USA 2011 · 95 min. · FSK: ab 16 Regie: Drew Goddard Drehbuch: Joss Whedon, Drew Goddard Kamera: Peter Deming Darsteller: Kristen Connolly, Chris Hemsworth, Anna Hutchison, Fran Kranz, Jesse Williams u.a. |
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Huuuh! Hier steckt das Grauen in der Hütte |
»Kein Grund zur Aufregung. Es könnte ein ruhiger Arbeitstag werden, ein Tag wie jeder andere. Oder der Anfang eines Sturms.«
Genau, so könnte er anfangen. So passte es exakt auf die erste Einstellung dieses wirklich erstaunlichen Films. In leitender Funktion kam er ja viel zu selten zum Schreiben. Aber The Cabin in the Woods hat ihn so beeindruckt, den wollte er zur Chefsache machen. Weg von daheim. Seine Frau machte Theater, wann er sich endlich mal wieder wasche und ob er nicht mehr ordentlich sprechen könne. Das stimmte, er hatte seit Tagen zunehmend Schwierigkeiten, sich zu artikulieren, aber zum Glück arbeitete er ja nicht beim Radio. So saß er hier, in einem kleinen Hotelzimmer am Rande dieser schönen Stadt im Süden, vor sich die Notizen und den Zombie Survival Guide von Max Brooks, vielleicht konnte er daraus ein bisschen launig zitieren. Das wäre schon okay, als amerikanischer Comedyautor und Sohn von Mel Brooks und Anne Bancroft war ihm dieser Brooks niveauvoll genug.
»'Es gibt zwei Möglichkeiten: Die erste ist, dass die Regierungen der Welt privat und öffentlich die Existenz der lebenden Toten eingestehen müssen und spezielle Organisationen gründen, die versuchen dieser Bedrohung Herr zu werden. (…) Ein zweites, bedrohlicheres Szenario würde zu einem regelrechten Krieg zwischen den Lebenden und den Toten führen (…).'
Dieser Film belehrt uns eines Besseren: es gibt noch ein anderes, viel beunruhigenderes Szenario, als es Max
Brooks in seinem ironischen-irrwitzigen Pseudo Ratgeber 'Zombie Survival Guide' erläutert. Und das beginnt, ganz dem Horrorgenre gemäß, mit fünf gut aussehenden Studenten grundverschiedener Naturelle, die per Wohnmobil für ein paar vergnügliche Tage zu einer einsamen Holzhütte in die bewaldeten Berge fahren. Man kennt das: unheimliche Begegnung auf dem Hinweg, ausgelassene Stimmung am Abend, merkwürdige Hüttenausstattung, die Entdeckung einer Stiege in den Keller, der einem
Antiquitätenladen gleicht, Spieluhr, Schmuck und Tagebuch warten, von den jungen Besuchern entdeckt zu werden. Doch auch andere wollen, dass das grausame, aber notwendige Spiel beginnt…«
Na ja. Passt mit dem Anschluss an die Einleitung noch nicht. Aber es war ja nur sein erster Schuss aus der Hüfte, er wollte ja alles nochmal bearbeiten.
»Sie sind das perfekte Alptraumteam: Joss Whedon, bei dem die Kreativität so sprudelt wie nie versiegende Blutfontänen nach der Kettensägenattacke und Drew Goddard, der hier sein Regiedebut gibt, lernten sich bei der Zusammenarbeit zu Whedons Erfolgsserie 'Buffy – Im Bann der Dämonen' kennen. Gemeinsam entwickelten
sie das Drehbuch zu diesem bahnbrechenden Horrorstreifen, der in noch nie dagewesener Weise an den Grundpfeilern des Genres rüttelt.«
Schrecklich platt. Sowas hätte er ja nicht mal als Probetext bei der Journalistenschule eingereicht. Beim Verschicken durfte er nachher nicht vergessen, in der E-Mail anzuordnen, dass jemand die Kritik nochmal intensiv redigiert. Er stöhnte. Schreckliches Unwohlsein waberte in seiner Magengrube. Doch jetzt war keine Zeit für Befindlichkeiten.
»Nicht nur im Aufbau gehen Whedon und Goddard zeitweise brechtisch voran, ihre Aussagen sind, nachdem der erste Schauer der jeweiligen Szenen überwunden ist, ätzend, hinterhältig und für das Publikum entlarvend wie die des Augsburgers. Dank der klaren Struktur, die von selbstverliebten Spielchen absieht, kann man sich ganz der Spannung, den Überraschungen und den eigenen Schlussfolgerungen hingeben.«
Er musste kurz unterbrechen. Die Nackenschmerzen waren unerträglich geworden. Seit Tagen konnte er seinen Kopf nicht mehr gerade halten. Er hatte sich wohl verkühlt, neulich im Sumpf, und zwar schwerer als zuerst gedacht. Oder woher sonst kam diese bläuliche Gesichtsfarbe? Wehmütig dehnte er die Prüfung im Spiegel aus. Seine einst attraktiven dunkelblonden Locken waren in atemberaubendem Tempo entsetzlich ergraut und verklebt. Besser wegsehen und die Arbeit fertigkriegen.
»The Cabin in the Woods war lange ersehnt – drei Jahre und eine MGM-Pleite später ist aus manchem Newcomer ein gefragter Star geworden, wie zum Beispiel Chris Hemsworth, der mittlerweile in Filmen wie Thor, Marvel’s The Avengers und Snow White and the Huntsman reüssierte. Er ist nur ein Teil eines hochkarätigen Ensembles, das bis zur kleinsten Nebenrolle der Lebendigen und Untoten perfekt besetzt ist. Freilich handelt es sich hier um einen Horrorthriller, doch auch eher zartbesaitete Filmfreunde dürften es nicht bereuen, wenn sie sich einen Ruck geben und auf das große Spektakel einlassen, dass sich in einem fulminanten Finale zuspitzt. Was da passiert, ist für niemanden vorhersehbar, nicht einmal für den erprobtesten Gruselkenner, der sich auf dem Weg dorthin auf viele geschickt platzierte Referenzen freuen kann.«
Hoffentlich hatte er nicht zuviel vom Plot verraten – eine Berufskrankheit, die er verabscheute und ihr jetzt zum Schluss nicht auch noch anheimfallen wollte. Schnell noch seinen Namen darunter. Meyer, Meyr, Meier, ai, M… Sein glasklarer Verstand, um den ihn so viele Kollegen beneideten, wich schlagartig einer unbändigen, noch nie gekannten Lust nach frischem Fleisch. Schwerfällig erhob er sich von seinem Stuhl.
In diesem Genre, sagen Drew Goddard und Joss Whedon, ist alles Mechanik, selbst die Zauberei. Da stehen fünf junge Leute im Keller einer Waldhütte vor einer Sammlung aus Artefakten, von denen eine seltsame Magie, Autorität, Tradition auszugehen scheint. Ein seltsam verzierter riesiger Würfel zum Beispiel oder ein Buch. In einem Bunker, in einem Sinnbild der menschenfeindlichen Technokratie also, wird derweil gewettet auf Würfel, Buch, Killertiere, Vampire, Zombies. »Ich hatte doch auf Zombies getippt«, beschwert sich eine Dame beim Spielleiter. »Ja, aber richtig war leider 'redneck torture zombies'«, entgegnet dieser.
Drew Goddard hat einige Folgen von »Lost« geschrieben, diesem verrätselten, faszinierenden und bisweilen reichlich verquasten Fernsehspektakel, bei dem nun wirklich kein Interesse festzustellen war, einen Blick hinter die Bilder zuzulassen. Da trennt Goddard doch Einiges von seinem Beinahe-Namensvetter der Nouvelle Vague, und so gehört eine gewisse Unentschlossenheit auch zu den größten Schwächen seines Langfilmdebüts: Denn die Fans und Produzenten, die verantwortlich sind für den Mangel an Innovation im Horror der vergangenen Jahre – oder war es bis auf wenige Ausnahmen schon immer so? – füttern die beiden Autoren zwar mit Anspielungen. Doch je überdrehter es zugeht, je größer das Einfallstor für wahrhaft bissigen Spott und wahrhaft irritierende Wendungen wird, desto mehr lassen sie ihr Publikum alleine mit diesen Zitaten, desto mehr verlassen sie sich auf ein Abhaken bekannter Figuren und Standards, auf den lahmen Kitzel des »Aha – das ist doch aus…«.
Fünf Freunde also, das klingt schon mal nach Enid Blyton, haben sich für ein Wochenende auf besagte Hütte zurückgezogen, ohne ihr Wissen überwacht ein Team von Wissenschaftlern, Ingenieuren, irgendwelchen Schreibtischtätern eben, ihre Schritte. Als die fünf den Keller betreten und sich für eines der Artefakte entscheiden, ist ihr Schicksal besiegelt. So sehr sich die Filmemacher bisweilen an den Wendungen ihres Plots ergötzen – eines darf doch verraten werden: Diese fünf haben eigentlich keine Chance. Sie sollen gefälligst den »redneck torture zombies« zum Opfer fallen, und wenn ihre Ideen einen Spritzer zu sinnvoll sind und gar Aussicht auf Rettung versprechen, dann haben die Schreibtischtäter garantiert einen Kniff in der Hinterhand. Unbedingt sollten sie alle zusammenbleiben, beharrt der hünenhafte Curt – schon dass er von Thor-Darsteller Chris Hemsworth gespielt wird, geht als ein weiterer Insider-Gag durch. Ein Knopfdruck auf der anderen Seite, im Bunker, und eine Düse im Raum verströmt ein wundersames Gas, das bei Curt einen unerklärlichen Meinungsumschwung verursacht.
Bloß keinen drögen Thesenfilm abliefern, hatten Goddard und Whedon sich offensichtlich vorgenommen. Dennoch präsentieren sie die Morde an den ahnungslosen Opfern mit demonstrativer Gleichgültigkeit. Da gibt es keine lange Flucht, keinen zerdehnten Moment des Atemholens, keine Hoffnung. Zack, bumm, der Nächste bitte. Die zweite Ebene der Handlung schiebt sich offensiv als Identifikationshindernis in den Weg, sie rationalisiert das Sterben – und das Morden. In einer Szene, die ein problematisches voyeuristisches Moment des Genres vollendet auf den Punkt bringt, gibt es dann doch einen langen, quälenden Todeskampf auf einem Steg. Die letzte Überlebende ist eingekesselt zwischen dem schwarz funkelnden Wasser und dem Größten der untoten Widersacher. Auf Dutzenden von Leinwänden und Monitoren im Labor ist ihr Martyrium zu sehen, all das Hacken, Würgen, Schleifen und Schlagen, während die Angestellten eine ausgelassene Party feiern. Um bezahlten Urlaub geht es, um den besoffenen Praktikanten, die scharfe Mitarbeiterin. Und das alles, wohlgemerkt, nicht, obwohl das Mädchen auf den Monitoren sterben wird. Sondern genau deshalb.
Doch Momente solcher Reflexion sind letztlich rar gesät im Film. Goddard nimmt sich Standardsituationen, stereotype Figuren und hinlänglich bekannte Bedrohungsszenarien vor, als habe er mit einer Liste in der Hand am Drehbuch gearbeitet. Oft genug macht er seine Kritik an den verfahrenen Genre-Konventionen verdaulich, indem er sie humoristisch verpackt, er dreht die Überbietungslogik, in die sich der Plot am Ende rettet, gerade so weit, dass der Showdown noch als Spektakel genossen werden kann und gerade noch nicht ins Irritierende, Absurde abdriftet.
So werden all die Klischees mal gebrochen, mal ausgestellt, mal um der puren Wiedererkennung willen zitiert. Das ist mehr, als die meisten Horrorfilme bieten, zweifelsohne. Ko-Autor und Produzent Joss Whedon, Erfinder der TV-Serien »Buffy« und »Firefly« und zuletzt Regisseur der Marvel’s The Avengers, hat wieder einmal Elemente der Popkultur in den Fleischwolf geworden, und das Ergebnis ist durchaus unterhaltsam. Anregend. Und unausgegoren.