Zum Künstler
Der für die Gestaltung auserwählte Maler Prof. Franz Ackermann ist
kein unbeschriebenes Blatt. Anfangs an der Münchner und Hamburger Kunstakademie
Studierender, doziert er mittlerweilen als Professor am ZKM in Karlsruhe.
Nennenswert sind die vielen internationalen Ausstellungen, die seine bisherige
künstlerische Laufbahn säumen (Die Darstellung, der im Folgenden referierten
Zusammenhänge, folgt den Angaben unter quivid. de/news/seiten/einzelwerke).
Und hierbei verrät seine Biographie, dass er individuell gestaltete "expansive
Bildwelten und raumgreifende Installationen" erschuf. Dahinter liegen
seine Absichten, menschliche Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen, um dabei
in einer sozialkritischen Analyse feststellen zu können, inwieweit diese
durch Werbung und Kulturindustrie beeinflusst werden. Insbesondere in
Bezug auf den Tourismus, der die gewinnträchtigste Branche der westlichen
Welt ist, zeigt Ackermann eine Entindividualisierung fremdländischer Kulturen,
deren Vermischung durch die Globalisierung ausgelöst wurde. Ohne Worte-allein
durch die Aussagekraft der Bilder-vermittelt Ackermann dem Besucher unterschiedliche
Stimmungseindrücke. Ackermann präsentiert in seinem Schaffen als Maler
eine architektur- und kulturreiche Assemblage aus verschiedensten - sei
es aus fotografierten oder auch selbstgemalten - Bild- und gedruckten
Farbtafeln. Die Anordnung des nun zu behandelnden U-Bahnhofes wurde vom
Künstler Die große Reise genannt. Mit dieser Themenwahl vermag es jener
U-Bahnhof, zu einer Reise einzuladen.
Beschreibung
Der Georg-Brauchle-Ring ist nicht nur namentlich der sechsspurigen
Straße im Münchner Norden zuzuordnen, sondern seit Kurzem auch bedeutsam
für die derzeitige Endstation der Linie U1, die das Streckennetz über
den Rotkreuzplatz bis nach Moosach verbindet und im Laufe diesen Jahres
2004 noch eine Verlängerung bis zum Olympia-Einkaufszentrum erfährt. Mitunter
die wirtschaftliche Nutzungslage durch überirdische Büro- und Verwaltungsbauten
am Georg-Brauchle-Ring nebst Petuelpark begründet das beabsichtigt Augenfänglich-Attraktive
des Werkes. Beschreibung Einen ersten Eindruck gewinnt der Betrachter
beim Einfahren der U-Bahn in die Station, die einen hell erleuchteten,
riesigen U-Bahnhof mit bunten, monochromen Edelstahlwellblechen mit Digitaldruck
und Bildtafeln aus pulverbeschichteten Edelstahlpatten, jeweils mit einer
Grösse von 120 x 7,50 m, preisgibt. Acht Fest- und ebensoviele Fahrtreppen
führen zur Bahnsteighalle, die im südlichen Bereich als Fußgängerunterführung
dient. Nebst drei Aufzügen wurden für Sehbehinderte und Blinde nach neuestem
Standard Bodenindikatoren in den steinernen Grund integriert, die sicher
zur Schalterhalle leiten. Wie im Pressetext der Eröffnungsfeier nachzulesen
ist, brilliert dieser U-Bahnbau mit einer modernen, ökonomischen Bauweise,
der sogenannten Schlitzwand-Deckel-Bauweise. Dies ist sich bildlich so
vorzustellen, dass zwei, aus einem Guss angefertigte Betonplatten seitlich
in die Baugrube eingelassen werden, auf die eine Betonplatte als Decke
und als stabiler, oberer Abschluss befestigt wird. So erlaubt diese neuartige
Technik es auch, dass ein räumlich großer Innenraum geschaffen wird, der
nicht mehr durch Säulen oder ähnlich tragende Elemente durchbrochen werden
muss. Weiterhin wurden Leuchten in die abgehängten Decken und Wandverkleidungen
integriert.
Ein Farbenmeer und ein Luftwall als Gemisch aus frischem Beton und den
mit dem von der Fassade abgesonderten Geruch von Fabrikneuem offenbart
sich dem Passanten mit dem Öffnen der Türen. Erste Orientierungshilfen
sind die links und rechts gelegenen Rolltreppen, deren Seitenwände mit
lichtdurchfluteten Milchgläsern ausgestattet sind. Am, zu den Ausgängen
führenden, oberen Absatz der Rolltreppen überzeugen Stahlhalterungen mit
ihren Glasfassaden, die den U-Bahnraum wesentlich grösser erscheinen lassen.
Von oben erstreckt sich der U-Bahnhof dem Passanten wie ein tiefergelegter
Bühnenraum, wenn er sich dem unterirdischen Bahnhof vom Parterre nähert.
Vorab zu nennen sind die, über die gesamten Wandseiten verteilten, in
grau gehaltenen Platten zu den im Gegensatz dazu bunten, gemalten Tafeln.
Und dazwischen sind in einer scheinbar willkürlich angelegten Ordnung
monochrome Farbtafeln angebracht, die zwischen den Bildtafeln erscheinen.
Mal hier, mal da taucht eine schwarze, weiße, eine in einer Grundfarbe
gehaltene oder auch jeweils in deren Nuancierungen gefärbte Platte auf.
Diese folgen in ihrem wechselnden Farbenspiel nicht immer einem bestimmten
Rhythmus, sondern ihr Macher, Prof. Ackermann, erlaubt sich, auch zwei
schwarze Platten nebeneinander auftreten zu lassen. Dagegen die Anordnung
der sich wiederholenden schwarzen Platten mit dem U-Bahn-Namen folgt keinem
Prinzip, verständlich, da es für die Station eine grundlegende Ausstattung
ist.
Die Reihe beginnt mit einer Abbildung eines Segelschiffes mit all seinen
gehissten und im Wind aufgeblähten Segeln, das mit starkem Rückenwind
zu einer Fahrt durch den U-Bahnhof einlädt, gefolgt von einer abstrakten
Farbgestaltung des Malers. Er zeigt uns ellipsenartige, parallel zueinander
verlaufende Farbenlinien in einer verformten und fließenden Art, die in
ihrem Kern einen Blick in eine futuristisch-architektonisch angelegte
Bautenwelt freigeben. Die nächsten Platten zeigen unterschiedlichste architektonische
Meisterwerke aus verschiedensten Ecken der Länder. So prangen amerikanische
Bauweisen auf einer grau-getünchten Tafel, die eine Bucht zeigen, in die
sich Wolkenkratzer und Hochhäuser zusammengestaffelt eingenistet haben.
Das weltbekannte Opernhaus in Sydney ist zu erkennen, das einen Platz
an der rechten, in der Nähe des auf dem Bahnsteig mittig gelegenen Fahrstuhl,
bekam. Und daneben reihen sich Ausrisse aus einer Landkarte, die zur Weiterführung
des Betrachterblickes über asiatische Bauweisen zu Inkatempeln dienen.
Aus einer Abbildung lässt sich eine romanisch-italienische Kirche aus
der Untersicht betrachtend und zu ihr aufschauend erschließen, vor der
sich am unteren Bildrand als Wegabschirmungen weiße Stellplatten emporhangeln.
Zu all diesen öffentlich zugänglichen Räumen gehören auch Brunnenbauten
mit ihren individuellen Plastiken. Weitergehend findet sich ein Bild von
ghettoähnlichen Fassaden, bei der sich jeder Balkon in einer einheitlichen,
unüberblickbaren Masse vermischt. Eine jeweils von ihrer Nationalität
geprägten Hausfassade neben der anderen blitzt in mehreren abbildhaften
Platten auf, bemerkenswert eine Fassade, deren Fenster und Balkons aus
Tondoformen besteht. Erstaunen beim Weiterwandern kann ein, aus dem Boden
sprießender, organisch aussehender Bau auslösen, dessen wellenartige Bedachung
zwei links und rechts gelegenen Häuschen Schatten spendet.
Persönliche Beobachtungen
Auf dem Gleis beginn die Reise durch des Künstlers Auge. Im Allgemeinen
könnte ich die Thematik mit der Bezeichnung "zeitgenössische und altertümliche
Architektur in öffentlichen Räumen der verschiedensten Kulturen" umreissen.
Über allen-sei es bei den irrealen oder fotografierten-Motiven liegt ein
Schleier der Unkenntlichkeit, hervorgerufen durch ein Heramzoomen an Objekte
wie es bei den übergroß auf dem Boden stehenden Glockenkörpern der Fall
ist, die durch das Anrisshafte nur schemenhaft auszumachen sind. Dazu
wurden ebenso beruhigende Momente aus der Natur festgehalten, wie auch
hektische aus einer künstlich Erschaffenen. Da sehe ich ein Felsmassiv,
das sich in weiten Ringen flach zu seiner Mitte hin abschält, auf natürlichste
Weise entstanden durch Errusion. Daneben setzt Ackermann einen alltäglichen
Ausschnitt einer bevölkerten Stadt mit ihren künstlichen, aber auch teilweise
kunstvoll gestalteten Häusern, die unterschiedlich hoch in den Himmel
greifen. Dann wiederum mischt sich eine Natur unter die Abfolge der Architekurbautafeln,
die eine mythisch angehauchte Stimmung in sich birgt. Darauf erkenne ich
Ahnen einer Kultur, aus einem Felsgestein gemeisselt, die aber in ihrer
felsigen Umgebung eingebettet bleiben.
Auffällig sind die Perspektivenwechsel. Mal von unten an einem prächtigen
Gebäude oder in eine Glaskuppel hinaufblickend, mal aus der Vogelperspektive
auf eine überbevölkerte und an moderner Architektur überfüllte Stadt herunterschauend,
die nur durch eine wie in einem Brennglas verkleinerte Sicht einen Überblick
zulässt.
So wie bei jeder Reise, greift Ackermann auch hier verschiedenste Eindrücke
auf. Er zeigt globale und lokale Plätze, die in ihrem Inhalt wesentliche
Unterschiede präsentieren und dadurch ein expressives Bild verkörpern.
Aber Wiederholungen der Digitaldruckmotive-in allen erdenklichen Variationen-schließen
sich nicht aus, will man dabei an teilweise gleiche euopäische Realbauweisen
denken, an der uns Ackermann in seiner fiktiven Reise auch teilhaben lässt.
Und dazwischen präsentiert er uns immer wieder eigens gemalte, bunte Entwürfe
aus seiner Welt, in der sich bekannte architektonische Elemente verzerrt
widerspiegeln und bunt und schreiend zwischen die in grau gestaltenden
Bilder plaziert sind, wie beispielsweise ein vulkanartiges Gebilde, das
sich mit zackigem Rand in die Mitte des Bildes bohrt. In dessen Inneren
ist ob jeder Erwartung keine lodernde Glut, sondern Schutt, der das natürliche
Gebilde als eine Baugrube identifizieren lässt. Diese zuvor erlittene
Irreführung mittels leichter Unkenntlichmachung ruft ein moderner, sich
ans Graffiti anlehnender Zeichenstil hervor.
Bei meiner eigenen Reise durch diese unterirdische Ausstellung sind mir
bestimmte Reaktionen der Passanten aufgefallen. So durfte ich miterleben,
wie sich ein Besucher auf dem Treppenabsatz der fahrenden Rolltreppe umdrehte,
um die Atmosphäre des U-Bahn-Innenraumes begeisterten und interessierten
Blickes, sich rücklings aufwärts bewegend, bestaunen zu können. Das beweist
eine große Anziehungskraft des Kunstwerkes auf das Publikum.
So ist es sicher nicht falsch, zu sagen, dass solche U-Bahn-Kunst ein
"Anfang einer neuen Generation von U-Bahnhöfen ist, bei der die aktuelle
Kusnt eine prägende Rolle spielen wird", wie es die Internetseite des
Baureferates zu berichten weiss. Vor allem bei den kürzlich bzw. seit
2000 (damalige Ausschreibung der Künstlerkommission des Baureferats zu
drei neuen U-Bahnhöfen im Norden Münchens) errichteten Stationen wirkt
ein unverwechselbarer Wiedererkennungswert mit. Die U-Bahnstation Georg-Brauchle-Ring
ist dabei für mich eine akzentsetzende Neuerung im Bau des Münchner Bauuntergrundes
und ich möchte behaupten, dass dieser zu Recht von der Zeitschrift des
MVV "contakt" zu einem der schönsten Bahnhöfe Münchens gewählt worden
ist (contakt, 4/2003).
Diana Fleischer
Abbildungen: QUIVID
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