11.01.2024
Cinema Moralia – Folge 313

Das Canceln canceln!

Mephisto
Szene aus István Szabós Mephisto...
(Foto: Mubi)

Zu einem demokratisch-kulturellen Dilemma und dem neuesten Kapitel im deutschen Antisemitismus-Streit – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 313. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Pas de liberté pour les ennemis de la liberté.«
– Louis Antoine de Saint-Just

Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass unsere These zutrifft, dass es in Deutsch­lands Kultur (auch im deutschen Film) ein spezi­elles Berlin-Problem gibt, dann ist das das neueste Kapitel im Anti­se­mi­tismus-Streit, der in der deutschen Kultur seit den Hamas-Massakern vom 7. Oktober tobt.

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Was genau war geschehen? Der Berliner CDU-Kultur­se­nator Joe Chialo – »Kunst ist der Kitt, der unsere Gesell­schaft zusam­men­hält« – hatte am vergan­genen Donnerstag verkündet, dass öffent­liche Kultur-Zuwen­dungen zukünftig an die Bedingung geknüpft werden sollen, dass Geför­derte einer soge­nannten Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­klausel zustimmen. Chialo wurde in der Mittei­lung seines Hauses mit der Aussage zitiert, Kultur­in­sti­tu­tionen wie Förder­stellen trügen Verant­wor­tung dafür, »dass mit öffent­li­chen Geldern keine rassis­ti­schen, anti­se­mi­ti­schen, queer­feind­li­chen oder ander­weitig ausgren­zenden Ausdrucks­weisen gefördert werden«.

In vielen Medien und quer durch die poli­ti­schen Lager wurde diese Nachricht begrüßt und offenbar als notwendig empfunden. Es geht um einen Weg, um den Anti­se­mi­tismus in der Kunst und unter vielen Berliner Künstlern zu besei­tigen.
Die TAZ kommen­tierte glasklar: »Der Berliner Senat will Förde­rungen in Zukunft an ein Bekenntnis zur IHRA-Anti­se­mi­tis­mus­de­fi­ni­tion knüpfen. Das ist unbedingt notwendig.«
Er sei gegen dieje­nigen Berliner Kultur­schaf­fenden gerichtet, »die weiterhin Israel kriti­sieren wollen, ohne sich Anti­se­miten schimpfen lassen zu müssen.« Es fehlten dieser angst­be­ses­senen Linken »selbst­kri­ti­sche Posi­tionen zu den regres­siven und juden­feind­li­chen Tendenzen der Berliner Kultur­szene oder ein klares Bekenntnis dazu, dass Israel ebenso exis­tieren darf wie jedes andere Land.«

In der ZEIT hieß es zu den Protest­briefen, die reflex­artig und reflex­artig anonym am Tag danach zu lesen waren: »Der Inhalt des offenen Briefs spiegelt auf geradezu proto­ty­pi­sche Weise eine Seite der aktuellen Debatte in der deutschen Kultur­szene um den Terror­an­griff der Hamas auf Israel und den darauf begon­nenen Krieg im Gaza­streifen wider. Es ist die zumeist isra­el­kri­ti­sche Seite, die im aktuellen Diskurs über Silencing klagt und zu der auch manche linke Jüdinnen und Juden gehören, die sich nun verstärkt Anti­se­mi­tis­mus­vor­würfen ausge­setzt sehen. ... Und schließ­lich zeigt [der Brief] am Beispiel Berlins, in welchem geradezu unauf­lös­baren Konflikt sich deutsche Kultur­po­litik, Kultur­in­sti­tu­tionen und weite Teile der Kunst- und Kultur­szene in Bezug auf Anti­se­mi­tismus derzeit befinden. Man ist einander offen­kundig in tiefem Miss­trauen verbunden.«

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Klar ist: Es geht in dem Aufruf gar nicht primär darum, etwas zu bekämpfen. Denn man kann Anti­se­mi­tismus, Isra­el­feind­schaft, Rechts­extre­mismus und Links­fa­schismus nicht abschaffen. Man kann aber, wenn man denn will, dafür sorgen, dass sie öffent­lich nicht statt­finden. Man kann damit auch dafür sorgen, dass der soziale Druck wegfällt, aufgrund dessen manche Leute überhaupt erst BDS-Aufrufe unter­schreiben – um ihren Freunden oder ihrer Berliner Arbeits-Bubble zu gefallen.
Es ist dabei schon bemer­kens­wert, wie plötzlich die Anwäl­tinnen der Cancel Culture hoch­emp­find­lich reagieren, weil man Anti­se­mi­tismus canceln möchte.

Zugleich liegen die Dinge natürlich wieder einmal kompli­zierter, als sie sich in den allzu bekannten Schwarz-Weiß-Posi­tionen wider­spie­geln lassen.
Weder ist das Vorhaben des CDU-Senators voll­kommen unpro­ble­ma­tisch, noch die Kritik daran. Die Kern-Frage der »Meinungs­frei­heit für die Feinde der Freiheit« und der Real­ge­halt hinter der Formel von der »wehr­haften Demo­kratie« ist aller­dings auch für die deutsche Filmszene zentral. Kann man die Freiheit dadurch schützen, dass man den Frei­heits­geg­nern Raum gibt? Oder muss man ihnen die Freiheit nehmen? Das ist das Kern­di­lemma moderner Demo­kra­tien – schon vor der Entste­hung der post­mo­dernen Rechts­extre­misten aka AfD.

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Exkurs: Es war ein nach­denk­li­cher, aber auch ein glanz­voller Abend am Dienstag in der Berliner Akademie der Künste: Der unga­ri­sche Regisseur Istvan Szabo, der fließend deutsch sprechend, auf der Bühne der Akademie im Gespräch mit dem Film­his­to­riker Ulrich Gregor zu hören war, wurde in den 1980er Jahren welt­berühmt durch seine Trilogie über Geburt und Folgen des europäi­schen Faschismus: Drei Filme in denen der Öster­rei­cher Klaus-Maria Brandauer jeweils die Haupt­rolle spielte: Mephisto von 1981 nach Klaus Manns Roman, über einen oppor­tu­nis­ti­schen Künstler, Oberst Redl von 1985, über einen verschlos­senen schwulen Offizier inmitten des Unter­gangs der öster­rei­chisch-unga­ri­schen Monarchie und Hanussen von 1988, über einen jüdischen Hellseher und Hypno­ti­seur, der für Hitlers Propa­gan­da­ma­schine verein­nahmt wird – sie erzählen in drei Varianten die uralte Geschichte vom Teufels­pakt.
»Mephisto« gewann den Oscar. Die anderen Filme bekamen Oscar­no­mi­nie­rungen und zwei silberne Palmen in Cannes. In seinem neuesten Film »Abschluss­be­richt« von 2020 erzählt Szabó die Geschichte eines Profes­sors, der in sein altes Heimat­dorf zurück­kehrt. Dort stößt er auf ein Klima der Unter­wür­fig­keit, der Verdäch­ti­gungen und der Mani­pu­la­tion, das Szabo als ein Psycho­gramm des gegen­wär­tigen Ungarn offenlegt.
Zugleich will Szabo eine univer­sale Geschichte erzählen über die Geburt des Faschismus, über Macht und Korrup­tion und die Dilemmata von Außen­sei­tern.

Der eigent­liche Anlass des Berliner Abends war die Übergabe von Teilen von Szabos Archivs an die Akademie der Künste.

Szabos Film­por­träts, denen er auch noch 1999 die Fami­li­en­ge­schichte Sunshine – Ein Hauch von Sonnen­schein hinzu­fügte, erzählen auf kluge Weise von den Dilemmata von Außen­sei­tern, die zugleich Züge eines Hoch­stap­lers haben: Juden, Schwule, Bise­xu­elle, Esote­riker. Sie werden den Dikta­toren zu Sünden­bö­cken. Szabó macht die Geschichte des Teufels­pakts im Wesent­li­chen zu einer tragi­schen Geschichte mensch­li­cher Unecht­heit, indem er den immensen Druck doku­men­tiert, der auf den Einzelnen ausgeübt wird, und ihn zwingt ihre ange­bo­rene Freiheit zu verleugnen, oppor­tu­nis­tisch zu sein oder böse, krie­che­risch zu werden, sein wahres Selbst zu verschleiern.
Wie Hendrik Höfgen in Mephisto hat auch Oberst Redl sein Leben schon verloren, bevor es zu Ende ist, denn sein Status wird nur durch Verleug­nung und Leistung erreicht.

Dieses Werk hat nun seinen dauer­haften Ort an der Akademie der Künste in Berlin. Ein Geschenk für Deutsch­land.

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Denn darum geht es: Wie sichern wir unsere frei­heit­li­chen Verhält­nisse, wie sorgen wir dafür, dass nicht die Feinde der Demo­kratie den Laden über­nehmen – in der einen oder anderen Form? Das ist keine Panik­mache, denn man kann einen Republik auch zerstören, ohne mitzu­re­gieren.

Dass unsere Medien – leider auch die öffent­lich-recht­li­chen – in ihrer derzei­tigen, allein an kurz­fris­tiger Aufmerk­sam­keit und Verkäufen aka »Quote« orien­tierten Bericht­erstat­tungs­struktur an der Zers­törung mancher Grund­lagen kräftig mitwer­keln, ist nicht zu übersehen: Talkshows haben die AfD erst aufgebaut, indem sie ihren »Argu­menten« ohne Fakten­checks Raum boten. Rankings, die wie in einer Best­sel­ler­liste monatlich die augen­blick­liche Popu­la­rität von Poli­ti­kern auflisten, als sei das ein Quali­täts­kri­te­rium oder auch nur »eine Nachricht« sind ein weiteres Beispiel. Die Verwen­dung von Meinungs­um­fragen als Argument, als gehe es in der Politik darum, augen­blick­lich Zustim­mung und jederzeit breite Mehr­heiten zu finden, und nicht darum zu über­zeugen und auch gegen Wider­s­tände das Richtige zu tun, ein drittes.

Solche Über­le­gungen sind wichtig, denn das Beschrie­bene hat seinen Anteil. Man kann sie anstellen, wie viele andere – etwa zu Sinn und Unsinn öffent­li­cher Protest­formen und zum Gebrauch von Begriffen wie »Wider­stand«, ob bei den augen­blick­li­chen Bauern­pro­testen, aber auch bei den »Fridays for Future« oder Corona.

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Hier aber – zurück zur Anti­se­mi­tis­mus­klausel – geht es um einen anderen Aspekt des selben Problem­felds: Die Mehrheit der Kunst- und auch der Filmszene ist ihrem Selbst­ver­s­tändnis nach »links« oder »links­li­beral«. Diese Begriffe bedeuten für die, die sie gebrau­chen, aller­dings etwas sehr Verschie­denes. Darüber kann und darf man streiten.
Nicht streiten darf man aller­dings darüber, dass Menschen­ver­ach­tung, Anti­se­mi­tismus und Rassismus inak­zep­tabel sind. Sie sind eben keine »Meinung«.

Was ich aller­dings schon seit längerer Zeit insbe­son­dere in Berlin beobachte – auch wohl, weil Berlin ein inter­na­tio­na­lerer Ort ist, der von inter­na­tio­nalen Debatten, vor allem aus dem angelsäch­si­schen Raum inten­siver geprägt wird, als der Rest der Republik –, ist dass die verschie­denen Gruppen dieser Linken große Energie und geistig-poli­ti­schen Aufwand darauf verwenden, sich mitein­ander zu streiten, und wenig Energie und geistig-poli­ti­schen Aufwand darauf, den Gegner zu bekämpfen. Dieser Gegner, die Rechte, macht es umgekehrt. Kein neues Phänomen.

Schuld an dieser falschen Ausrich­tung sind zwei Phänomene, die Sozi­al­wis­sen­schaftler schon lange beschreiben: Die auch an diesem Ort öfters kriti­sierte Iden­ti­täts­po­litik. Und das was man Kultu­ra­li­sie­rung nennt: Die Verla­ge­rung poli­ti­scher und ökono­mi­scher Konflikte in Fragen von Lebens­stil und Welt­an­schauung und auf das Feld der Kunst.

Beides sind Phänomene der Post­mo­derne und ihres naiven Angriffs auf das Projekt der Moderne.

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Iden­ti­täts­po­litik und Kultu­ra­li­sie­rung haben viele Aspekte, die zusam­men­ge­nommen eine Gefahr für die Demo­kratie sind. Ich kann diese Behaup­tung jetzt hier nicht im Einzelnen gut begründen – ein andermal! –, darum muss sie These bleiben.

Aus ihr folgen aber all jene Schritte der Gesell­schafts- und Kultur­po­litik der letzten Jahre, die gemeinsam haben, Iden­ti­täts­po­litik und Kultu­ra­li­sie­rung zu bekämpfen und nicht weniger, als eine Neuaus­rich­tung der Kultur einzu­leiten. Um zu zeigen, warum sie notwendig sind, dazu kann man auf den Anti­se­mi­tis­mu­seklat der letzten documenta verweisen, auf die schänd­li­chen Shoa-Rela­ti­vie­rungs-Tagung »Hijacking Memory« im Berliner HKW, der Erfolg der anti­jü­di­schen BDS-Propa­ganda unter deutschen Kultur­schaf­fenden. Wir können froh sein, dass es bislang noch keinen Anti­sem­ti­tis­mu­seklat im deutschen Film gegeben hat.

Einer dieser Schritte ist die Anti­se­mi­tis­mus­klausel des Berliner Senats. Sie steht keines­wegs allein, sondern bewegt sich im Rahmen der – aller­dings nicht immer so konkret formu­lierten – Schritte anderer Bundes­länder: Es sind in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen jeweils schwarz-grüne Regie­rungen. Aber man kann sicher sein, dass weitere Landes­re­gie­rungen bald folgen werden.

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Derartige Klauseln sind auch, das darf dabei nicht vergessen werden, eine Gegen­maß­nahme gegen Einschüch­te­rungs­ver­suche die von Palästina-freund­li­cher und Hamas-verste­henden Seite kommen.

Worum es geht, und womit man es hier zu tun hat, das kann man Nicht-Berlinern am besten deutlich machen, indem man auf die Vorgänge an der UdK verweist, die wir hier bereits beschrieben haben. Sie sind aber kein Einzel­fall.
Nehmen wir die Berliner Akademie der Künste (AdK): Kurz vor Weih­nachten sah sich die AdK-Präsi­dentin, die Film­re­gis­seurin Jeanine Meerapfel, gezwungen, die Kunst­frei­heit an der Akademie gegen haltlose Angriffen durch einzelne isra­el­feind­liche, anti­se­mi­ti­sche Künstler, etwa die Südafri­ka­nerin Candice Breitz, zu vertei­digen und klar­zu­stellen: »Es ist in meinen Augen richtig, dass der Staat kein Geld für Veran­stal­tungen gibt, die die BDS-Bewegung oder deren Ziele aktiv unter­s­tützen, die also gegen die Existenz Israels gerichtet sind.«
Meerapfel sieht die Verwahr­lo­sung der poli­ti­schen Debatte und beschreibt die derzei­tige Situation so: »Kaum macht man den Mund auf, wird man einem Lager zugeteilt. Da ist ein wildes Streit­be­dürfnis entstanden, mit dem irgend­welche Emotionen bewältigt werden sollen.«

Die Mehrheit der Kunst­szene prak­ti­ziert zugleich eher Oppor­tu­nismus: Kein Finger­breit dem Anti­se­mi­tismus, aber bitte niemanden ausladen.

Weitere ähnliche Debatten stehen uns bevor. Sie beginnen erst. Sie werden nicht nur um Anti­se­mi­tismus kreisen, um Kunst­frei­heit, sondern auch um Diver­sität, Gleich­stel­lung und Inklusion, um gute Ideen, die die Verhält­nisse besser machen sollten, aber jetzt Unfrei­heit und Unge­rech­tig­keit befördern und die demo­kra­ti­schen Gesell­schaft ausein­an­der­reißen.
Längst tobt um diese Themen in anderen Ländern ein Kultur­kampf. Er erreicht uns jetzt.

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Auffal­lend ist in dem sich nun regenden Wider­stand gegen derartige Posi­tionen und gegen die Anti­se­mi­tis­mus­klausel ist genau diese Eska­la­ti­ons­lust und die durch­dre­hende Rhetorik. Filme­ma­che­rinnen mit ostdeut­scher Vergan­gen­heit erklären mir im Gespräch ohne Ironie: »Wir leben in einer neuen DDR« und behaupten »Dafür sind wir 1989 nicht auf die Straße gegangen.«

Aber nicht alles ist gleich ein »Bekennt­nis­zwang«. Meiner Ansicht nach sollte ein Bekenntnis gegen Anti­se­mi­tismus aller­dings selbst­ver­s­tänd­lich sein, und da ist ja ein mehr­fa­chen aktuellen Hinter­grund gibt, ist so etwas viel­leicht auch nötig. Wir erwarten auch, dass die Leute für Demo­kratie eintreten und für Menschen­rechte. Die Frage ist ob Anti­se­mi­tismus darunter fällt. Für manche offenbar nicht.

Im Übrigen geht es hier nur darum, unter welchen Bedin­gungen öffent­liche Gelder vergeben werden – es geht in keiner Weise darum, irgendwem persön­liche Meinungen vorzu­schreiben. Auch diese Behaup­tung ist zwei Gänge zu hoch geschaltet. Kunst­frei­heit ist ebenso gesichert wie Meinungs­frei­heit. Aber es gibt keinen Anspruch aller Künstler auf öffent­liche Gelder ohne jede Bedingung. Wenn wir seit langem Gelder vergeben unter der Bedingung, dass die Leute gerecht bezahlt werden, Arbeits­zeiten einhalten und grün produ­zieren, dann können wir doch viel­leicht auch Gelder vergeben unter der Bedingung, dass man sich gegen Anti­se­miten posi­tio­niert.

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Man muss aber, unter den derzei­tigen gegebenen Umständen noch einen Schritt weiter gehen.

Nach 1945 gab es mit guten Gründen eine Entna­zi­fi­zie­rung nicht nur des Kultur­be­triebs, sondern der ganzen deutschen Gesell­schaft. und Reedu­ca­tion. Das war gut so, und die zwingende Voraus­set­zung dafür, dass auf deutschem Boden unter post-nazi-Verhält­nissen überhaupt Freiheit und offene Gesell­schaft wieder möglich waren.
Daran sollten und müssen wir uns jetzt ein Beispiel nehmen.

Diesmal ist der Anlass schreck­lich genug, aber glück­li­cher­weise nicht so schreck­lich wie 1945. Diesmal haben wir aber auch keinen Befreier, die uns besetzten und mit Zwang nach­halfen, wo das zwanglose Argument nicht genügte.
Diesmal müssen wir es selber machen. Aber wir brauchen eine Reedu­ca­tion und Ent-Hama­si­fi­zie­rung des Kultur­be­triebs und größerer Teile der deutschen Gesell­schaft.

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Es ist eine paradoxe Bwegung: Wir müssen das canceln canceln. Das ist nicht anders als die paradoxe Bewegung, Krieg zu führen um Kriege zu verhin­dern, und Freiheit einzu­schränken um sie zu sichern. Es ist die Praxis des berühmten Böcken­förde-Dilemmas: »Der frei­heit­liche, säku­la­ri­sierte Staat lebt von Voraus­set­zungen, die er selbst nicht garan­tieren kann.«

Genau darum müssen wir sie garan­tieren.