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324 14|09|2004
besprechung
amerikanische kunst der 90er

pinakothek der moderne

ausstellungsdauer:
23.07.2004-09.01.2005

www.pinakothek-der-moderne.de

Die zwei zur Verfügung stehenden Ausstellungsräume im EG der Pinakothek der Moderne dienen zur Zeit (und noch bis Anfang Januar 2005) zur Präsentation verschiedener moderner Werke von sechs Künstlern.

Die „Temporär 1“-Ausstellung beinhaltet Bill Violas „Tiny Deaths“ aus dem Jahr 1993, Gary Hills „Remarks on Color“, datiert 1994 und Roni Horns „PI“, 1999. Die sich ebenfalls auf Parterre-Ebene, aber am gegenüberliegenden Ende der Rotunden-Eingangshalle befindende Folgeausstellung „Temporär 2“ zeigt Kreationen dreier individueller Künstler der Gegenwart, darunter Robert Gobers „Untitled Candle“ aus dem Jahr 1991, Mike Kelleys „The Keep“, datiert 1998 und Christopher Wools „Untitled (P-138)“, 1991.

roni horn, „PI“, 1999


Die „Temporär 1“-Ausstellung, die am Absatz des Treppenaufgangs von der Garderobe am nähesten liegt, beginnt mit Roni Horns 45-teiliger Fotoarbeit. Horn weist den Besucher durch auf Augenhöhe steril aufgereihte, spartanisch gerahmte, stark vergrößerte und auf rückenstarker Pappe hinterlegte Fotos bereits im Durchgang in die Ausstellungsreihe ein. Die Fotos geben scheinbar wahllos angelegte Motive wieder, auf denen sich Fernsehausschnitte mit Frauenantlitz sowie ein vegetationsloser, farbloser Landstrich, weiterhin Nahaufnahmen von Vögeln und Kleintieren abwechseln. Tatsächlich hält Horn an vier Wänden ihre Erlebnisse von Island fest, wo sie seit 1975 zeitweise lebt. Auf einer Innenwand des Ausstellungsraumes hängen fotografisch festgehaltene Momente, die einen Ausblick aus einem dunklen Innenraum durch ein Fenster auf einen, mit dem Meer einträchtigen, blauen Himmel zeigen. Farblich gesetzte Akzente wie das Blau wiederholen sich in den folgenden Bildern und lassen eine chromatische Beziehung erkennen, wohingegen die die erstgenannten „Gangbilder“ verhältnismäßig mehr weiße Farbmomente durch Darstellungen wie Federn oder Mardern aufweisen und ihre beabsichtigt-zugehörige Platzierung rechtfertigen.

   

gary hill,
„remarks on color“, 1994



In dieser 1-Kanal-Video-Klang-Installation von Gary Hill ist ein junges Mädchen zentriert in Büstenansicht filmisch festgehalten, wie sie die deutsche Version von Ludwig Wittgensteins „Remarks on Color“ („Bemerkungen über die Farbe“) vorliest. In deutlicher Aussprache, aber auch ebenso deutlicher Bemühung, den Inhalt des sinnschweren Traktats beim Lesen zu erfassen, erlebt der Betrachter die jugendliche Vorlesung. Nach jedem vom Mädchen durch ein Aufblicken zäsierten Abschnitt werden an der rechten oberen Ecke in der sonst schlicht gehaltenen Videopräsentation die Kapitel mitgezählt.

   

bill viola,
„tiny deaths“, 1993

Ein schmaler dunkler Gang führt in eine Dunkelkammer, die unablässig ein Raunen und menschliches Flüstern absondert. Mit der Klanginstallation anfangs alleine gelassen, erscheint allmählich im unregelmäßigen Abstand eine Lichtgestalt, die aber durch ein grelles Aufleuchten schnell unkenntlich wird und sich schließlich in einem verzerrend-gleißenden Licht auflöst. Die kurzen Sterbeakte, die im Titel angesprochen werden, sind im buddhistischen Sinn als Momente reiner Erleuchtung zu verstehen (zitiert nach Pinakotheken-Faltblatt, begleitend zur Ausstellung erschienen), die das Bewusstsein berühren, jedoch nur kurzweilig sind.

   
robert gober,
„cat litter“, 1989

Eine plastische Wiedergabe einer reproduzierten Katzenstreu-Packung lehnt an der Wand. Diese scheinbar uninszenierte Position ist Teil des Werkes Gobers, der darin die Banalität preist. "Cat Litter" ist seinem Original in Größe und Aufdruck nachgeahmt, weist aber an einigen Stellen die künstlerische Handschrift auf, wie am Kassencode oder der Fabrikschrift. Sie spiegelt Gobers Verlangen nach Darstellung von Alltagsgegenständen wider, in ihrer konventionellen Form in diesem Werk, aber auch in individuell interpretierter Form in seinem anderen Werk der „Tissue Box“, 1994-95.

   

der „tissue box“, 1994-95


Die alltäglich gebräuchliche Taschentuchbox wurde auf Sarggröße maximiert und erlangt dadurch einen erschreckend anderen Zweck. Die Entfremdung aus dem häuslichen in einen makaberen Endzeitzusammenhang, verstärkt durch ein quer diese durchbohrendes martialisches Kanalisationsrohr, suggeriert tiefgründigere Absichten des Künstlers.

Ein weiteres aufsehenerregendes Ausstellungsutensil ist Gobers "Untitled candle".

 

 

gobers „untitled candle“, 1991.



Diese konventionell erscheinende Kerze aus Bienenwachs ragt in ihrer "kerzengeraden" Länge statisch in die Höhe. Ihr Halt ist durch eine breite wächserne Standplatte gesichert, auf der schwarze, lange Haare wachsen. Diese Drapierung evoziert einen Vergleich mit organischer Haut und Schamhaaren, was beim Besucher einen Einschnitt in seine Sehgewohnheiten auslöst und eine kurzweilige Verwirrung bis hin zur Beschämung bewirkt.

mike kelley, „the keep“, 1998



Eine Gartenhütte, mühsam zusammengeflickt aus verschiedenen Brettern, steht einsam in der Ecke des Ausstellungsraumes. Nur augenscheinlich. In ihr ist Leben. Ein gewollt mit seinem Guckloch nach außen eingebauter Spion ermöglicht einen Blick ins Innere der Flickhütte, in dem sich vor einer beleuchtenden Milchglaswand auf Regalen Fläschchen und Phiolen mit verschieden farblich gefüllten Substanzen befinden. Möglicherweise ein alchimistisches Experimentierversteck?...

Ebenso zeigt Kelley seine graphische Fantasie in "Liberal puritan, citizen, monument".eral puritan, citizen, monument

„liberal puritan, citizen, monument“, 1991,

in dem er auf ein monumentales, in Weiß gehaltenes Plakat zwei figürliche Abbildungen in schwarzer Tinte projeziert. Der Untertitel „Liberal Puritan, Citizen, Monument“ lässt die anfangs amorphen Darstellungen als zwei aufgeschichtete Exkrementhügel mit umschwirrenden Fliegen identifizieren, die zwei Menschengesichter entblößen. Kelleys Bildbeschriftung weist auf ein politisches Statement hin.

christopher wool, „untitled (P-138)“, 1991



Wools verarbeitet in seinen Bildern einen neuen Interpretationsansatz der modernen Kunst. Er proklamiert an den Betrachter mit diesem Bildlogo auf Aluminium eine lakonisch formulierte Aufforderung: „Cats in Bag“. Ob diese als Wort, Zeichen oder bloßes Bild aufgefasst wird, liegt im Auge des Betrachter. Dass man sich aber einer emotionalen Entscheidung nicht entziehen kann, das ist Intention des Künstlers (zitiert nach Pinakotheken-Faltblatt, begleitend zur Ausstellung erschienen) .

Diana Fleischer


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