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besprechung andreas feininger - photographs 1928 - 1988
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Der Sohn des Malers Lyonel Feininger traf für die Ausstellung
eine Auswahl seiner bedeutendsten Werke. Ein weiterer Höhepunkt
der Ausstellungstournee war die Verleihung des Kulturpreises
1998 der Gesellschaft für Photographie durch Prof. Dr. Karl
Steinorth anläßlich der Eröffnung in München.
Die Gesellschaft ehrte damit Feininger, den Bauhaus-Schüler,
Bildjournalisten und Fotopädagogen, der mit rund 50 allein
in Deutschland erschienenen Fotolehrbüchern und Bildbänden
einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Fotografie
in Deutschland hatte. Photographie etabliert sich immer mehr in der Museums- und Ausstellungskultur, als Sammlungsobjekt hat sie bereits einen hohen Stellenwert erreicht. Dieser Boom zeigt sich in letzter Zeit auch in der Ausstellungslandschaft Münchens. Jedes Museum inszenierte in den vergangenen Monaten eine Präsentation zu diesem Thema. Die Neue Sammlung schließt sich diesem Trend an. Das Haus in München ist einer der Ausstellungsorte der Feininger-Retrospektive; doch alle besitzen einen anderen Schwerpunkt in der Auswahl der Bilder. | |
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München zeigt uns New York. Wenn wir an den Big Apple denken,
sehen wir vor unserem inneren Auge die imposante Skyline, die
steil aufragende Konstruktion der Brooklyn Bridge, die Wolkenkratzer
Manhattans und das Empire State Building. Aber Feininger zeigt
uns noch mehr. Die Neue Sammlung hat die Kontinuität und
die Themenschwerpunkte im Oeuvre des Künstlers zum Prinzip
ihrer Gliederung erhoben. Die Werke Feiningers stellen eine Verschmelzung
von Kunst und Technik dar. Sein Spektrum reicht von den architektonischen
Bildkonstruktionen New Yorks, zu den atmosphärischen Aufnahmen
Hamburgs bis hin zu den monumentalen Naturstudien. "Mit den Augen
des Ingenieurs...und des Künstlers" ergründet Andreas
Feininger die magische Schönheit unserer Welt. Betritt man die Ausstellungsräume der Neuen Sammlung steht man plötzlich vor den überlebensgroßen Wolkenkratzern Manhattans. Man fühlt sich bereits gefangen vom pulsierenden Leben der Stadt, das sich im nächsten Raum fortsetzt. Hier zeigt sich der Gegensatz der Monumentalbauten New Yorks, den fazinierenden technischen Neuheiten, wie der Brooklyn Bridge im Nebel, des World Trade Centers und der Freiheitsstatue. Die Fotos an der Wand wechseln sich ab mit den metergroßen Papierabzügen einzelner, herausragender Fotos. Das bringt Dynamik in die Ausstellungskonzeption und nimmt den Besucher gefangen. Auch weiterhin wurde auf Gegensätze Wert gelegt. Neben dem modernen, pulsierenden New York findet man das ruhige Leben in Hamburg, der Jüdische Friedhof mit seinen aneinandergereihten Grabsteinen zeigt sich neben den Menschenmassen am Strand von Coney Island. Bunte Reklameplakate und das Wirtschaftswunder der Technik zeigen sich neben dem einfachen, traditionellen Leben auf New Yorks Straßen. Da wechseln sich italienische Lebensmittelhändler, chinesische Zeitungsverkäufer mit Rennwägen in der Garage und Rüstungsproduktionen bei Chrysler ab. Aber auch dem Thema Technik und Produktion gibt Feininger ein atmosphärisches Aussehen. Er macht selbst die Innenansicht einer 16-Zoll Kanone zu einem Kunstwerk. Durchschreitet man die Ausstellung bekommt man einen Eindruck des Lebens der 30er/40er und 50er Jahre. Es ist wie eine Zeitreise, was war dem Menschen, Bildjournalisten Feininger wichtig, um es für die Nachwelt festzuhalten. Im letzten Raum beruhigt sich das Auge, Hier hat nur eines Platz, die Natur. Der Künstler zeigt die Ruhe und Ausgeglichenheit der Pflanzen- und Tierformen. Alles ist überdimensional groß vor die Linse geholt. Die Fotos erinnern stark an Gemälde der Malerin Georgia O'Keefe. Die Objekte sind so nahe herangeholt, daß sie verfremdet, ja fast schon skurril anmuten. Die Mehrfachbelichtung eines Ellbogens läßt diesen wie eine Pflanze mit hundert Fangarmen wirken. Er hat nichts mehr von einem toten Stück Knochen, sondern er lebt, verändert sich. Und immer verfolgt uns der Blick des Fotografen. Nicht nur in den Bildern ist er allgegenwärtig, sondern auch in den Selbstprotraits des Künstlers die in den drei mittleren Räumen immer an der gleichen Stelle auftauchen. Sie sind wie beiläufig an eine schmale Seitenwand der Räume gehängt und ziehen einen doch in den Bann. Er wollte immer ein ungewöhnliches Selbstportrait erzeugen, etwas an das der Betrachter sich erinnern könnte, und das gleichzeitig seinen Beruf als Fotograf erkennen lassen würde. "Fotografie, die Sprache des Sehens, ist mein Medium. Indem sie die Kluft zwischen Sprache und Buchstaben überbrückt, wird sie zum idealen Mittel der weltweiten Kommunikation." so Andreas Feininger über das Warum er fotografiere. | |
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Es ist eine Ausstellung die einen Ausflug lohnt, nicht nur an einem regnerischen Sonntag Nachmittag; obwohl bei so einer Stimmung die trüben, atmosphärischen Darstellungen noch wirklungsvoller sind. Enttäuschend ist etwas das gewählte Ausstellungsplakat und der Katalog, der nicht den gleichen Darstellungsschwerpunkt setzt. Man würde so gerne Postkarten und Poster der monumentalen Gebäude New Yorks mit nach Hause nehmen, doch man bekommt nur ein Selbstportrait des Künstlers auf einem "himmlischen" Hintergrund. Die Retrospektive besteht aus weit über 100 Schwarzweißphotographien, die in den fünf Räumen der Neuen Sammlung zu besichtigen sind. Die Ausstellung wird begleitet von einem Katalog (DM 39,-, Verlag Photographie) mit 86 Lieblingsbildern und Texten von Andreas Feininger, der auch im Buchhandel als Hard-Cover (DM 98,-) unter dem Titel "Warum ich fotografiere" erhältlich ist. | |
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