KINO MÜNCHEN FILM AKTUELL ARCHIV FORUM LINKS SITEMAP
14.03.2002
 
 
        Mickey rourke in »Get Carter«

Ein wahrer Held
Mickey Rourke

 
 
Mickey Rourke in GET CARTER
   
 
 
 
 

Keine Frage: das Pantoffelkino ist verpönt unter uns wahren Cinéphilen. Umso erwähnenswerter, wenn man dann unvorbereitet große Momente erlebt vor der Mattscheibe. Es gibt sie tatsächlich, diese Traumzeiten zwischen grenzenloser Beglückung und tiefster Melancholie. Wenn man zum Beispiel derzeit MTV einschaltet und zufällig in das Video zu Enrique Iglesias HERO stolpert. Manchmal sind, das ist ja nun längst kein Geheimnis mehr, die Musikclips die besseren Filme, Instantversionen quasi, ein Sturm im Wasserglas. Ganz neu ist das, was wir hier zu sehen bekommen, freilich nicht, eine Mixtur aus Western und Roadmovie und Neo Noir in verschleierten Sepia- und Sandtönen. Eine Wüstenlandschaft im Südwesten der USA, hart an der Grenze zu Mexiko. Highway und alte Gemäuer, Ruinen eigentlich, die in der prallen Sonne liegen wie Tiergerippe. Ein Pärchen auf der Flucht. Geld ist im Spiel und wahrscheinlich auch die ewige Geschichte von der Frau zwischen zwei Männern. Natürlich gibt Iglesias den jugendlichen Helden ab, das ist nicht schlecht aber auch nicht weiter aufregend.


I can be your hero, Baby: für die jugendliche Zielgruppe des Latinobarden mag das durchaus eine Option sein. Für diejenigen unter uns, die ein etwas reiferes Alter erreicht haben, wird's so richtig aufregend erst, als der bad guy die Bühne betritt. Ein Mann in Schwarz, von einer finsteren wild bunch begleitet. Mickey Rourke ist wieder da und er ist ohne Zweifel der wahre Held hier. Nichts hat er zur Verfügung als seine Präsenz. Keine Dialoge zu sprechen, logisch, das liegt in der Natur der Sache. Und doch: was für eine Ausstrahlung, was für ein Charisma. Kein Schauspieler, ein Filmstar. Einer, der nicht spielt sondern einfach ist. Daran sollt ihr die echten, die wahren Stars erkennen: wie Rourke hier die kleinste, banalste Alltagsgeste nur reicht, das Abnehmen der Sonnenbrille, das Zurückschlagen des Mantels, eine Drehung unter der Wüstensonne, um die Leinwand - pardon, den Bildschirm - ganz und gar zu füllen und zu beherrschen. Eine große Mühelosigkeit und Lässigkeit geht von ihm aus, eine Souveränität, eine Autorität, dass man ihm den leader of the pack blind abkauft. In den drei Minuten, die dieser clip dauert, erinnert man sich an Rollen die er gespielt hat und die irgendwie in dieser Figur sich spiegeln: der zwielichtige CIA Agent in WHITE SANDS, der durchgeknallte Südstaatengeneral in THE LAST OUTLAW. Rourke ist der letzte Rebell in Hollywood, einer, dessen erotische Ausstrahlung immer definiert war über das Dämonische, das Gefährliche, das latent Gewalttätige. Ein Anachronismus, heute, da alles, was als sexy verkauft wird nur mehr fake ist, whitewashed und weichgespült und total asexuell eigentlich. Das gilt natürlich gerade auch in der Popbranche, gilt für die Rickeys und Brittneys und wie sie alle heißen. Grenzenlose Beglückung also ob dieses Wiedersehens. Und tiefste Melancholie, weil plötzlich deutlich wird, was man vermisst. Wir hoffen, dass man auch in Hollywood MTV schaut und dem Meister endlich wieder den Platz zuweist, der ihm gebührt: raus aus dem Pantoffelkino und wieder rauf auf die Leinwand.

Regine Welsch

  top
   
 
 
[KINO MÜNCHEN] [FILM AKTUELL] [ARCHIV] [FORUM] [LINKS] [SITEMAP] [HOME]