Portugal 2003 · 96 min. Regie: Manoel de Oliveira Drehbuch: Manoel de Oliveira Kamera: Emmanuel Machoel Darsteller: Catherine Deneuve, John Malkovich, Stefania Sandrelli, Irene Papas u.a. |
»Was ist ein Mythos?«, »Was ist eine Legende?« – hört man aus dem Mund eines kleines Mädchens. Diese scheinbaren Kinderfragen bilden den Leitfaden eines sehr streng komponierten Films. Erzählt wird von der Schiffsreise einer Mutter – sie ist Geschichtsprofessorin – mit ihrer Tochter am Mittelmeer entlang zum Suez-Kanal und weiter gen Bombay.
Diese »Passage to India« zitiert Homers »Odyssee« und zugleich den alten Traum Portugals vom Seeweg nach Indien – nicht zufällig beginnt alles im Hafen von Lissabon mit der Vorbeifahrt an den Denkmälern für Heinrich den Seefahrer und Vasco da Gama. Unterwegs besuchen Mutter und Tochter die Ruinen der Griechen, der Römer, der Osmanen, Pompeji, den Suez-Kanal und die Pyramiden. Ihre Gespräche drehen sich um die Vergangenheit der Imperien, den Charakter der Zivilisation und das Verhältnis zwischen Westen und Orient. Mit an Bord sind Catherine Deneuve, Stefania Sandrelli und Irene Papas, quasi als profane Göttinnen ihrer jeweiligen Kulturen und Nationen, sowie als Kapitän der Amerikaner (!) John Malkovitch.
Hochgebildet und doch auf merkwürdige Weise ganz leicht geht es in dem neuen Film des 95jährigen portugiesischen Altmeisters um nicht weniger als alles – ein elegantes, feinsinniges Hohelied auf die Kultur des alten Europa, zugleich auch ein melancholischer Abgesang, denn bei aller Schönheit sind die Gespräche nicht durch Optimismus bestimmt, und am Ende, wie im richtigen Leben, bricht der Terror ein und zerstört manche Hoffnung.
Insofern ist Um Filme Falado, also »Tonfilm« eine hochmodere Auseinandersetzung darüber, was wirklich »Europa« heißt, was bleibt, wenn alles vorbei ist. Ein Begrüßungs- und Erinnerungsfilm für die EU-Beitrittsländer ebenso wie eine kleine Stichelei gegen political correctness, wach und jung, und in all dem und manchem sonst Elephant verwandter, als seinem filmischen
Vorbild Robert Bresson.
Die Odyssee zitiert Oliveira übrigens dabei nicht nur, sondern dreht sie gewissermassen auch um: Man fährt los im Westen, in der Zivilisation, und landet nahe Troja, im Krieg, der Barbarei.
Für seine Verhältnisse hat Oliveira mit Um Filme Falado einen Actionfilm gedreht – »This film has really Rock 'n Roll, man!«