25.10.2018
Cinema Moralia – Folge 183

Mir san Mimimi...

Familienfest
Bald mehr zum »Stupid German Money« – nach der Sperrfrist zu The Girl in the Spider Web
(Foto: Columbia)

Die Rolle der Filmkritik, Selbstgespräche der Filmakademie, Machtzuwachs für Grütters, das sogenannte »Urheberrecht« und anderes Irrelevantes der letzten Wochen – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 183. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»I remem­bered Machia­velli, whose rule of Method, rarely stated but always practiced, was that one must think in extremes, which means within a position from which one states border­line theses, or, to make the thought possible, one occupies the place of the impos­sible.«
Louis Althusser

»Weil die Dinge sind, wie sie sind, werden die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind.«
Bertolt Brecht

Fußball ist, ich sag’s immer wieder, ein Lehr­meister des Lebens. Darum lernt man auch sehr viel aus der letzten soge­nannten »Pres­se­kon­fe­renz« des FC Bayern.
Die erinnerte auch Nicht-Fuß­ball­fans an die CSU, und wurde in den Tagen danach viel bespro­chen. So auch in der »Sport 1«-Sendung »Doppel­pass«, wo der Kommu­ni­ka­ti­ons­experte Michael Kramer ein paar Dinge sagte, die sich bruchlos auch auf das Verhältnis von soge­nannter »Film­bran­che« und Film­kri­ti­kern übertragen lassen: Die Pres­se­kon­fe­renz und ihre Vermi­schung von milden Vorwürfen wie »Alther­ren­fuß­bal­ler« mit dem Grund­ge­setz und der Idee der Menschenwürde, zeige, »dass jedes Maß verloren gegangen ist. Hier wurden Dinge mitein­ander vermengt, die nicht zusammen gehören. ... Wahr­schein­lich wollte man auch Jour­na­listen ein bisschen einschüchtern. ... Hier ist auch ein schräges Bild von Jour­na­lismus. Jour­na­listen sind nicht dazu da, Stars zu applau­dieren oder schlechte Spiele schön zu reden. Sonden Jour­na­listen sind dazu da, ihre Meinung zu sagen und das zu schreiben, was sie beob­achten und was sie sehen.
Es geht nicht darum, Fan zu sein. Jour­na­listen sind keine Fans.
Mir ist auch eine Pres­se­kon­fe­renz immer sehr suspekt, wo die Herren, die vorne auf der Bühne sitzen, die Jour­na­listen alle duzen. Hier muss die Rollen­ver­tei­lung mal klar sein: Diese Jour­na­listen sind nicht Kumpel, sie sind auch nicht Freude, sie sind auch nicht Teil dieser Insze­nie­rung, die die Bayern gerne hätten, sondern sie sind unabhängige Bericht­erstatter und das müssen sie auch sein.«
Was wären sie ohne die Medien. Statt­dessen: Mir san Mimimi...

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Eine traurige Nachricht der letzten Woche: SPEX wird einge­stellt! Nach 38 Jahren und 384 Ausgaben wird SPEX noch nicht mal mehr die Nummer 400 schaffen. Im Editorial schreibt Chef­re­dak­teur Daniel Gerhardt: »Wenn Sie die jüngeren – und teilweise auch gar nicht mehr so jungen – Entwick­lungen im inter­na­tio­nalen Zeit­schrif­ten­wesen verfolgt haben, kennen Sie die Gründe für die Einstel­lung von SPEX bereits. Der Anzei­gen­markt befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Immer mehr Unter­nehmen ziehen sich vollständig aus dem Print­ge­schäft zurück und inves­tieren ihre Marke­ting­gelder statt­dessen vermehrt in Social-Media-Werbung – ein Trend, der sich 2018 nochmals verschärft hat.«
Das stimmt, und trifft andere, die eine Einstel­lung weit mehr verdient hätten, genau so.

Wirklich traurig ist eher die Kapi­tu­la­tion der Redaktion vor ihrer eigent­li­chen Aufgabe: »Jahr­zehn­te­lang kümmerte sich der Pop-Jour­na­lismus nicht zuletzt darum, seinen Leser_innen einen Ãœber­blick über eine kaum zu fassende Menge an neuen Alben, Büchern, Filmen, Serien und Ausstel­lungen zu verschaffen. Heute sind beinahe alle Platten der Welt für beinahe alle Menschen gleich­zeitig verfügbar. Die soge­nannte Gate­keeper-Funktion von Pop-Journalist_innen hat sich weit­ge­hend erledigt.«

Schwach­sinn! Das Gegenteil stimmt. Im Chaos des Allzeit­verfügbaren haben Kritiker Ordnung zu stiften, ist diese Ordnungs­funk­tion notwen­diger denn je. Wenn das die Leser nicht einsehen, sind sie selbst schuld, nicht die Kritiker. Die Leser sind dumm, nicht die Kritiker. Die Unge­bil­deten sind zu unge­bildet, nicht die Gebil­deten zu gebildet. Schlimm ist nur die Krie­cherei der gebil­deten Autoren vor den unge­bil­deten Lesern.
Noch Fragen?

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Insofern hat SPEX sich selber innerlich ange­schafft, bevor der Verlag es dicht­machte: »Die Rolle der allwis­senden Kritiker_in, die von ihrem hohen Ross herab über Bands, deren Alben und sonstige Kultur­schaf­fende urteilt, kam uns schon altbacken und elitär vor, als sich die Redak­tionen von Pop-Magazinen noch mit einem tatsächlichen Infor­ma­ti­ons­vor­sprung vor ihrem Publikum brüsten konnten. SPEX sollte kein Heft der Vogel­per­spek­tive sein, sondern aus der Mitte des Gesche­hens berichten. Die große Zahl unserer Autor_innen, die auch künstle­risch tätig ist, war alles andere als ein Zufall.«

Hat aber, Zufall oder nicht, offenbar nicht funk­tio­niert. Da hilft auch Bla nicht weiter: »Statt sich in eine Empfehl-O-Mat-Funktion zu ergeben, die gar nicht mehr gefragt ist, haben wir uns als Magazin begriffen, das seine Geschichten dort sucht, wo Pop und Gesell­schaft am heftigsten aufein­an­der­prallen. So kamen ein Schwer­punkt über wütende Bürger_innen und ratlose Popschaf­fende zustande, eine Ausgabe zur heutigen Bedeutung von Anti­hal­tungen und ein Jahresrückblicks­heft, das schon 2015 bekannte: „Ein Scheiß­jahr geht zu Ende.“ Der Slogan hätte natürlich auch 2016, 2017 und 2018 gepasst.«

Na groß­artig!

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Das Problem von SPEX ist das der meisten Linken in Deutsch­land: Die Verzet­te­lung in Neben­kriegs­schauplätze. Das Ersetzen von Politik durch Sprach­po­litik. Der Provin­zia­lismus, der fehlende Mut zum Kampf.
Für Gender­theorie und politisch gerechte Schreib­weise inter­es­sieren sich nunmal 99,8 Prozent aller Menschen beider Geschlechter nicht die Bohne. Im Gegenteil: Der pädago­gi­sche Impetus nervt.
Der SPEX-Standort war schon lange weder links noch progressiv, sondern beliebig und unbewusst post­mo­dern reaktionär. SPEX war ein Stre­ber­heft, das den Margarete Stokow­skis dieser Welt ein weiteres unnötiges Forum bietet. Es ist uncool, 'korrekt' zu sein. Es ist geistig und politisch steril, moralisch auf der richtigen Seite stehen zu wollen. Es ist spießig, Buch­halter des Welt­ge­wis­sens sein zu wollen.

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Abgesehen davon: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis 90 Prozent aller Zeit­schriften verschwinden.

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Alan Posener ist der wohl inter­es­san­teste, in jedem Fall lesens­wer­teste Autor der »Welt«. Nicht weil man immer seiner Meinung wäre, sondern eher weil man es nicht ist, aber es wichtig ist, seine Argumente (denn er hat fast immer welche) zu lesen.

Ganz seiner Meinung bin ich, was sein Urteil über den soge­nannten »Brecht-Film« »Mackie Messer – Brechts Drei­gro­schen­film« angeht. Natürlich würde eine Minute von G.W. Pabsts Verfil­mung der »Drei­gro­schen­oper« schon genügen, um einen davon zu überzeugen, um was für einen geschmack­losen, dem Gegen­stand unan­ge­mes­senen Schmarrn es sich bei dem Film handelt

Unter der Ãœber­schrift »Wie 'Mackie Messer' die Geschichte verfälscht« macht Posener klar, dass Joachim A. Lang in seinem Film Behaup­tungen über Brechts Mitar­beiter aufstellt, die in ihrer Tendenz reaktionär und geschichts­verfälschend sind. »Mackie Messer«, so Posener, »gibt vor, die Geschichte der Verfil­mung der Drei­gro­schen­oper durch die Nero AG wieder­zu­geben. Doch er verfälscht diese Geschichte auf groteske und bezeich­nende Weise. ... Eine derartige Unemp­find­lich­keit für die wahren Verhältnisse in der Weimarer Republik hätte man dem deutschen Film eigent­lich nicht zugetraut. Oder viel­leicht doch. Aber das ist eine andere Geschichte.«

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Durch eine Pres­se­mit­tei­lung der zuständigen PR-Agentur wurde ich dann doch noch auf den Podcast »Close Up« der Deutschen Film­aka­demie aufmerksam.
Die Akade­misten – oder sagt man Film-Akade­miker? – bemühen sich ja grundsätzlich aufrichtig, inter­es­sant und relevant zu werden und überhaupt irgend­etwas Bemerk­bares zu machen, außer einmal im Jahr ihren Filmpreis zu vergeben, der auch niemanden inter­es­sieren würde, wäre er nicht mit viel Steuer-Geld verbunden. Das sollten wir würdigen.
Sie bemühen sich um Awareness. Darum gibt es diese Blogs, wo zwei fraglos begabte Mode­ra­toren – Susanne Bormann und Christian Schwochow – abwech­selnd mit irgend­wel­chen anderen Akade­mie­mit­glie­dern sprechen, manchmal ohne Anlass, manchmal mit, manchmal mit Unbe­kannten, meist mit bekannten. Im Ergebnis sind die Gesprächspartner dann die, die sowieso immer zu Wort kommen, aber das liegt in der Natur der Sache, das sind dann eben auch die, die das Inter­es­san­teste zu sagen hätten. Hätten wohl­ge­merkt, denn die Podcasts sind trotz aller Wertschätzung für die Mode­ra­toren einfach unsäglich unin­ter­es­sant.
Das generelle Problem ist wohl, dass man in der deutschen Film-Akademie ängstlich auf Streit­ver­mei­dung aus ist. Streit wäre aber etwas Gutes. Streit­ver­mei­dung sollte nicht das Ziel sein, Ziel müsste nur sein, dass der ja notwen­dige und unver­meid­liche Streit auf zivi­li­sierte und gesittete Weise ausge­tragen wird.
Statt­dessen erlebt man Selbst­ge­spräche.

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Selbst­ge­spräche, erst recht welche von Filme­ma­chern, sind per se lang­weilig – außer für die Betei­ligten. Spannend ist der Konflikt, denn er macht Dinge sichtbar.
Zur Film­kultur gehört die Streit­kultur, also die Kontro­verse und bis dahin, also bis zur Film­kultur ist es in Deutsch­land noch ein weiter Weg. Weil wir nicht streiten können, sondern harmio­ni­e­du­selig wider besseres Wissen die Illusion erhalten möchten, es ginge auch anders. Man könne eine große Familie sein. Das hat schon in Hof nicht geklappt, wo – à propos – gerade die irgend­wann früher mal wichtigen Hofer Filmtage statt­finden.

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Neues vom Infan­ti­lismus. Unter­hal­tung mit einer Ernährungs­expertin der Firma »Hip«. Sie erzählt: 30 Prozent der Baby­nah­rung in Deutsch­land wird von Erwach­senen gegessen.
Meine Gegen­fragen: »Wieviel Prozent Erwach­se­nen­nah­rung essen Babys? Und wieviel Prozent Hunde­futter essen Menschen?« bleiben ohne Antwort.

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Propa­ganda 2.0. Die BILD-Zeitung titelt heute: »So herrschen Araber-Clans«. Es fehlt dagegen die Serie: »Wie herrscht die BILD-Zeitung?«

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Macht­zu­wachs für Monika Grütters: Der 2016 von Wirt­schafts­mi­nister »Sigi Pop« Gabriel (Sie erinnern sich dunkel?) gegründete Filmfonds »German Motion Picture Fund« wechselt nun zur Kultur- und Medi­en­staats­mi­nis­terin. Grütters' Minis­te­rium titelt dazu »Erfolg­reiche Filmförderung aus einer Hand«. Ein lustiger Verschreiber: »Mit der heute in Kraft tretenden Richt­linie zum German Motion Picture Fund (GMPF) setzt die BKM das seit 2016 bestehende Förder­pro­gramm des Bundes­mi­nis­te­riums für Wirt­schaft und Energie, das in die Zuständigkeit von Kultur- und Medi­en­staats­mi­nis­terin Monika Grütters übergangen ist, um.« Sperrig formu­liert eh, aber übergangen, statt überge­gangen... Wer hat da wen übergangen? Freud hätte seinen Spaß an solchen Formu­lie­rungen.
Zum »Stupid German Money«, vulgo: Filmförderung bald mehr, wenn die Sperr­frist zu The Girl in the Spider Web ausge­laufen ist, und wir schreiben dürfen, was wir über diesen von gleich sechs deutschen Filmförderern verant­wor­teten Film tatsächlich denken.

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That smells... Guillermo del Toro dreht mit Netflix. Natürlich sein Herzens­pro­jekt, nämlich »Pinoc­chio«. Nun halte ich del Toro keines­wegs für einen Zyniker, aber als jemand, der den Mexikaner schätzt und sein Werk seit über zehn Jahren verfolgt, kann ich ehrlich sagen: Ich hab in den letzten 15 Jahren schon von vielen »Herzens­pro­jek­ten« del Toros gelesen.
»Keine Kunstform hat mein Leben und meine Arbeit so beein­flusst wie die Animation, und zu keinem anderen Charakter der Film­ge­schichte führe ich eine so tiefe, persönliche Beziehung wie zu Pinocchio. Unser Pinocchio ist eine unschul­dige Seele mit einem gefühllosen Vater und verirrt sich in eine Welt, die für ihn nicht greifbar ist. Er lässt sich auf eine außer­gewöhnliche Reise ein, die ihm ein tiefes Verständnis für seinen Vater und die reale Welt verschafft. Seit ich denken kann, wollte ich diesen Film machen. Nach der groß­ar­tigen Erfahrung mit 'Trolljäger' bin ich sehr dankbar, dass das talen­tierte Team von Netflix mir diese einmalige Chance gibt, einem Publikum auf der ganzen Welt meine Version dieser eigen­ar­tigen Puppe, die zu einem echten Jungen wird, näherzu­bringen.«
(Guillermo del Toro)
Das Problem dabei: Mitte September war del Toro der Jurypräsident in Venedig, wo mit Alfonso Cuarons »Roma« erstmals ein Netflix-Film den Haupt­preis bei einem A-Festival gewann. Verdient!
Trotzdem darf man ange­sichts dieser neuesten Nach­richten fest­stellen: That stinks.
Wir freuen uns, wenn Sie www.netflix.com/pinocchio in Ihrer Bericht­erstat­tung verlinken.

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Schon ein Jahr vor dem offi­zi­ellen Jubiläum des Bauhaus macht die »Stiftung Bauhaus Dessau« klar, dass sie mit der Tradition des Bauhaus nichts zu tun hat, diese viel mehr nach Strich und Faden verrät.
Sie hält fest an der mehr als befremd­li­chen Absage eines Konzerts der Punkband aufgrund recht­sta­di­ka­kler Drohungen.
Hier hat sich auch Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters einer­seits angenehm klar und zugunsten der Kunst­frei­heit posi­tio­niert. In Grütters' Erklärung heißt es im Wortlaut: »Die Kunst­frei­heit genießt in Deutsch­land durch Artikel 5 im Grund­ge­setz hohen Verfas­sungs­rang. ... Der so verstan­denen Freiheit der Kunst fühle ich mich als Kultur­staats­mi­nis­terin immer verpflichtet. Deshalb darf niemals der Eindruck entstehen, dass der Druck der rechts­extre­mis­ti­schen Szene ausreicht, ein Konzert zu verhin­dern. ... Ãœber all dies wird im Stif­tungsrat des Bauhaus Dessau und mit dem ZDF intensiv zu sprechen sein.«

Einer­seits. So weit so gut.

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Leider erweckt die Kultur­staats­mi­nis­terin in ihrer Erklärung zugleich aber auch (bewusst? Oder naiver­weise?) miss­verständlich den Eindruck, sie könne nicht zwischen Links und Rechts unter­scheiden, die Weimarer Republik sei an linken wie rechten Extre­misten zugrunde gegangen. Sie spielt mit dieser histo­risch fragwürdigen Argu­men­ta­tion den rechten Hetzern von heute in die Hände. Sie traut sich nicht, den Rechten die Allein­ver­ant­wor­tung zuzu­schieben. Das geht auf ihr Gewissen, sie wird es histo­risch verant­worten müssen, und damit, falls sie die Zeit nach einer nächsten rechten Diktatur überhaupt erlebt, vermut­lich ähnlich selbst­ge­recht umgehen, wie die Weimarer Politiker nach 1945 mit ihrer Mitver­ant­wor­tung.

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Aber was soll es eigent­lich wirklich bedeuten, wenn Grütters Folgendes formu­liert: »Die Verant­wor­tung der Künstler für ein von rechts­staat­li­chen Werten geprägtes Mitein­ander ist für die Vertei­di­gung der Kunst­frei­heit unver­zichtbar. Deshalb müssen wir von allen Betei­ligten auch immer wieder einfor­dern, diese Verant­wor­tung stets wahr­zu­nehmen.«
Verwer­fungen wie die aktuellen zeigen, wie dringend nötig auch in der Pop-Musikwelt ein ethischer Kompass ist.

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Heute, am Donnerstag, den 25. Oktober, wird Rebekka Kaufmanns in Athen gedrehter Diplom-Film »Helden der Krise« um 23.45 Uhr im SWR ausge­strahlt. Darüber hinaus ist er sieben Tage in der SWR-Mediathek zu sehen. Die Regis­seurin hat den Film bereits beim Aegean Docs Festival in Grie­chen­land präsentiert. Am 27. Oktober wird die inter­na­tio­nale Premiere auf dem Jihlava Int. Doc Film Festival gefeiert. Für November ist eine Vorführung im Athener Goethe Institut geplant.

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»Eine weitere entschei­dende kultur­po­li­ti­sche Zusam­men­ar­beit zur Stärkung und für den Erhalt der Film­kultur in Deutsch­land.« verspricht das Bundes­kul­tur­mi­nis­te­rium. Der Kommentar gilt dem Beschluss, dass Filmförderungs­an­stalt (FFA), BKM und die Bundesländer eine »Verein­ba­rung zum Erhalt des natio­nalen Film­erbes« getroffen haben. Demnach stehen ab 2019 für einen Zeitraum von zunächst 10 Jahren jährlich »bis zu« 10 Millionen Euro für die Digi­ta­li­sie­rung von Kino­filmen zur Verfügung.
Die Details der Richt­linie sind noch nicht bekannt. Grundsätzlich soll die Digi­ta­li­sie­rung von Filmen nach drei Kriterien gefördert werden: Auswer­tungs­in­ter­esse, kura­to­ri­sches Interesse und konser­va­to­ri­sche Notwen­dig­keit.

Das ist zwar besser, als gar nichts, zugleich schwammig und ungenau. Zwar gibt es erstmals größere Mittel zur Digi­ta­li­sie­rung ausgewählter Bestände. Aber wer wählt aus? Nach welchen Kriterien? Was genau soll unter »Auswer­tungs­in­ter­esse« zu verstehen sein?

Bereits im Frühjahr hatte die Initia­tive »Filmerbe in Gefahr« den neuen Koali­ti­ons­ver­trag vom 7. Februar 2018 dafür kriti­siert, dass er einen deut­li­chen Rückschritt gegenüber dem Vertrag der vorhe­rigen Koalition 2013 bedeute.
Es gibt zur Zeit kein grundsätzliches Bekenntnis zur dauer­haften Sicherung und Sicht­bar­ma­chung des natio­nalen Filmerbes. Es gibt auch kein Bekenntnis zur Stärkung der Stiftung Deutsche Kine­ma­thek sowie zur perso­nellen und finan­zi­ellen Stärkung des Bundes­ar­chivs.
Außerdem bleibt in all diesem Digi­ta­li­sie­rungs­fe­ti­schismus weiterhin unklar, wie das Filmerbe abgesehen von der Digi­ta­li­sie­rung ausgewählter Filme bewahrt werden soll. Wie werden die Origi­nal­filme gesichert? Wie sollen die digitalen Benut­zer­ko­pien im Kino, auf Internet-Platt­formen und im Fernsehen der Öffent­lich­keit zugänglich gemacht werden?
Die »Initia­tive Filmerbe« folgerte im Frühjahr: »Offenbar will die neue Bundes­re­gie­rung die Sicherung des Filmerbes nicht als Zukunfts­in­ves­ti­tion, sondern als lästige Ausgabe betrachten.«

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Es ist reine Schönfärberei und Polit­poesie, wenn Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters behauptet: »Mit nun versam­melten Kräften und einer Gesamt­fi­nan­zie­rung von bis zu 10 Millionen Euro im Jahr können wir ab 2019 die dringend notwen­dige Digi­ta­li­sie­rung voran­bringen, um das deutsche Film­schaffen in seiner ganzen Breite und künstle­ri­schen Vielfalt auch für künftige Gene­ra­tionen zu erhalten.« Denn die ganze Breite wird mit mickrigen 10 Millionen keines­falls zu erhalten sein.
Diese Summe folgt zwar einem Gutachten der Unter­neh­mens­be­ra­tung »Price­wa­ter­houseCo­o­pers«, das im Auftrag der FFA erar­beitet wurde, und einen »Finanz­be­darf von bis zu 100 Millionen Euro, verteilt über zehn Jahre« ermittelt hat. Dies ist aber viel zu wenig.
Das zeigt der Vergleich mit Frank­reich. In der benach­barten Kultur­na­tion wird mit 400 Millionen Euro (nicht nicht »bis zu«, sondern genau 400) viermal soviel Geld für den gleichen Zweck zur Verfügung gestellt – und zwar nicht innerhalb von zehn, sondern innerhalb von sechs Jahren.
Man könnte auch sagen: Das soge­nannte »wieder­auf­ge­baute« preußi­sche Stadt­schloss, nunmehr sanfter »Humboldt Forum« genannt, kostet mindes­tens 600 Millionen. Der bisher nicht gebaute neue Berliner Flughafen BER kostet über 41 Millionen – pro Monat!
Dies nur, um die Verhältnisse klar zu machen.

(to be continued)