Bevor sich demnächst diverse Münchner Filmkunsttheater in die
Sommerpause verabschieden, sollte man als CineastIn nochmal kräftig
zulangen und etwas Vorrat bunkern an schönen Kinoerlebnissen. Was
sich diese Woche wirklich anbietet, denn das Angebot ist
reichlich. Da wäre zunächst einmal THE END OF THE AFFAIR in
der Lupe 2 (die sich mausert und den Film OmU zeigt!). Bisher mit
Abstand der beste Film des Jahres (sagt unser Herr Willmann, und
der weiß Bescheid), ein wirklich tiefgehendes, ungeheuer intensives
Melodram um die Eifersucht auf einen Unsichtbaren Dritten (nämlich
Gott), das an die Substanz geht und sich traut, ganz ohne hippe
Ironie oder distanzierende Verbrämung die ganz großen Fragen nach
Liebe und Gott zu stellen. Das mag nicht zeitgemäß für unsere
Spaßkultur sein, aber es ist ganz, ganz großartig.
Und weil wir gerade bei Filmen sind, die zu gut sind für diese
Welt: Endlich, endlich läuft (ein dreifaches "Hurra!" dem
Werkstattkino) auch in München außerhalb des Filmfests Abel
Ferraras NEW ROSE
HOTEL. Gewiss nichts für Leute, die Dickens für die
letztgültige Instanz halten in Sachen erzählerische Represäntation
von Welt und vom Kino fordern, dass es immer noch funktioniert wie
bürgerlicher Roman. Wer "logische" Story-Fortschreitung von Punkt A
nach Punkt B sucht und "realistische" (har har!) Motivation und
Psychologisierung von Charakteren darf dahim bleiben. NEW ROSE
HOTEL (der, damit wir uns nicht falsch verstehen, durchaus eine
sogenannte "Handlung" hat) geht andere Wege, um Sinn zu stiften,
und die sind enger mit dem Medium selbst verknüpft: Repetition,
Rekombination, Reflektion. Aber kommen Sie einfach, schauen Sie,
erleben Sie diesen Trip und staunen Sie.
Da ist unser nächster Tip schon etwas Massen-kompatibler:
Takeshi Kitano (alias "Beat" Takeshi) kennen wohl mittlerweile
die meisten. Die Cineast sowieso schon länger, und denen müssen
wir nur sagen: HANA-BI
und KIKUJIROS SOMMER, im OmU,
im Arena, und schon werden sie losflitzen. Die anderen kennen
ihn vom Fernsehen aus "Takeshi's Castle" und dürften sich
wundern, nicht nur DASS der Mann auch Filme dreht, sondern
WAS für welche. Für diese Zielgruppe sollte der Einstieg über
KIKUJIROS SOMMER leichter fallen, weil der viel Leichtigkeit
hat, viel von der Verspieltheit und Kindlichkeit, die Takeshi
auch in seinen Fernsehshows (von denen es in Japan unzählige
gibt) an den Tag legt. In KIKUJIRO ist noch viel von Takeshis
Wurzeln als Stand up-Komiker zu spüren - und einige seiner
Mitstreiter aus diesem Teil seines Metiers mit im Ensemble.
Und trotzdem ist's ein wunderschöner und auch wehmütiger Film
- was prima vorbereitet auf die überlebensgroße, hammerharte
Tragik von HANA-BI
(dem besten Film von 1998, sagt Herr Willmann).
Und schwupp, schon ist wieder eine Überleitung geglückt, denn wir
greifen einfach das Stichwort Tragik auf und sind schon bei Josef
Schmidt. Der war Tenor und reichlich klein gewachsen, was erstmal
dazu führte, dass seine Karriere vorbei schien, bevor sie begann,
denn kein Opernhaus wollte ihn engagieren. Dann kam die Rettung per
Radio: Da zählten nur stimmliche Qualitäten und nicht der
Körperbau, und so wurde Schmidt doch noch zum Star. Es folgten
Filmrollen und sogar Opernengagements - was alles ein jähes Ende
nahm, als die Nazis mit ihrem Arier-Terror aufmarschierten. Der
jüdische Schmidt musste fliehen, begab sich auf den Weg von einem
Exil zum nächsten - und starb, verarmt und obdachlos, 1938 in
Zürich in einem Internierungslager. Wenn man seine Geschichte
kennt, bekommen seine Filme einen bitteren Beigeschmack und eben
eine tiefere Dimension der Tragik. So oder so aber sollte man sich
die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den sympathischen Tenor
einmal auf der Leinwand zu erleben, in durchaus schönen
Semi-Operetten-Filmen mit wunderbaren Liedern der 30er ("Heut' ist
der schönste Tag in meinem Leben", "Es wird im Leben Dir mehr
genommen als gegeben") und sogar (in HEUT' IST DER SCHÖNSTE TAG
IN MEINEM LEBEN) einer gehörigen Portion Selbstreflexivität in
punkto technischer Reproduktion von Körpern und Stimmen. Ein
würdiger Abschluss der Reihe deutschsprachiger Emigrantenfilme im
Filmmuseum.
Würdiger Abschluss? Da kann es doch für unsere wöchentlichen
Empfehlungen nur einen geben. Und der bleibt klassisch - auch wenn
unser Herr Herrmann (der da Bescheid weiß) sagt, dass Damenfußball
eigentlich ein ganz anderes Spiel wäre als Herrenfußball und so.
Aber sind wir ehrlich: Das, was von unseren Männlein zuletzt bei
der EM zu sehen war, war ja nun wirklich auch kein Fußball mehr. Da
sind die Weiblein bestimmt noch näher dran. Deswegen: Schreiten Sie
zur Tat, Herr Oehmann! "Samstags Fußball, Sonntag
Lindenstraße." Danke.
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die
Artechock-Redaktion
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