Hongkong/F 2000 · 97 min. · FSK: ab 6 Regie: Wong Kar-wai Drehbuch: Wong Kar-wai Kamera: Christopher Doyle Darsteller: Tony Leung Chiu Wai, Maggie Cheung, Lai Chen, Rebecca Pan u.a. |
Der Film beginnt, und die Räume sind eng. Zum Teil wird ganz niedrig gefilmt, unter Kopfhöhe der Personen, von denen manchmal nur Gesichtshälften zu sehen sind, manchmal nur Beine, Hände, andere Körperteile, ebenso sind die Seiten unüblich gerahmt – es kann alles auch anders sein, als gewohnt sagen diese Bilder. Begrenzung und Bedrängung suggeriert alles, mehr unruhig als schnell geschnitten bekommt man so auch im Kinosessel ein regelrecht körperliches Gefühl dafür, was es wohl heißt, in einem Mietshaus irgendwo in Hongkong zu leben, ein einzelner in einem Millionengewimmel zu sein, der niemanden interessiert. Verstärkt wird der chaotische Eindruck noch durch die Geräusche: Auch hier ein Durcheinander, angefangen mit den Stimmen der Radiosprecher, und den Schlagerklängen, die nach schlechten Nachrichten Trost spenden sollen, dem Straßenlärm bis zum Geplapper der Nachbarn, dem man in diesen dünnen Wänden nicht entgeht.
In diese Umgebung ziehen Mrs. Chan (Maggie Cheung) und Mr. Chow (Tony Leung). Sie lernen sich kennen. Von ihren beiden Ehepartnern sieht man nichts, erfährt nur, dass sie häufig verreist sind. Die Kamera läßt uns eindringen in den Alltag der beiden, begleitet sie bei der Arbeit und beim Einkaufen, belauscht ihre kleinen Gesten und wird Zeuge einer allmählichen Annährung. Ein Liebesverhältnis beginnt, dass nicht nur gegenüber den Nachbarn diskret ist.
In einem gewissen Sinn geschieht
nämlich »nichts« zwischen den beiden, noch nicht einmal ein scheuer Kuß wird getauscht, weil sie sich seinem Drängen in den entscheidenden Momenten verweigert. Nur einmal berühren sich die Hände, und lassen die Möglichkeit offen, dass wir vielleicht doch nicht alles gesehen haben.
Immer wieder wird gegessen. Die Mahlzeiten der beiden, die Wege in die öffentliche Nudelküche auf denen sie sich zuerst begegneten, sind wie ein Ritual ihrer Gefühle und wie die Kompensation alles Unerfüllten. Kleine Freiheiten inmitten einer Welt deren Konventionen und Freiheitschancen ähnlich eng sind, wie die Gassen der Metropole.
So erzählt Wong Kar-wai die klassische Filmstory vom Paar, das sich verfehlt, aus Stolz wie aus Angst, und damit auch die vage Chance, im Leben
nicht nur zufrieden, sondern glücklich zu sein.
Wie er es tut, ist mindestens genauso wichtig. Wie gesagt: Kaum Worte, nichts Direktes, sondern Umwege, Kameraschleifen, ein zögernder Gang über kleine Hindernisse, entlang begrenzender Wände, kleine Gesten die sich wiederholen, Alltagsgeräusche, immer neue Variationen des Gleichen, Zeitlupen und manchmal die Macht des Elementaren: ein Platzregen, die Dunkelheit der Nacht. Ein ganz eigenes Kapitel ist die Musikalität des Films, die
Bedeutung die Musik hier hat, und die Weise, wie die Sprache der Bilder, ihr Schnitt analog gehen zu den Rythmen des Tangos, den Jazzliedern der frühen 60er. In the Mood for Love ertrinkt in Schönheit und Melancholie, dem wechselseitigen Zusammenspiel dieser beiden Elemente.
Ein ganz wunderbarer Film über das Lächeln, die Einsamkeit und das Glück, der zeigt, dass Liebe auch auf Entfernung möglich ist, und nichts, aber auch gar nichts zu tun hat, mit dem,
was man uns in den meisten Filmen zeigt. Ein Film über das Vergehen der Zeit, über Sehnsucht und über Abschiede auch. Nur wir wissenund das macht den Schmerz nicht kleiner-, dass beide zweimal einander verpasst haben: im Hotel, wo sie verabredet waren, in dem alten Mietshaus, wo sie noch immer lebt.
Am Schluß begegnet man dann noch dem General de Gaulle auf Staatsbesuch. »Alles wird ewig so bleiben, wie es ist«, behauptet er, und wir wissen, dass das eine Lüge ist, dass kurz darauf wieder Krieg war in Indochina, und Maos Kulturrevolution, und das heute nichts mehr so ist, wie es damals war.