Deutschland 2013 · 77 min. · FSK: ab 0 Regie: Isabell Šuba Drehbuch: Isabell Šuba, Lisa Glock Kamera: Johannes Louis Darsteller: Anne Haug, Matthias Weidenhöfer, Eva Bay, Katharina Kowalewski, Elmira Rafizadeh u.a. |
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Machen Sie sich frei! |
Im Jahre 2012 erfüllt sich für die Jungregisseurin Isabell Šuba unverhofft der Traum vieler Nachwuchsfilmemacher: Ihr Dokumentarfilm Chica XX Mujer über den Schönheitswahn junger Frauen in Venezuela wird zum Filmfestival in Cannes in die Kurzfilmreihe »Next Generation« eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Regisseurin jedoch der endlosen Partys und des Networkings überdrüssig. Zudem ist Šuba darüber entsetzt, dass im offiziellen Wettbewerbsprogramm kein einziger Film von einer Frau zu finden ist.
Šuba gibt ihre Identität an die Schauspielerin Anne Haug ab, welche für sie sämtliche offiziellen Termine übernimmt. Dabei wird Haug begleitet von einem Produzenten namens David Wendlandt, der in seinem wahren Leben Šubas tatsächlicher Produzent Matthias Weidenhöfer ist. Šuba selbst filmt dieses Paar mit einer Handkamera. Um hierbei auch in sensible Bereiche wie auf den roten Teppich oder in die Filmführungen zu gelangen, akkreditierte sich Šuba wiederum als die Filmstudentin Anne Woelky. Somit spielt Šubas realer Produzent sich – unter falschen Namen – selbst, während die Filmemacherin die Schauspielerin Anne Haug pitchte, dass jene sie »als typische neurotische Jungregisseurin« darzustellen habe.
Diese wagemutige Konstruktion ist der Ausgangspunkt für eine bissige Mockumentary, in der die beiden Hauptdarsteller für zwei konträre Positionen stehen, welche bereits der Filmtitel Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste andeutet: Šubas Produzent erscheint als fauler und planloser Macho, die Filmemacherin als zickige lesbische Emanzipationskämpferin. Für sie ist ihr Produzent eine »einziger großer Penis«, während jener sich fragt wie das mit zwei Frauen überhaupt gehe – »so Dose an Dose, oder wie?«
Der Film bezieht einen großen Teil seines Reizes aus der Darstellung der aufreibenden Grabenkämpfe dieser weitestgehend disfunktionalen Geschäftspartnerschaft. Nur mit größer Mühe gelingt es den beiden sich halbwegs zusammenzureißen, wenn sie gemeinsam einen wichtigen Interview- oder Networking-Termin wahrnehmen. Teilweise explodieren die beiden selbst bei diesen für ihre berufliche Zukunft entscheidenden Geschäftsterminen.
Aber dies ist nur der (halb-)fiktionale Teil von Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste. Wirklich interessant – und oft auch gruselig – wird es hingegen immer dann, wenn das Paar auf ganz reale Cannes-Besucher trifft. Da ist der gefeierte Regisseur, der sich mitten im strengsten Rauchverbot lässig eine Kippe ansteckt. Da gibt es die trotz offensichtlicher Schönheitsoperationen bereits stark verwelkte Dame, die auf ihrem T-Shirt Werbung für ihre Website macht. Da ist der junge Filmemacher aus Deutschland, der auf einer Party davon schwadroniert, dass man es im Leben einfach wie die Hummel machen müsse. »Die weiß nichts davon, dass sie nicht fliegen kann und macht es deshalb einfach.«
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste betreibt keine systematische Untersuchung. Der Filmtitel dient eher als ein Aufreißer. Über ihren inszenierten Kleinkrieg mit ihrem Produzenten hinaus, liefert Šubas Film keinen tieferen Einblick in die von ihr angeprangerte testosterongeprägte Machowelt der Filmindustrie. Dafür zeigt die Mockumentary jedoch, dass sich hinter der schönen, heilen Glitzerfassade des größten Filmfestivals der Welt wahre Abgründe auftun und entlarvt dessen schönen Schein als eine gnadenlose Oberflächlichkeit. Jene zeigt sich auch darin, dass während des gesamten Drehs niemand hinter die wahren Identitäten des Duos gekommen ist.
In Isabell Šubas Mockumentary entblößt der große Jahrmarkt der Eitelkeiten – welcher das Filmfestival in Cannes auch ist – feist grinsend seine falschen Zähne.
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste – das ist schon mal ein sehr guter Filmtitel. Wie dieser Titel funktioniert der ganze Film mit einem Widerspruch: Er kritisiert etwas, von dem er doch profitiert, und ohne das es ihn gar nicht gäbe.
Die Vorgeschichte: Im Jahr 2012 wurde die Jungregisseurin Isabell Šuba mit ihrem Kurzfilm nach Cannes eingeladen. Doch sie spielte nicht mit. Sie ließ die Schauspielerin Anne Haug ihre Identität und alle ihre offiziellen Termine übernehmen und begleitete sie bei ihrem Auftritt auf dem größten und wichtigsten Filmfestival der Welt. Daraus entstand dieser fiktive, improvisierte Spielfilm voller kleiner Geschichten und großer Klischees. Cannes wie man sich das so vorstellt: Ein Apartment, das sich Regisseurin und ein ehrgeiziger Produzent teilen, in dem noch zusätzliche Gäste unterkommen. Die scheinbare Traumwelt entpuppt sich sehr vorhersehbar als wenig traumhaft. Überall ist es eng und voll, außerdem laut, teuer und dreckig. Da wo man hin will, kommt man nie hin. Keiner hat auf die Deutsche gewartet. Und dann noch die Kleidungsregeln – kleines Schwarzes und Pfennigabsätze. Sie machen das Leben auch nicht leichter.
Isabel Šubas Film ist ein merkwürdiges Werk: Ein Film, in dem eine Filmemacherin beim Festival in Cannes spontan einen Film über das Festival gedreht hat – ein gefährliches Unterfangen, dem man nicht deshalb schon alles verzeiht, weil es sehr anarchistisch ist: Improvisiert, immer anregend, eine »Mockumentary« auf der Grenze zwischen Entlarvung, Satire, Verklemmtheit und dem Versuch, aus der eigenen Not eine Tugend zu machen.
Am Anfang bekommt man erstmal einen Schreck, weil man viele Minuten lang Leuten zusieht, die betont schlecht aussehen und sich schlecht benehmen, einander zum Teil nur anschreien. »Lustig, lustig« signalisiert dabei die Musik. Schon nach fünf Minuten steht das Kamerateam dann auf dem Roten Teppich und man sieht Agnès Varda, ohne dass der Film irgendetwas Besonderes aus dieser besonderen, für einen Dokumentarfilmer glücklichen Situation macht – den Mut hatte Šuba dann doch nicht. Als ob die Filmemacherin gar nicht wusste, wer das ist. Was sie natürlich wusste.
So sieht das Publikum einen Film, der in jedem Sinn sehr sehr deutsch ist, und insbesondere deshalb interessant, weil er unbewusst vor allem von dem Problemfeld »Die Deutschen und die Filmwelt« erzählt, und allen Komplexen, die das deutsche Kino gegenüber Cannes immer noch hat. Und von den Komplexen eines Neulings gegenüber den Filmwelt: So reitet der Film endlos auf dem ewigen Klischee von den »Oberflächlichkeiten« des Kinobetriebs herum.
Am besten funktioniert der Film aber dennoch als ungelenke Hommage an das »Mekka des Kinos«: Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste macht sich über den Glamour von Cannes lustig und zehrt doch von ihm. Man lernt immerhin: Um auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten bestehen zu können, braucht man harte Arbeit und viel Selbstverleugnung. Aber wahr ist auch: »Cannes ist doof« sagt sich schnell. Aber am Ende wollen trotzdem alle hin. Warum wohl?