USA 2019 · 102 min. · FSK: ab 0 Regie: Nick Broomfield Drehbuch: Nick Broomfield Kamera: Barney Broomfield Schnitt: Marc Hoeferlin |
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Junge Liebe: Ihlen und Cohen in den 60ern |
Einer der größten Singer/Songwriter steht auf der Bühne des Isle of Wight-Festivals, das Publikum jubelt, und er hat nur eine Frage: »Is Marianne here? I hope she’s here« Den vor drei Jahren verstorbenen Leonard Cohen muss man nicht vorstellen. Seine Muse und Geliebte Marianne Ihlen dürfte aber weniger bekannt sein. Dabei ist sie die Inspiration hinter Songs wie »Hey, That’s No Way to Say Goodbye« und – wer hätte es gedacht? – »So Long, Marianne«.
Nick Broomfield widmete mit Marianne & Leonard: Words of Love diesem Paar einen Film, der mehr ist, als eine gewöhnliche Rockumentary. Um die ungewöhnliche Liebesgeschichte zu erzählen, stützt er sich auf Archivmaterial, größtenteils zum ersten Mal zu sehen. Der Film wird so ein direkter Einblick in deren Leben. Interviews und Off-Kommentare von Weggefährten dienen als hilfreiche Ergänzung, um das Innenlebens des Musikers und seiner Muse zu verstehen. Es wird schnell klar, dass Broomfield ein emotionaler Zugang wichtiger war, als bloß ein musikhistorischer.
In den Sechzigern begegneten sie sich auf der griechischen Insel Hydra, damals ein Paradies für Künstler und Inspirationssuchende. Marianne und ihr Sohn wollten zu dieser Zeit vor allem Abstand von ihrem Exmann. Cohen suchte nach etwas, das er nur schwer finden konnte. Bei seinen Freunden galt er als melancholisch und beziehungsunfähig. Bei Marianne bekam er dann zum ersten Mal geistigen und seelischen Halt.
Ironischerweise beginnt die Trennung von seiner Muse schon mit der Musikkarriere. Cohen reiste in die USA und absolvierte die ersten, von starkem Lampenfieber geprägten Live-Auftritte. Mit seinem ersten Album »Songs of Leonard Cohen« machte er sich zur festen Größe in der amerikansichen Folk-Szene. Hier bekommt das Publikum auch Einblicke in sein Leben, die eigentlich gar nicht zum Image des ernsten, düsteren Troubadours passen. War doch seine Musik stark von LSD und anderen psychedelischen Drogen geprägt, die für sehr obskure Momente sorgten. So sieht man ihn Konzert verlassen, um sich zu rasieren. Solche Szenen und Geschichten haben natürlich durchaus ihren Witz, verkommen aber zum Glück nicht zur Nostalgie-Stunde über die ach-so-wilden Sechziger. Als sich dann die Schattenzeigen der sexuellen Revolution und der toxischen Bewusstseinserweiterung zeigen, fällt er wieder in Depression und Heimatlosigkeit.
Währenddessen lebt Marianne weiterhin auf Hydra, das sich ebenfalls langsam zu verändert beginnt. Beiden fehlt der andere, doch sind ihre Leben in der Zwischenzeit zu verschieden. Natürlich konzentriert sich Broomfield zum Großteil auf die Karriere Cohens, anders hätte er auch keine zwei Stunden füllen können. Da aber trotzdem alles unter dem Stern ihrer Beziehung steht, wird der Film nicht zur bloßen Biografie. Es wird immer deutlicher, dass Leonard Cohen Zeit seines Lebens ein Suchender blieb, pendelnd zwischen Poesie und Exzess.
Ab und an kommt einem doch der Verdacht, dass Marianne & Leonard: Words of Love doch nicht so viel über beide zu erzählen hat – eben weil es nicht allzu viel zu erzählen gibt. Unterm Strich ist die Zeit auf Hydra nur eine kleine Episode in Cohens Leben. Und ist es wirklich die wahre große Liebe zu Marianne, die über all die Jahrzehnte in seinem Herzen umging? Vielleicht wäre das schon zu übertrieben. Seinen Frieden fand er schließlich auch von selbst, als er sich in ein buddhistisches Kloster in Los Angeles zurückzog. Jahre später feierte er ein erfolgreiches Comeback. Ja, vielleicht ist hier alles ein wenig auf die Verbindung der beiden einsamen Seelen zurechtgebogen. Aus dieser Sicht sollte man Broomfields Dokumentarfilm nicht vorschnell als die vollkommene Wahrheit betrachten. Sehenswert ist er aber allemal, da dieser Aspekt Raum für Spekulation und eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Künstler und seiner Muse lässt. Außerdem ist es selten, dass Musiker-Dokus so emotional ansprechend gemacht sind, dass mehr als der Fan-Nerv gereizt wird. Für den wäre es jedoch ganz gut gewesen, wenn man dann und wann länger bei den Konzertausschnitten geblieben wäre. Aber so oder so geht der erste Gang nach dem Kinobesuch zum Plattenregal. Denn so gelungen der Film über die größsten Strecken auch ist, Cohen entfaltet sich am besten durch den Gehörgang.