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© Abigail O'Brien , Memento 3

304 27|01|2004
besprechung
"die 7 sakramente" von abigail o'brian
eine ausstellung im
haus der kunst

bis 12. April 2004

Die Werkschau von Abigail O'Brian, die derzeit im Haus der Kunst gezeigt wird, ist keine leichte Ausstellung: kühle Fotografien stehen reduzierten Installationsobjekten gegenüber, bedeutungsschwangere Objekte werden mit bedeutungsschwerer christlicher Ikonographie kombiniert.
In sechs Installationen, meist dominiert durch großformatige Hochglanzfotografien im Stil zeitgenössischer Werbeästhetik, hat sich die irische Künstlerin Abigail O'Brian (* 1957) den kirchlichen Ritualen der sieben Sakramente angenommen.
Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Letzte Ölung, Priesterweihe und Ehe hat die Künstlerin in zeitgenössischen Ansichten festgehalten, ohne die Sakramente eins zu eins auf die heutige Zeit übertragen zu wollen. Das erste Bild der Serie, "The Last Supper" entstand bereits 1995 und gab laut Kuratorin Stephanie Rosenthal den Ausschlag, Abigail O'Brian mit der ganzen Serie im Haus der Kunst zu zeigen - obwohl O'Brian damals noch nicht wusste, wie lang sie an der Serie arbeiten würde. Tatsächlich datiert das letzte Sakrament, "Martha's Coth - Confirmation", erst aus dem Jahr 2004, sodass sowohl Künstlerin als auch Kuratorin langen Atem bewiesen.
Die meisten (Foto)Bilder der Serie zeigen kühle und steril wirkende Alltagsszenen, die gerade in der Diskrepanz zwischen banaler Alltäglichkeit und künstlicher Distanziertheit den Blick des Betrachters verwirren. Während man zunächst versucht ist, in den Bildern schnell eine Auflösung zu suchen, derart, dass man eine direkte Umsetzung des kirchlichen Geschehens in den (weiblichen) Alltag vermutet, merkt man bald, dass die Bilder diese Art von Zugang verweigern.

   
alltag und kirche
heute
Abb. © Abigail O'Brien , Baptism

Die Arbeit "Baptism" mag auf dem Weg der Umsetzung eines kirchlichen Themas noch relativ einfach zu erschließen sein - ein Fototriptychon zeigt eine junge Frau mit einem Säugling in der Wanne, wobei die Wanne auch Teil der Installation ist -, aber spätestens "Garden Heaven - Holy Orders" (2001-2003) oder "Martha's Cloth - Confirmation" verweisen auf eine komplizierte Ikonographie, die gerade für den Nichtkirchgänger schwer zu erschließen ist (wenn sie nicht bisweilen sogar unverständlich bleibt.)
"Garden Heaven - Holy Orders" steht beispielsweise für das Sakrament der Priesterweihe, erzählt aber in erster Linie von der Natur. Vier Fotografien zeigen zurechtgestutzte Bäume, denen jede Natürlichkeit abhanden gekommen ist, während drei weitere Bilder die Entwurzelung junger Bäume zeigen, die woanders zu neuem Leben erblühen sollen. Eine Stickarbeit ("Knot"), 12 versilberte Bonsai-Skulpturen und zwei Bilder einer Gärtnerin runden die Installation ab. Damit ist ein Interpretationsspektrum gegeben, das ebenso sehr viel wie auch sehr wenig aussagen kann. Stehen die beschnittenen Bäume für die beschnittenen Rechte junger Seminaristen? Lassen sich die Triebe der Bäume, die offenbar schwer zu stutzen sind, mit den männlichen Trieben (womöglich denjenigen der Priester) vergleichen? Und wofür steht die Gärtnerin? für die liebevolle Pflege der Kinder Gottes oder für das gewaltsame Zurechtbiegen der Natur? Vermutlich will die Künstlerin mit ihren Arbeiten gar keine klaren Antworten auf diese Fragen geben, aber dennoch werfen die verrätselten Bilder genau diese Fragen auf - zumindest so lange sie unter dem Titel der "Sieben Sakramente" zusammengehalten sind.

   

und früher

Abb. Haus der Kunst, Quiringh Gerritsz. van Brekelenkam , ca. 1661

Darin mag auch die Schwere der Ausstellung liegen, in der ein relativ fremdes Thema (zumindest im zeitgenössischen Deutschland) mit der Profanität des Alltags gepaart wird. In den einfachen Alltagsdarstellungen sucht man nach einem Sinn, der möglicherweise gar nicht vorhanden ist, sodass das lustvolle Interpretieren mitunter mit einem durchzugehen droht. Hilfreich hierbei kann höchstens der Katalog sein (19,- i.d. Ausstellung), der einige "Leseanweisungen" liefert, die den Bogen spannen zwischen christlicher und profaner Thematik, zwischen Alltag und Kirche.

Ergänzt wird die Ausstellung durch einige niederländische Genrestücke des 17. Jahrhunderts. Auch in diesen Bildern geht es um den weiblichen Alltag, der anders als bei Abigail O'Brian aus dem christlichen Kontext losgelöst, und auf die fundamentalen Alltagsverrichtungen reduziert wird.

christine walter


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