Frankreich 1996 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Patrice Leconte Drehbuch: Remi Waterhouse Kamera: Thierry Arbogast Darsteller: Fanny Ardant, Charles Berling, Bernard Giraudeau, Judith Godrèche u.a. |
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Hoftheater |
Frankreich im Jahrzehnt vor der Revolution. Der verarmte Landadelige Ponceludon de Malavoy (Charles Berling) macht sich auf den Weg nach Versailles, um dort die königliche Bewilligung und Finanzierung für die Trockenlegung seiner versumpften Ländereien zu erlangen, wodurch er seine Bauern vor den Fieberplagen retten will. Er antechambriert tagelang, ohne Hoffnung, einen Hofbeamten zu finden, der bereit ist, sich für sein Vorhaben einzusetzen. Doch durch die zufällige Freundschaft zu dem Arzt Marquis de Bellegarde (Jean Rochefort) macht Ponceludon die Entdeckung, daß er über eine Gabe verfügt, die in der Hofgesellschaft die höchste Währung darstellt: bel esprit, die Fähigkeit, im richtigen Moment das richtige Bonmot auf den Lippen zu haben und seine Konkurrenten aus dem Stegreif durch geistreiche Beleidigungen zu entwaffnen. Ponceludon sieht seine Chance, die Aufmerksamkeit des Königs zu erlangen. Wenn es ihm nur gelingt, in der Liebe zwischen der einflußreichen Madame de Blayac (Fanny Ardant) und Mathilde, der bezaubernden und willensstarken Tochter Bellegardes (Judith Godrèche) zu wählen. Und wenn er es verhindern kann, in den Wortduellen zu Hofe die unterlegene Partei zu sein und sich dem gesellschaftlichen Todesurteil auszusetzen: der Lächerlichkeit, der ridicule.
Patrice Leconte wagt sich nach Filmen wie Die Spezialisten, Die Verlobung des Monsieur Hire und Der Mann der Friseuse mit seinem neuesten Werk in ein fremdes Jahrhundert. Dabei gelingt es ihm hervorragend, alle Vorteile des Genres 'Kostümfilm' zu nutzen, ohne in die übliche Fallen zu tappen, die dort lauern. Ridicule bietet alles, was zu einem richtigen Kostümfilm dazugehört:
Intrigen,
pralle Dekolletés, Ballszenen, prächtige Ausstattung, strenger Rhythmus und gekonntes Spiel mit der Diskrepanz zwischen kühler Fassade und tiefbewegtem Innenleben. Da dem Film von vorneherein die Unmöglichkeit historischer Authentizität bewußt ist, gibt er sich in seinem Umgang mit Geschichte gemäßigt postmodern. Freie Erfindungen sind ihm willkommen, wo immer sie der Dramaturgie dienen, doch er bleibt dabei im Bereich des noch Plausiblen.
Und Ridicule gelingt es, eine überzeugende Liebesgeschichte zu integrieren, ohne seine bissige Grundhaltung zu verraten – was uns eine der schönsten Beinahe-Verführungsszenen der Saison beschert. Nur soviel sei verraten: Charles Berling, Judith Godrèche und ein Rock voller Blütenpollen.
Das Ensemble ist allgemein über jeden Tadel erhaben. Jean Rochefort strahlt distinguierte Menschlichkeit aus, Fanny Ardant ist so gut wie immer, und Judith Godrèche gelingt es,
durch ihren Charme eine Rolle mit Leben zu erfüllen, die sonst in Gefahr stünde, allzu konstruiert zu wirken.
Die anachronistische faux-Barock Musik von Antoine Duhamel ergänzt schließlich die Atmosphäre aufs Treffendste, so daß Ridicule Kostümfilm im besten Sinne des Wortes ist- ein faszinierender Blick in eine Welt fremder Rituale.
Daß ein so dialoglastiger und mit Wortwitz gespickter Film wie Ridicule nicht so ohne weiteres zu synchronisieren ist, liegt auf der Hand. Erstaunlicherweise war das einem deutschen Verleih aber einmal nicht gleichgültig. Wundersamerweise hat man sich ernstlich bemüht, den Film durch die deutsche Fassung nicht zu ruinieren und einen erstaunlichen Coup gelandet: für die Erstellung des Synchrondrehbuchs wurde kein Geringerer verpflichtet als Hans Magnus Enzensberger. Ob deutsche Sprecher und Synchronregie dem gerecht werden, konnte ich noch nicht überprüfen, aber ich meine, daß in diesem Fall berechtigter Grund zur Hoffnung besteht.
In der französischen Fassung ist Ridicule jedenfalls schon jetzt der schönste, hinterhältigste und intelligenteste Kostümfilm seit Stephen Frears Dangerous Liaisons.