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besprechung der magier von zwickledt |
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Es überrasche ihn, so der Graphiker und Dichter Kubin über sich selbst, mit welcher photographischen Schärfe die Bilder des Lebens in seinem Unterbewußtsein bewahrt werden. In unserer Zeit der viel beschworenen Omnipräsenz der Bilder und im Anschluß an die Präsentation von Gerhard Richters ominösem Bilder-„Atlas“ im lenbachschen Kunstbau, rückt nun auch das Werk von Alfred Kubin, dessen lithographische Arbeiten vollständig im Lenbachhaus aufbewahrt werden, in das Schußfeld neuer Fragestellungen. Der Künstler verbindet seine aus dem Unterbewußtsein drängenden Schreckensbilder mit skurrilen Verfremdungen bekannter Alltagsmotive, den sogenannten „Realitätsbildern“, und erinnert uns damit an die aktuelle Frage nach der Wechselwirkung von inneren und äußeren Bildern. Kubins vor allem illustratives Werk zerfällt ganz offensichtlich in zwei Werkphasen.Im sogenannten Frühwerk der Jahre von 1899-1904, die er nach der Kindheit in Zell am See in München verbringt, sind es die surrealen Bilder geheimer Triebe und verborgener Ängste, die den übersensiblen Künstler ruckartig überfallen. Nach einer Phase des Übergangs beginnt dann ab 1909 das „Spätwerk“ mit der Herausbildung des charakteristischen, feinlinigen Stils der reinen Federzeichnung und den nun eher volkstümlichen Phantasie- und Sagengestalten, wie den verzauberten Orten seiner näheren Umgebung. Kubin selbst empfindet seine Lebensgeschichte als gespalten und doch schöpft er jetzt nicht aus neuen Impulsen und mit neuen Inhalten, sondern aus einer veränderten Position heraus, die ihn eine intensiv erlebte und erlittene Jugend als vergangen empfinden läßt und die Gegenwart als eine Stabilisierung und eine Verarbeitung einstiger Erlebnis- und Bildeindrücke. |
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Neben zeitgenössischen Vorbildern wie Klinger, Munch, Ensor und Redon sind es Goya und die alten deutschen wie niederländischen Meister, allen voran die phantastischen Bilderwelten des Pieter Breughel, die ihn faszinieren. Immer mehr aber kommen Einflüsse einer eher dem Trivialen angehörenden Bilderwelt des 19. Jahrhunderts, die Kubin als frühe Bildeindrücke seiner Jugend empfangen hat: Märchenbücher, alte Kalender- und Flugblätter, illustrierte Zeitschriften und Bücher. Figuren und Physiognomien aus der Welt vor der Jahrhundertwende bis in die Jugendzeit seiner Eltern: „Die Zeichnungen ... prägten sich mir dauernd eindringlich ein, so daß spätere Reisen in diese Gegenden, die ich als Mann unternahm, gegen diese frühen Eindrücke nicht mehr aufkommen konnten.“ Mit den nostalgischen Formen steht Kubin gegen die eigene moderne Zeit auf, wobei er sich der Gebrechlichkeit seiner „Seifenblasenwelt“ stets bewußt bleibt. Seine oft überspitzt kauzigen Gestalten fallen aus der modernen Welt, die sie bedrängt, heraus. |
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Trotz der Abgeschiedenheit seines Wohnsitzes in Zwickledt (Oberösterreich) nahm der Künstler durch seine zahlreichen und weit verbreiteten Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Simplicissimus“ auf seine Weise an dem öffentlichen Leben teil. Die Jahre des Zweiten Weltkrieges bewältigt er mit immer wiederkehrenden Militärszenen des alten längst entschwundenen Habsburger Reiches, zum Teil mit Kosaken und Derwischen, die Niederlagen mit Napoleonphantasien wie Waterloo und das Kriegsende gar mit dem Bild eines fahnenhaltenden mittelalterlichen Landknechts. Wenn wir heute immer wieder betonen, daß unsere Wahrnehmung von Gegenwart und unsere Bilder der Zukunft nicht unbeeinflußt bleiben von den persönlichen und kollektiven Erinnerungen, dann mögen unter diesem etwas anderen Blickwinkel auch die Werke Alfred Kubins gerade in ihrer Brüchigkeit - nicht zuletzt auch jener seines charakteristischen Federstrichs - durchaus zeitgemäß erscheinen. | |
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