber machen...
Was man auch beachten muss ist, dass es sehr schwer ist davon zu
leben, Filme zu machen. Ich hatte nie einen Riesen-Erfolg. Ich bin
nicht jemand wie Tim Burton oder James Cameron, diese Leute, die
offenbar mit riesigen Budgets umgehen können und dabei großartige
Sachen machen. Ich arbeite ziemlich hart und muss mir genau
überlegen, was ich mache. Vom Filmemachen zu leben ist sehr schwer.
Und wenn man einmal in eine Richtung angefangen hat und es schafft,
das zum Funktionieren zu bringen, ist es sehr schwer jemanden davon
zu überzeugen, einem eine andere Art von Film anzuvertrauen. Dabei
könnte ich als Produzent freilich alles produzieren, und vielleicht
reduziert sich alles auf die Tatsache, dass es mich einfach
langweilen würde. (Lacht)
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