»Ich kann mich ja schwer schützen...« |
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Hannelore Elsner in Die Unberührbare |
In Oskar Roehlers neuestem Film Die Unberührbare erlebt Hannelore Elsner, Filmstar in den 60er und 70er Jahren, ein grandioses Kino-Comeback. Der Film wird bei den bevorstehenden Filmfestspielen in Cannes laufen, und ist – wie auch Hannelore Elsner persönlich – für den diesjährigen Bundesfilmpreis nominiert. Über ihre Rolle, über deren historisches Vorbild, die Schriftstellerin Gisela Elsner und über das Schicksal weiblicher Künstler in Deutschland sprach Rüdiger Suchsland mit der Schauspielerin.
artechock: Die Unberührbare spielt zur Zeit des Mauerfalls. Im Film scheint das wie eine Ewigkeit zurückzuliegen...
Hannelore Elsner: Da muss ich ja sowieso immer lachen, dass manche jungen Leute gesagt haben, das sei ein historischer Film – gerade zehn Jahre.
artechock: Wie haben Sie den Mauerfall denn erlebt?
Elsner: Ich war in Berlin damals, saß im Hotel, und habe mir das mit Katarina Thalbach im Fernsehen angeschaut. Mich hat das nicht so wütend gemacht, wie sie, aber ich war sehr irritiert.
artechock: Kannten Sie die Autorin Gisela Elsner?
Elsner: Ich habe natürlich früher schon einzelne Bücher von ihr gelesen. Jetzt habe ich noch mal das Buch „Abseits“ gelesen, das wirklich wunderbar ist. Darin beschreibt sie ihre Lebenskrise: Sie hat einen Mann und ein Kind, und alles scheint optimal zu sein – trotzdem ist sie unglücklich, nimmt Tabletten, unternimmt Selbstmordversuche.
Persönlich kannte ich sie nicht, aber das finde ich auch nicht wichtig. Die Unberührbare ist ja keine Dokumentation. Das ist ja nicht wirklich ihre Geschichte, es ist nur angelehnt an ihr Leben. Ohne die reale Gisela Elsner hätte Oskar Roehler sicher viele Ideen nicht gehabt. Er hat sicher auch persönlich einiges aufgearbeitet. Manche Ereignisse hat er nachgestellt. Aber zugleich hat er die reale Gisela Elsner sehr diskret behandelt.
artechock: Wie war ihr Verhältnis zu Oskar Roehler? Sie spielen schließlich nicht irgendjemanden, sondern seine Mutter.
Elsner: Ich habe mich nie als Mutter von Oskar Roehler gefühlt. Er ist ein sehr disziplinierter Arbeiter, der sicher Privates und Berufliches gut trennen konnte. Natürlich ist er manchmal unwillkürlich erschrocken, wenn ich plötzlich ins Zimmer kam, und er meinte, seine Mutter wäre es. Die Zusammenarbeit war etwas ganz Besonderes, aber nie schwierig.
artechock: Der Film zeigt auch die weltanschaulichen Inkonsequenzen dieser Autorin. Einerseits bekennt sie sich zum Kommunismus, andererseits trägt sie teure Klamotten, trinkt Champagner und läßt sich mit dem Taxi zum Supermarkt chauffieren...
Elsner: Natürlich hatte es etwas Absurdes, wenn sie in der DDR Lesungen im Nerzmantel gegeben hat. Trotzdem gefällt mir diese Inkonsequenz eigentlich sehr gut. Sie hat ja auch 'mal darüber geschrieben, warum alle eigentlich so ackern müssen, um gut zu essen und eine gute Wohnung zu haben. Das ist doch ein Grundbedürfnis der Menschen. Dass das wenigen vorbehalten bleibt, sah sie überhaupt nicht ein.
artechock: Darauf können wir uns einigen. Wahrer Kommunismus heißt: Jeder soll Kaviar essen...
Elsner: Ja, ganz genau. Das finde ich auch. [Langes Lachen]
artechock: Umgekehrt erfährt man auch viel von den Leiden, den privaten Depressionen hinter der öffentlichen Figur der Gisela Elsner...
Elsner: Ich finde die Figur gar nicht so depressiv. Das ist eine ganz starke Frau. Ich finde, dass sie einen unendlichen Mut hat, wie sie den Blicken der anderen standhält, vor allem aber wie sie umgekehrt die Blicke der Menschen sucht und sie anschaut. Das ist schon sehr heftig. Ich kann das gut nachempfinden. Ich habe auch manchmal diesen Blick, der tief hinein in die Seele, durch alles hindurch geht. Wenn man immer so auf die Menschen schauen würde, dann wäre das zu... – verletzend. Dann könnte man’s gar nicht ertragen. Und sie hat’s eben auch nicht ertragen. Aber ich finde sie gar nicht depressiv – im Gegenteil: Ich finde sie unglaublich klar. Und mutig auch, darin, den politischen und künstlerischen Standpunkt zu vertreten, den sie vertreten hat. Das hat natürlich auch etwas Kindliches in seiner Entschiedenheit. Jemand hat einmal gesagt, sie sei wie eine Prinzessin. Aber ich finde sie sehr konsequent und sehr stark.
artechock: Gisela Elsners auffällige äußere Erscheinung – die schwere Perücke, die das Gesicht zum Teil verhängt, das dicke Make-Up – das scheint ja auch ein Versuch gewesen zu sein, sich zu schützen. Können Sie das nachempfinden?
Elsner: Ich kann mich ja schwer schützen. Man kann sich als Schauspielerin kaum schützen. Ich werde überall erkannt und beurteilt. Bei Gisela Elsner ging es glaube ich um etwas anderes: Sie wollte sich nicht nur schützen, sie wollte sich auch reduzieren. Sie hat sich ja eigentlich wie eine Kriegerin bemalt und ausgestattet, um hinter dieser Maske auch den Leuten zuzuschauen. Damit sie nicht erkannt wird, aber die anderen erkennt und deren Masken enttarnt. Ein richtiger Schutz war es ja nun auch nicht, dazu war die Ausstaffierung zu auffällig.
artechock: Im letzten halben Jahr sind Sie nun selbst auch bei eigenen öffentlichen Auftritten in die Rolle der Gisela Elsner geschlüpft. Sie waren mit dieser Perücke und dem Make-Up auf Filmbällen und bei anderen Terminen zu sehen. Kam das daher, dass sie Ihre Rolle so intensiv erlebt haben, eine Art method-acting, oder war das einfach gutes Marketing?
Elsner: Mir hat dieser Aufzug zunächst einmal wirklich Freude gemacht. Ein bißchen Marketing wollte ich natürlich gern machen, denn von dem Film bin ich sehr überzeugt. Für diesen Film würde ich sogar mit Transparenten auf der Straße herumlaufen. Aber ich habe natürlich auch nach Wegen gesucht, um mich dieser Rolle ganz anzunähern. Das ist mir glaube ich gut gelungen. Im Gegensatz zu vielen, die in dieser Frau nur das Heikle oder Böse gesehen haben, nehme ich auch Zartheit wahr, Verletzbarkeit, die Klarheit, mit der sie die Menschen erkannt hat, auch seziert hat. Das mag ich sehr an ihr; diesen Mut, diese Konsequenz.
artechock: Aufgeschlossenheit, Mut und Konsequenz braucht auch jede Schauspielerin. Fühlen Sie eine Seelen-Verwandschaft zu Gisela Elsner?
Elsner: So mutig bin ich nicht. Ich könnte mir nicht vorstellen, so konsequent und so allein zu sein – man ist ja dann wirklich allein, wenn man so sehr das Wahre entdecken will und eigentlich immer nur auf Ablehnung stößt, immer wieder enttäuscht wird. Das braucht eine unglaubliche Kraft. Natürlich hätte sie auch manchmal umschwenken können, und sich den paar Menschen zuwenden können, die sie auch verstanden hätten. Aber in ihrer Sucht, immer wieder das Ungenaue, das Unwahre auch, aufzudecken, rannte sie immer gegen Mauern. Von Geistesverwandtschaft oder Seelenverwandtschaft möchte ich daher nicht sprechen. Aber ich verstehe Gisela Elsner einfach sehr gut. Manches was ihr im Film passiert, kennt man als Frau: eine unglaubliche Anflirterei von den Männern, und wenn man der nicht nachgibt, schlägt es plötzlich um, man wird beschimpft als Zicke oder Schlimmeres.
artechock: Zunächst war Gisela Elsner ein Jungstar der Literatur. Später ließ ihr Erfolg beträchtlich nach. Können Sie sich auch als Künstlerin in deren Lage versetzen?
Elsner: Der Unterschied ist vielleicht der, dass Gisela Elsner ihr Leben lang ein Thema verfolgte: Dass man hier in Deutschland eigentlich nicht leben kann. Und dass sie sich vor allem mit Menschen beschäftigt, die sie eigentlich nicht ausstehen konnte, die sie gehaßt hat.
artechock: Für Sie persönlich bedeutet diese Rolle ein Kino-Comeback...
Elsner: Ja, ich habe lange Zeit kein Kino gemacht. Ich habe zwar viel gearbeitet, aber nur fürs Fernsehen, habe Fernsehspiele gemacht und ähnliches.
artechock: Warum haben Sie alle Film-Angebote abgelehnt?
Elsner: Welche Angebote? Fürs Kino kam da gar nichts. Das ist sehr schade, aber so war es. Denn ich liebe Kino.
artechock: Gibt es neben den ganzen jungen Schauspielerinnen für Ihre Generation keine Filmrollen mehr? Manche Hollwoodstars, die über 40 sind, klagen darüber.
Elsner: Das weiß ich nicht, die Gründe kann ich auch nicht nachvollziehen. Jedenfalls kamen einfach die Angebote nicht. Im Prinzip sind Liebesgeschichten natürlich keine Frage des Alters.
artechock: War es für sie problematisch, die Nacktszenen zu spielen?
Elsner: Ich verstehe die Frage nicht. Inwiefern soll das für mich ein Problem sein?
artechock: Sie könnten sich schutzlos und preisgegeben fühlen?
Elsner: Nein, so ging es mir gar nicht. Die Intimität des Teams war ein großer Schutz. Und offen gesagt: ich fühle mich sehr viel mehr preisgegeben, wenn sich Großaufnahmen auf mein Gesicht richten.
artechock: Nun haben Sie mit Ihrem Comeback Erfolg: Der Film ist mehrfach für den Bundesfilmpreis nominiert, und zum Festival nach Cannes eingeladen worden...
Elsner: Ist das nicht toll? Das ist doch fantastisch. Nun ist Die Unberührbare sicher ein außergewöhnliches Werk geworden. Mein Part ist eine Traumrolle für jede Schauspielerin – und meine beste Arbeit bis jetzt. Das sage ich nicht so leichtfertig dahin. Hier stimmte einfach alles. Der Film ist richtig gut.