Frankreich 2017 · 119 min. · FSK: ab 0 Regie: Tom Volf Drehbuch: Tom Volf Schnitt: Janice Jones |
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Die große Callas |
Es gibt Filme, Bücher, Konzerte, die einen so mitreißen, dass man ihr Ende nicht akzeptieren und zum schnöden Alltag übergehen will. Seit Erfindung des Internets hat jeder die Möglichkeit, seinen Genuss fast nach Belieben zu verlängern. Das World Wide Web ist eine pralle Schatzkammer mit Interviews, Hintergrundberichten, »unbekannten Aufnahmen«, etc., von bekannten wie auch weniger bekannten Menschen. Normalerweise legt sich irgendwann die Leidenschaft eines
durchschnittlichen Fans. Er geht zur Tagesordnung über. Nicht so der junge Fotograf Tom Volf. Nach einem beglückenden Opernbesuch suchte der 28-Jährige nach weiteren Interpretationen von Donizettis »Maria Stuarda«. Er fand eine Aufnahme der ihm bis dahin unbekannten und schon verstorbenen Maria Callas. Doch anstatt nur zu bewundern, was Google und Youtube zu bieten hatten, entschied sich Volf, mehr zu tun, als zu googlen und zu clicken.
Der frisch gebackene Fan sammelte fünf
Jahre lang alles, was er von und über die erfolgreichste Sopranistin des 20. Jahrhunderts in die Finger bekam. Aus seiner Heimat, den USA, reiste er nach Mexiko, Griechenland, Frankreich, Italien. Befragte Angehörige, Zeitzeugen, ja sogar Ex-Hausangestellte.
Aus der Ausbeute seiner akribischen Recherche machte Tom Volf erst ein Buch, dann noch eins und noch eins, dann eine Ausstellung, dann ein Musikalbum und schließlich den Dokumentarfilm Maria by
Callas.
Bei so einer Vorgeschichte kann einem etwas mulmig werden. Handelt es sich bei Volfs Begeisterung noch um eine Leidenschaft, die den Zuschauer anstecken könnte? Oder schon um eine pathologische Obsession? Ein abschreckendes Beispiel für einen Fan, der Abstand und Maß für sein Idol verloren hat?
Nichts von alldem. Maria by Callas ist ein großartiger, sehenswerter Film geworden. Und das, obwohl es schon regalmeterweise Artikel, Dramen, Bücher und Dokus über Maria Callas gab. Bevor Tom Volf von seiner obsessiven Sammelwut überwältigt wurde. Tatsächlich ist es ihm gelungen, Interviews, Bild- und Tonmaterial zu finden, das bisher noch nicht veröffentlicht wurde.
Maria Callas' Aufstieg zur erfolgreichsten Sopranistin des 20. Jahrhunderts, ihr ambivalenter Ruf zwischen zickiger Diva und kompromissloser Künstlerin, die tragische Beziehung mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis: Jeder Aspekt ihres kurzen Lebens – sie starb mit 53 Jahren – wird ausgeleuchtet und bewahrt auf wundervolle Weise dennoch sein Geheimnis.
Wer es liebt, Maria Callas zu hören, kommt bei zehn komplett ausgesungenen Arien überdies auf seine
Kosten.
Nach diesem Film wünscht man sich nicht nur, dass mehr Dokumentarfilmer und Biographen mit so viel Kenntnis und Fingerspitzengefühl zu Werke gehen. Man hofft, dass Tom Volf bald wieder für etwas Feuer fängt und aus seiner Leidenschaft ein Projekt macht. Egal ob ein Buch, eine Ausstellung, einen Bildband oder eine Dokumentation.