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30.04.2009
 
 
  Cinema Moralia, Folge 22  

Der deutsche Film und sein Preis


 
Wirklich ein Gewinner ?
JOHN RABE
 
 
 
 
 

Nackte Wahrheiten über das deutsche Kino vor der Krise

Was hat der Bundesfilmpreis, den man "Deutscher Filmpreis" nennen soll, eigentlich mit dem deutschen Film zu tun? Nicht so leicht zu sagen. Mit den Zuschauern schon mal eher wenig, was vor allem deswegen bemerkenswert ist, weil man gern das Gegenteil behauptet.

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Das Kriegsmelo "John Rabe", das immerhin vier Preisen den Löwenanteil der mit 2,8 Millionen Steuergeldern höchstdotierten kulturellen Auszeichnung des Bundes absahnte, die vom Bundestag finanziert wird, und ausgerichtet seit fünf Jahren von einer eigens gegründeten "Deutschen Filmakademie", dieses Melo also mit der Auszeichnung "Bester Film" zu dotieren, ist ein Hohn. Erklärbar nur mathematisch, weil bester Film ja rechnerisch immer der wird, auf den sich eine größere Minderheit einigen kann. Schon mathematisch kommt bei der Abstimmung der Akademie - die zudem weniger eine Filmakademie ist, als eine Schauspielerakademie, aber das nur nebenbei - mathematisch kommt immer Mittelmaß heraus.
Interessant wären die Preise, wenn einmal ein Film von Christian Petzold gewinnen würde und einmal ein Film von Bernd Eichinger, wenn die Akademie also die Extreme prämieren würde. Aber dazu braucht man Mut, Geschmack, und den Willen, über den eigenen Schatten zu springen. Stattdessen liebt man eben Filme wie WOLKE 9 oder JOHN RABE, also das Liebe, Brave, Kleine, oder Politisch-Korrekte, das womit man nirgends aneckt, das, was wir uns nie im Kino anschauen würden. Und die abstimmenden Akademiemitglieder auch nicht - die gucken ja nur DVD's, auch die nicht immer ganz und ohne Vorspulen. Um die Qualitäten eines Film wie JERICHOW zu erkennen, oder die von BAADER MEINHOF KOMPLEX (und der hat eine ganze Menge Qualitäten, auch wenn er einem politisch oder von der Grundhaltung her gewaltig auf die Nerven gehen kann), dazu muss man ausharren, sich einlassen, im Kino versinken. Vielleicht funktioniert das sogar auch auf DVD, aber dazu muss halt einer kontrollieren, dass die Abstimmenden nicht zwischendurch aufs Klo gehen, anhalten, und vor allem die Schauspieler nicht während des Anguckens mit ihren jeweiligen Lebensabschnittsgefährten gucken.

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Nominiert waren in der Endrunde übrigens 22 Filme. Manche sind recht lang, man kommt also auf knapp 50 Stunden Anguckzeit. Wer von den rund tausend Abstimmern hat das liebe Akademie wirklich gemacht? Wieviel liebe Akademie, haben überhaupt mit abgestimmt? Wann liebe Akademie, werden solche Zahlen veröffentlicht? Und wann lieber Kulturstaatsminister, lieber Bundestag, beginnen Sie Ihre Kontrollfunktion - es geht um öffentliche Gelder - in diesem Bereich wahrzunehmen? Öffentlich erkennbar wahrzunehmen?

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Klar, man ist ein Spielverderber, wenn man das alles fragt. Um die Filmkritiker, deren Aufgabe es ist, solche Fragen zu stellen, und in der deutschen Filmküche mal nachzugucken, ob auch keine Kakerlaken herzumlaufen, geht es beim Bundesfilmpreis ja auch zu allerletzt, das das hat man ehrlicherweise auch von Anfang an gesagt. Das war sozusagen Programm.
Aber hoffentlich geht es um die Filmemacher.

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Wenn man dann am Abend Bernd Eichinger zugeguckt hat, wenn er zu den schlechten Witzen über ihn, die man der armen Moderatorin Barbara Schöneberger aufgeschrieben hatte, auch noch müde und Würde bewahrend lächelte, statt ihr und den zuständigen AutorInnen einfach die verdiente Backpfeife zu geben, wenn man also Bernd Eichinger zuguckte, dann tat er einem schon ein bisschen leid. Und Mitleid, erst Recht unserer Mitleid hat Eichinger nun wirklich nicht verdient - das ist dann eine fast so große Demütigung, als die Backpfeifen, die ihm die Zwerge von der Akademie jedes Jahr versetzen.
Lieber Bernd Eichinger, und das ist ehrlich ganz unironisch gemeint, ich frage mich, ob Sie das alles wenn Sie könnten, nochmal machen würden, ob es wirklich der Mühe wert war: Das ganze Lobbying bei den Ministern Naumann, Nida-Rümelin und Weiss, die langweiligen Sitzungen im Bundestagsausschuss für Kultur, nur um irgendwann gegen die eine Hälfte der Brache eine Filmakademie durchzudrücken, die dann JOHN RABE vier Preise gibt und BAADER MEINHOF KOMPLEX keinen. Die JOHN RABE und VIER MINUTEN für bessere Filme hält als BAADER MEINHOF KOMPLEX und DAS PARFÜM, die Markus H. Rosenmüller allen Ernstes für einen besseren Regisseur hält, als Tom Tykwer.
Ich kann nicht glauben, dass Sie da nicht im stillen Kämmerlein selbst bereuen, dass sie die Bundesfilmpreise den Durchschnittswichtigtuern zur freien Verfügung überlassen haben, und sie damit sowohl dem Kunstfilm weggenommen haben, wie den Großproduktionen aus Ihrem Haus.

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So jedenfalls wird das nichts. Solange die Akademie nicht ihren Vergabemodus für die Bundesfilmpreise ändert, und am besten sich selbst, solange sie sich unfähig zu Großzügigkeit und Haltung und eben einfach Geschmack zeigt, solange ist das weder ein deutscher Oscar noch ein deutscher Cesar.

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Als am letzten Freitagabend mit einer großen Gala, langem rotem Teppich und vielen Stars, Sternchen und Funktionären der Bundesfilmpreis verliehen wurde, floß noch nicht mal Champagner und Kaviar gab es auch nicht. Es gab gar nichts außer, passend zu den Preisen, schlechte lauwarme Brezeln, sogenannte Suppen in einem gleichen Olivenschälchen - man brauchte also etwa zehn, um ein wenig Sättigungsgefühle zu verspüren - und Currywurst zu sehr später Stunde, die dann zumindest einer hier ungenannt bleibenden Dame den Magen verdarb. Das Dumme daran war, das nach den Erfahrungen der Vorjahre niemand darauf gefasst war, also alle hungrig blieben.

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So waren alle nervös und angespannt genug, um mit einer gewissen Streitlust die alten, immer neuen Fragen zu diskutieren: Wie geht es dem deutschen Film? Wo steht er? Und was sind seine Zukunftsaussichten?
Man kann diese Fragen wirtschaftlich verstehen und künstlerisch. Die Filmförderung, an deren Tropf der deutsche Film seit Jahren und über alle Konjunkturschwankungen hinweg hängt, rechtfertigt sich offiziell als Kulturförderung - weil die EU-Richtlinien das verlangen. Unter der Hand aber sagen auch die Förderer, dass sie Film mindestens zur Hälfte als Wirtschaftsgut sehen.

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Auch bei diesem Wirtschaftsgut Film ist die Finanzkrise mittlerweile angekommen. Die Einnahmen an der Kasse gehen zurück. Die Verteilungskämpfe nehmen zu. Jüngst verweigerten die Multiplex-Konzerne ihren Anteil an der Filmabgabe fürs deutsche Kino - weil sie kaum deutsche Filme spielen. Der Solidaritätsgedanke zählt in Zeiten der Krise nicht mehr. Manche große Verleiher haben seit Jahren keinen Fördercent zurückbezahlt - man kann die Ausgaben immer so lange hin- und her rechnen, bis selbst bei Millionenzuschauern kein Gewinn übrigbleibt. Und beim vielgelobten Filmförderfonds (DFFF) wird gemauschelt, was das Zeug hält. Jeder in der Branche weiß, dass versteckte Nebenverträge die offizielle Kinoverleihverpflichtung von 30 Kopien eingrenzen. Vielen Firmen geht es trotzdem schlecht: "X Filme" hat keinen nominierten Film, und seit Jahren kaum Erfolge zu verzeichnen, Senator könnte ernstzunehmenden Gerüchten zufolge bald zum dritten Mal Insolvenz anmelden. Hier wird viel Geld, auch Förder- und Steuergeld verbrannt.

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Zunehmend diskutiert wird in allen Teilen der Filmbranche die immer problematischere Rolle des Fernsehens. Denn zum einen zahlt das Fernsehen im Verhältnis viel zu wenig in die Töpfe ein, aus denen sich die Förderung speist. Zugleich finanziert man sich damit billige Filme - vor allem Erstlingswerke, die günstig zu finanzieren sind, und die dann abseits der Primetime "versendet" werden. Zum anderen beeinflussen Redakteure, die als Produzenten schon in der Planungsphase ein entscheidendes Wort mitreden, die Produkte immer massiver - zum Schlechten, Routinierten, nicht Innovativen. Es geht auch nicht anders: Das Prinzip des Kinos heißt Experiment, das des Fernsehen Wiederholung. Der deutsche Film ist daher en Gros längst vorrangig ein Fernsehfilm geworden, nur noch beiläufig auch ein Kinofilm.

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Womit sich der Kreis zu JOHN RABE schließt. Denn der, vom ZDF entscheidend finanziert, ist von Beginn an als Mehrteiler geplant und gedreht, und das merkt man ihm in jeder Hinsicht - Kamera, Musik, Schauspielführung - auch an. Das öffentliche Fernsehen ist zwar mächtig, aber längst kein starker Partner mehr. Durch die bevorstehende Digitalisierung wird es seine führende Rolle endgültig an die Neuen Medien und hunderte Spartensender verlieren. Folge: Immer mehr Programme erreichen immer weniger Menschen, und dürfen immer weniger Geld kosten - das muss sich auf die Qualität auswirken. Tut es auch.

Der vielnominierte JOHN RABE, auch ein Film wie NORDWAND ist eine jener typischen überfinanzierten Großproduktionen der Industrie. Er steht für ein Kino, das über weite Strecken uninteressant ist, weil es nicht herausfordert, sondern nur ruhigstellen will. Peinlich schwache Machwerke wie EFFI BRIEST oder HILDE, schieden immerhin schon vorab aus den wichtigsten Kategorien aus. Aber auch die wenigen künstlerisch interessanten Filme finden in der Branche zu wenig Unterstützung. Von manchen Förderern hören Produzenten hinter vorgehaltener Hand Sätze wie: Mit dem Kunstzeug brauche man gar nicht mehr zu kommen.
Unter den übrigen Machern herrscht überwiegend Routine, manchmal Selbstgenügsamkeit. Es bestimmen immer noch die Herren von vorgestern, auch wenn sie dem Kino schon seit Jahren nichts Wesentliches hinzugefügt haben. Echte Überraschungen waren in den letzten Jahren selten.

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Und warum bekam Loriot eigentlich einen Ehrenpreis? Nicht, das man ihn nicht witzig fände. Aber er ist ein reiner Fernsehstar. Immerhin steht Loriot für gutes Fernsehen - von der Art, wie es heute gar nicht mehr gemacht wird. Er bekommt den Preis für "seine grandiosen Kinofilme", wie die Akademie trompetet. Welche Kinofilme hat er gemacht: ÖDIPUSSI und PAPA ANTE PORTAS. Ist es wirklich nur das, was mal später vom deutschen Film bleibt?

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Filmgeschichte findet neuerdings auf Bahnhöfen statt. Zumindest in Berlin. Wer da den Hauptbahnhof besucht, kann ausgerechnet eine "Audrey Hepburn"-Ausstellung sehen. Sie wäre in diesem Jahr 80 geworden. Unter dem Titel "Audrey Hepburn – Frühstück bei Tiffany“ zeigt auch das Düsseldorfer Filmmuseum von 28. April bis 26. Juli eine Studioausstellung mit begleitender Filmreihe.

Rüdiger Suchsland

(To be continued)

Unter dem Titel "Cinema Moralia" sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.

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