Frankreich 2017 · 89 min. · FSK: ab 0 Regie: Blandine Lenoir Drehbuch: Jean-Luc Gaget, Blandine Lenoir, Océane Michel Kamera: Pierre Milon Darsteller: Agnès Jaoui, Thibault de Montalembert, Pascale Arbillot, Sarah Suco, Lou Roy-Lecollinet u.a. |
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So geht Komödie: Mutter und Tochter beim Zähneputzen. |
Spoileralarm: In Madame Aurora und der Duft von Frühling geht es keineswegs um »Duft von Frühling«. Den überlassen wir mal lieber den Weichspülern und seinen filmischen Äquivalenten. Aurore, wie der Film schlicht nach dem Vornamen der Hauptfigur auf französisch heißt, ist eine Best-Ager-Komödie, in der die Hauptrolle von der Menopause gespielt wird. Und, schon wieder Spoileralarm: Das ist tatsächlich richtig gut!
Französische Komödien, die unter den schematischen Verleihtiteln »Madame XX und…« oder »Monsieur XY macht dies und das« in die Kinos kommen, vergrätzen seit einiger Zeit alle, die das französische Kino einmal geliebt haben. Es gibt Cultural-Clash-Komödien wie Monsieur Claude und seine Töchter, Gegensatzkomödien wie Frühstück bei Monsieur Henri oder Sexkomödien wie Madame Christine und ihre unerwarteten Gäste. Und jetzt soll also »Madame Aurora« mit dem gleichen abschreckend oberflächlichen »Erfolgsrezept« für den Kinobesuch sorgen.
Dabei wartet der Film mit einem Trumpf auf, der für eine große Komödientradition abseits der Filme im Fahrwasser von Ziemlich beste Freunde steht: Agnès Jaoui spielt Aurore und hat selbst auch beim Drehbuch mitgewirkt. Das allein genügt, um zu wissen, dass man es mit einer hochkarätigen Schauspielperformance zu tun bekommt und einem komödiantischen Talent par excellence. Jaoui hat in etwa dreißig Filmen mitgespielt, das meiste davon sind Komödien. Zusammen mit Jean-Pierre Bacri verfasste sie grandiose Drehbücher, unter anderem für Alain Resnais' Smoking/No Smoking und Das Leben ist ein Chanson oder Cédric Klapischs Typisch Familie!. Außerdem führte Jaoui in bislang fünf Filmen Regie, die herausragendsten waren Lust auf Anderes oder Schau mich an! (Drehbuch jeweils mit Jean-Pierre Bacri), allesamt melancholische Komödien, die auf schonungslos leichte Weise vom Unbill des Lebens erzählen.
Agnès Jaoui hat das große Geschick, ihre Geschichten authentisch wirken zu lassen, ihre Filme sind gesättigt vom »virtue of experience« einer reifen, handfesten, dabei immer auch mädchenhaft gebliebenen Frau. Jetzt ist sie 53, gertenschlank war sie noch nie, dafür sehr weiblich. Ihr Alter und ihren Körper wirft sie mit großer Lust in die Figur der Menopausen-Aurore. Diese ist alleinerziehend von zwei Töchtern, mit ihrem Ex noch verheiratet, obwohl der sich noch einmal verjüngt hat, durch zwei kleine Kinder mit einer anderen Frau. Wie es halt so ist. Aurore hat eine leidenschaftslose Affäre mit einem kultivierten, aber etwas schmierigen und völlig langweiligen Stecher (Éric Viellard). Zufällig trifft sie ihre Jugendliebe (Thibault de Montalembert) wieder, die sie für den Vater ihrer Kinder verlassen hat. Und da wir in einer Komödie sind, findet – Spoileralarm! – am Ende auch jeder Topf seinen richtigen Deckel. Ohne, dass der Film zur Märchenstunde verkommt.
Regisseurin Blandine Lenoir hatte den Mut, einen Film über eine Lebensphase zu drehen, der die Gesellschaft nur mit schlechten Witzen begegnet. Wie Mia Hansen-Løve in ihrem stilistisch eleganten Alles was kommt rückt sie eine Frau ins Zentrum ihrer Geschichte, der alles abhanden gekommen ist: Job, Mann, Kinder, außerdem wird sie Großmutter. Nur zieht Lenoir ein komplett anderes Register. Nicht ruhig und nachdenklich, nach innen gekehrt, ist ihre Version vom »besten Alter«, sondern dialogreich und szenenstark, mit einer Fülle von Nebensächlichkeiten und Details, in denen die hohe Kunst, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, in jedem Moment spürbar wird. Die in Serienproduktion verkommene französische Komödie darf in Aurore wieder leuchten.