Spanien 2013 · 91 min. · FSK: ab 16 Regie: Pedro Almodóvar Drehbuch: Pedro Almodóvar Kamera: José Luis Alcaine Darsteller: Antonio de la Torre, Hugo Silva, Miguel Ángel Silvestre, Laya Martí, Javier Cámara u.a. |
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Eher ein schlechter Witz |
Sitzen drei Spanier im Flugzeug – so könnte ein Witz anfangen. Man könnte ahnen, worum es ungefähr geht: Mit ein paar Stereotypen und Klischees garniert, müsste die Staatsschuldenkrise vorkommen, in ihrer spanischen Variante der geplatzten Immobilienblase. Wie den Witz kann man auch die Erzählung von Pedro Almodóvars neuem Film mit dieser Einleitung beginnen, denn ein bisschen ähneln die 90 Minuten tatsächlich einem langen Sketch, wie er im Fernsehen vor 30 Jahren etwa bei Didi Hallervorden als »gespielter Witz« zum TV-Kult wurde. Zu dieser Zeit begann Almodóvar seine Karriere: Im Spanien der »Movida«, des Aufbruchs, der das Land in die wirtschaftliche Weltspitze katapultierte, reüssierte der 1949 geborene Madrider Regisseur mit schrillen Komödien – Pepo, Luci, Bom Und Der Rest Der Bande, Matador, Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs –, und wurde zu einem der wichtigsten, auch international geachtetsten Filmkünstler seiner Generation. In den letzten 15 Jahren waren seine Filme eher Melodramen wie Alles über meine Mutter, Volver.
Mit Fliegende Liebende ist Almodóvar jetzt zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt. Die Rahmenhandlung besteht aus einer »unglaublichen Reise in einem verrückten Flugzeug« – so hieß Anfang der lustigen achtziger Jahre der Film Airplane der Gebrüder Zucker, eine alberne Persiflage auf das Katastrophenkino der melodramatischen Siebziger. Auch Fliegende Liebende ist eine Persiflage – und das gleich doppelt: Auf Almodóvars frühe Filme und auf das Spanien der Gegenwart. Dessen Zustand, das legt der Film nahe, ist so traurig, dass man von ihm nicht mehr als Melo, sondern nur im Modus einer Groteske erzählen kann.
Alles spielt fast ausschließlich über den Wolken in einem Flugzeug der Firma »Peninsula«, das auf dem Flug von Madrid nach Mexiko einen Triebwerkschaden hat, und vor der Notlandung über Kastilien kreisen muss. In der billigen Economy-Klasse werden die Passagiere daraufhin in einen Tiefschlaf versetzt. In der Business-Class dagegen gibt es Champagner. Nicht sehr subtil spielt das alles also eine Anspielung auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht allein in Spanien: Eine Gesellschaft in Dauerwarteschleife, die Bruchlandung im Blick genießen die Reichen das Leben, die Unterklassen werden durch die Entertainment-Industrie künstlich betäubt, die Piloten sind ratlos. Auch die Passagiere sind zunächst einmal Bedeutungsträger, als solche aber immer für einen Gag gut: Ein Immobilienbetrüger, der Ärger mit den Finanzbehörden hat, ein Schauspieler der vor seiner Geliebten flieht, eine paranoide Domina mit Erpresservideos, die die oberen Zehntausend bloßstellen könnten, ein jungfräuliches Medium... Dazu kommt die Flugbesatzung: Drei schwule Stewards sind die Hauptfiguren, der eine hat was mit dem bisexuellen Piloten, und der Macho-Kopilot wird auch bis zum Filmende noch seine homosexuelle Unschuld verlieren. Auch sonst geht es in dieser Hinsicht zur Sache: Ein schlafender Passagier wird zum Sex-Spielzeug, das Medium wird entjungfert, Sperma geschluckt – der Film ist auch eine katholisch-plastische Sommernachts-Sexkomödie. An der sind immerhin Penélope Cruz und Antonio Banderas, sowie spanische Stars wie Antonio de la Torre, Hugo Silva und Cecilia Roth beteiligt.
So richtig geht all das trotzdem nicht auf. Tuntengags und schwule Witze bedienen auf die Dauer dann doch eher ein Spezialinteresse, vor allem, wenn wie hier die Distanz des Regisseurs fehlt. Und Almodóvar scheint es zu wissen. Wie anders ist es zu erklären, dass der Regisseur selbst – offenbar um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen –, einen Verriss des Films verfasste: »Er wiederholt sich nur noch selbst in einer ziemlich unwitzigen Weise. Alles an dem Film macht den Eindruck, dass Almodóvars beste Zeit wohl hinter ihm liegt.«
Dem Urteil kann man nicht widersprechen. Denn es kommt bei einem Witz im Gegensatz zu allen Lügen der Postmoderne am Ende nämlich nicht nur darauf an, wer ihn erzählt, warum, und für welches Publikum. Sondern auch ganz einfach darauf, ob es ein guter Witz ist.