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besprechung "die zwei moskaus" erschien nie
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"Es sieht so aus, als könne nur der Fotoapparat das moderne Leben abbilden," schrieb der Künstler und Fotograf Alexander Rodtschenko 1928 in "Wege der zeitgenössischen Fotografie". Zwar bezog er damit Opposition gegenüber den klassischen Gattungen der Graphik und der Malerei. Aber die Moderne ins Bild zu bringen, muß man vor dem Hintergrund des Stalinismus auch programmatisch verstehen. | |
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1929 errang Stalin die Alleinherrschaft über
Partei und Staat. Der so genannte Erste Fünfjahresplan ließ
schon vor seinem Abschluß 1933 Ergebnisse sehen. Moskau wurde
in eine moderne Stadt verwandelt, die dem stetigen Bevölkerungswachstum
Rechnung trug. Die Architektenvereinigung der "Antiurbanisten"
schufen großflächige neue Siedlungsgebiete; die "Urbanisten"
verwandelten die Innenstadt in moderne Appartmenthäuser, Arbeiterclubs
und großzügige Parks. Die Fabriken und Kombinate sorgten
mit Kantinen um das Wohl ihrer Arbeiter. Riesige Theater und Bibliotheken
sorgten für die geistige Speisung der Moskauer. Moskau sollte die
zaristische Vergangenheit zugunsten einer blühenden sozialistischen
Zukunft zum Wohlergehen aller abstreifen. Vor diesem Hintergrund sollte 1933 die Publikation "Zwei Moskaus" den Aufschwung deutlich ins Bild setzten. Das alte Moskau sollte per Karikaturen der Gruppe "Kukrynisky" veranschaulicht werden. Natürlich übertrumpft vom neuen Moskau, vertreten durch Rodtschenkos Fotografien. Das Buchprojekt wurden nie realisiert, doch die 89 dafür vorgesehenen Aufnahmen blieben in der Sammlung L. und G. Tatunz erhalten. Im Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum sind diese jetzt ausgestellt, zusammen mit zeitgenössischen Veröffentlichungen über Moskau sowie in Begleitung des Films "Moskau" (1927) von Michail Kaufman. |
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Kaufman hatte zuvor über das Verhältnis von Fotografie
und Film sinniert und war zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Fotografie
eine "fertige, in sich geschlossene Sache" sei, während
"eine Film-Sache aus einer Reihe von Teilen entsteht". Mit
seinem Film hat er aus der Perspektive eines Automobils einen Arbeitstag
in der Stadt rasant dokumentiert. Rodtschenko oblag es, für dieses
neue Lebensgefühl fotografische Äquivalente zu schaffen. Aufgenommen
mit der kapitalistischen Erfolgskamera Leica, folgte er seiner bisweilen
als antinarrativ bezeichneten Auffassung. Er zog das Fragment und das
Momenthafte der Umsetzung von Zusammenhängen vor. Soll heißen:
Er bot dem Betrachter kein Geschehen, keinen Handlungsansatz, sondern
per formaler Reduktion so enge Ausschnitte, daß die gezeigten
Gegenstände mitunter zeichenhaften Charakter annahmen. Am deutlichsten
wird das, wenn er z.B. vom neu erbauten "Ginsburg"-Gebäude
Heizungsrohre fotografierte, oder von der Fabrikküche nur das Schild
"Speisesaal" und zwar aus steiler Untersicht. Dabei wechselte
er ständig zwischen Nachaufnahme und Überblick, zwischen frontaler
und schräger Ansicht. Fast immer ist Bewegung im Bild. Diese wird
transponiert durch Autos, laufende Menschen, durch Motorradfahrer und
Tennisspieler, Jugendliche, die ins Wasser springen oder Treppen hinaufsteigen.
Überhaupt: Immer wieder die Jungen. Ob in Windelalter im Zoo, beim
Ringelreih oder beim Traktorspielen, ob Pioniere, Schüler
oder Studenten - immer sind sie in Bewegung, nur beim Lernen oder Radiohören
findet kurzes Innehalten seinen geeigneten Rahmen. Rodtschenko signalisierte
ganz klar: Der nächsten Generation gehört die Zukunft, sie
wird von den Veränderungen profitieren. Ansonsten wurden Arbeiter
fokussiert, doch sie traten nicht als Porträt, sondern als Typus
hervor. In Aktion an der Maschine und bei Demonstrationen kamen sie
außerdem ins Bild. Alte Menschen und kommunistisch unerwünschte
Schichten wurden ausgeblendet. Dazwischen schwenkte Rodtschenko das Objektiv immer wieder auf die Stadt, bei Tag und Nacht. Ihr Antlitz ist das steingewordene Versprechen der Regierung. Der Fotograf verdeutlichte, was George Bernhard Shaw schon 1931 in Moskau schriftlich festhielt: "Unter unseren Augen verwandelt sich das faule, saufende, schmutzige, abergläubische, sklavische und hoffnungslose Rußland des abscheulichen Zarismus in ein energisches, nüchternes, reines, modernes, intellektuelles, unabhängiges, blühendes, uneigennütziges kommunistisches Land." Lion Feuchtwanger faßte sich sechs Jahre später kürzer: "Moskau wird schön". |
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Margartia Tupitsyn, die Kuratorin der Wanderausstellung, vermutet,
daß das Buch deshalb nicht zustande kam, weil die Karikaturisten
ihren Anteil nicht lieferten. Ab 1932 arbeiteten diese nämlich
für die Prawda. Es steht aber auch an zu vermuten, daß
ein weiterer Grund darin lag, daß Rodtschenko mit seiner Regie
zu nahe an die Film-Sache" geriet. Denn seine Aufnahmen
funktionierten nur in der Zusammenschau mehrerer, wenn nicht gar aller
Fotos gleichzeitig. Nur in der Gesamtheit wurde der euphorische Ton
nachvollziehbar. Und nur dann überträgt sich die Spannung
zwischen Totale und Zoom auf den Betrachter. |
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