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25.04.2007
 
 
  Cinema Moralia, Folge 1  
Grüße aus dem Kinohimmel
 
Robert Altman starb am 20. November 2006 in Los Angeles
 
 
 
 
 

Unter dem Titel "Cinema Moralia" sollen hier in Zukunft in loser Folge Notizen zum Kino zu finden sein, aktuelle Beobachtungen Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik sowie Hinweise - eine Art Tagebuch eines Kinogehers

Mit einem Blick zurück fängt es an. Es war eine traurige Nachricht, die uns am Wochenende erreichte: Laurens Straub ist tot. Dass er Lungenkrebs hatte, wusste man schon länger, aber letzten Herbst in Hof hatte er recht zuversichtlich gewirkt, und es schien Hoffnung zu geben. Hof wird, für jemanden der zu jung ist, um sich an Straubs Anfänge im München der 60er und an seine große Zeit als Geschäftsführer des "Filmverlag der Autoren" zu erinnern, immer der Ort sein, den man mit seinem Namen verbindet: Bis spät nachts beim Bier im "Strauß", oder vor einem Film über den gerade gesehenen streitend. Ein angenehmer Mensch, immer aufmerksam, aber auch ein bisschen getrieben. Und einer der offen diskutieren konnte (und wollte).
Ebenfalls in Hof hatte er 2002, zum "Pressegespräch" über FÜHRER EX geladen. Keiner war außer mir gekommen, und so musste ich zwei Stunden lang gegenüber Straub und dem Verleiher meinen Verriss des Films verteidigen. So lernt man sich kennen. Und so lernt man auch, beim nächsten Verriss ein bisschen genauer zu formulieren.

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"Grundsätzlich hat jede Stimme gleiches Gewicht." Wer diese Radio-Eriwan-Formulierung liest, weiß schon, was eigentlich gemeint ist: Nicht jede Stimme hat das gleiche Gewicht. Man findet sie in den Richtlinien der Deutschen Filmakademie (http://www.deutsche-filmakademie.de/richtlinien07.0.html) unter Punkt 7.5 und 7.6.
Die Filmakademie hat still und heimlich ihre Regeln für Wahl des "Besten Film" beim nächste Woche zu verleihenden deutschen Filmpreis geändert: Während man sich in allen anderen Kategorien enthalten kann, muss jedes Mitglied jetzt drei Filme wählen, sonst ist seine Stimme ungültig. Was aber, wenn man nur einen der nominierten Filme mag?
Außerdem heißt es in den geänderten Statuten: Der Vorstand "kann" entscheiden, die Stimmen zu "gewichten". Aber nach welchen Kriterien? Wie genau gewichten? Und wann? Das steht da nicht. Es sind also allerlei Möglichkeiten offen.
Im Ergebnis bedeutet dies alles natürlich, dass polarisierende Filme noch zusätzliche Nachteile haben, dass Mainstream noch mehr bevorteilt wird, als bisher schon, weil es damit ja immer noch nicht genug ist, und damit DAS PARFÜM jetzt aber mal wirklich gewinnt.
Natürlich gibt es nun Gegrummel und internen Ärger unter den Mitgliedern, auch wenn es nicht während des nun laufenden Auswahlverfahrens geändert wurde, wie manche glauben, sondern zuvor.
Gemerkt haben das viele Mitglieder erst jetzt durch die Abstimmungszettel. Selber schuld, klar, aber uns selbst wäre es wohl auch nicht anders gegangen. Die Demokratie funktioniert bei der Filmakademie also auch nicht anders, als in jedem CDU-Ortsverband...

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Oder die Akademiemitglieder strafen mich Lügen. An ihnen liegt es jetzt, zu beweisen, dass die Akademie tatsächlich einen eigenen Willen hat und losgelöst von den bekannten Lobbyisten und ihren Interessen agiert. Bis dahin gilt die Frage an Radio Eriwan: "Ist die Filmakademie unabhängig?" - Antwort: "Im Prinzip ja…"

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Letzte Woche lief A PRAIRIE HOME COMPANION, der letzte Film von Robert Altman in den deutschen Kinos an. Noch einmal der wunderbare Flair dieses einmaligen Regisseurs auf der Leinwand. Wer Lust hat, sich etwas mehr mit Altman zu beschäftigen, sollte natürlich seine Filme sehen. Er kann aber auch lesen: Das kurz vor seinem Tod erschienene Buch: Thomas Klein/ Thomas Koebner (Hg.): "Robert Altman. Abschied vom Mythos Amerika" (Bender Vlg., Mainz 2006) bietet einen kompakten, gut lesbaren Überblick. Sehr lohnenswert!

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"Readings" im Berliner Admiralspalast. Extrem gut besucht, leider auch überhitzte Raumtemperatur. Das Drehbuch selbst wollen wir mal schweigend übergehen. Gut dass es diese für alle offenen lockeren Treffen wieder gibt. Da zwei Tage später die "Filmlounge" ihren Abschied verkündet, liegt der Gedanke nahe, einen Zusammenhang zu sehen. Vielleicht ging die an sich sympathische Filmlounge daran zugrunde, dass sie sich der Öffentlichkeit verschlossen hat. Jedes Selbstgespräch verliert irgendwann auch für den Redner seinen Reiz.

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Am Rand der "Readings" konnte man tolle Geschichten darüber hören wie Luggi Waldleitner einst Autorenfilmer förderte, und Mitglieder der CSU aus den Fördergremien werfen ließ, wenn sie irgendwann einmal zuviel dummes Zeug erzählt haben. Man kann sicher gegen Waldleitner manches sagen, aber lieber solche Patriarchen, als die smarten Verwalter und Aktienhändler von heute, und ihre Alt-68er-Sekundanten, die glauben, ein SPD-Parteibuch entschuldige alles.

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"Die seelenlose Üppigkeit des Mobiliars wird wahrhafter Komfort erst vor dem Leichnam." Diesen schönen Satz schrieb Walter Benjamin über die Schauplätze von Kriminalgeschichten bzw. den Zusammenhang von Morden und dem Charakter der bürgerlichen Wohnung, und erinnert daran, dass in guten Genrestoffen die Umgebung die Bewegungen der Figuren bestimmt. Das gilt für die Geschichten des Kinos nicht weniger als für die der Literatur. Im gleichen Text steht auch die Bemerkung, dass die Menschen Dostojewkskis nicht vor seinen Romanen da waren. Auch das gilt selbstverständlich fürs Kino. Aber die Menschen welches Regisseurs geben nun eigentlich gerade im Pandämonium des deutschen Kino den Ton an? Vorschläge willkommen.

(To be continued)

Rüdiger Suchsland

 

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