GB/USA 2001 · 90 min. · FSK: ab 6 Regie: Richard Eyre Drehbuch: Richard Eyre, Charles Wood Kamera: Roger Pratt Darsteller: Kate Winslet, Hugh Bonneville, Judi Dench, Jim Broadbent u.a. |
||
Judi Dench und Jim Broadbent |
»Es ist als lebe man in einem Märchen: Ich bin der junge Mann, der sich in die schöne Jungfrau verliebt hat, die ab und zu in eine geheimnisvolle Welt entschwindet... aber doch immer wiederkehrt.«
»Worte sind nicht der einzige Weg, um miteinander zu sprechen. Es gibt auch noch den Geruch, die Berührung«, sagt John Bayley zu Iris Murdoch während einer ersten intimen Begegnung. Prophetische Worte, denn Jahrzehnte später sind diese elementaren Ausdrucksweisen die einzige Sprache, die den beiden geblieben ist: Iris Murdoch, die gefeierte Denkerin und Literatin, erkrankt an Alzheimer. Ausgerechnet sie, die Frau mit dem »first class mind«, die begnadete Dichterin verliert zunächst die Macht über ihre Worte und nach und nach ihr Denkvermögen. Eine böse Ironie des Schicksals.
Alzheimer ist eine grausame und beängstigende Erkrankung, weil sie den Menschen Stück für Stück ihrer Persönlichkeit beraubt – für die Patienten ein furchterregender, für die Angehörigen ein schmerzvoller Prozess: »Mir ist, als segelte ich in die Dunkelheit«, beschreibt Iris ihre Ängste, als die Diagnose gestellt wird. Und so wird die Beziehung des Paares komplett auf den Kopf gestellt: John, der als der Prototyp des linkischen Wissenschaftlers stets im Schatten seiner angebeteten Frau stand, wird plötzlich zum Kindermädchen: Innerhalb weniger Monate verwandelt sich Iris zum mal ängstlich-anhänglichen, mal kindisch-dickköpfigen, immer hilfsbedürftigeren Wesen.
Sensibel protokolliert der Film die Stadien des Verfalls und Johns schmerzliches Ringen mit der Krankheit: Verleugnung, Verzweiflung, Zorn und schließlich das Akzeptieren des Unvermeidlichen. In kunstvoller Weise verknüpft Regisseur Richard Eyre Gegenwart und Vergangenheit miteinander und enthüllt auf diese Weise, was durch die Krankheit geraubt wird und was bestehen bleibt. Wo eben noch Kate Winslet als die junge Iris lustvoll durch das Wasser taucht, gerät die alte Iris, gespielt von Judi Dench, plötzlich in Panik: Sie hat schließlich auch vergessen, wie man schwimmt. Wieder ein Stück ihrer ureigenen Persönlichkeit, der unwiederbringlich verloren ist.
Und so kreist der Film dann auch um die sehr philosophische Frage nach unserem Wesen und der Basis menschlicher Beziehungen. Was bleibt von uns, wenn unser Geist sich verdunkelt? Wie viel von unserer Persönlichkeit können wir einbüßen ohne aufzuhören, wir selbst zu sein? Gleicht der Mensch einer Zwiebel von der man Schicht um Schicht entfernt, um schließlich mit leeren Händen dazustehen? Oder gibt es einen einzigartigen, unzerstörbaren Kern? »Eines der Merkmale der Krankheit ist, dass sie das Unwesentliche beiseite räumt und die Essenz offenbart«, beschreibt Eyre seine Faszination für dieses Thema. In John und Iris Fall enthüllt die Krankheit ihre Liebe als unzerstörbare Basis ihrer Beziehung.
»Sie ist jetzt in ihrer eigenen Welt. Das ist vielleicht das, was sie immer wollte«, sagt Bayley in einem Moment, als er endlich seinen Frieden mit der Krankheit gemacht hat – Und bricht damit eine Lanze für den Mut zu Liebe, Toleranz und Respekt auch jenseits konventioneller Vorstellungen.