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besprechung lothringer for a better life! |
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"Art for better life" - klingt wie ein Werbeslogan für Permanent Make-up. Dieser Sehnsucht nach künstlichen Paradiesen wollte die Ausstellung in der lothringer 13, die am 3. Dezember endet, jedoch gerade entgegenwirken. Die Kuratoren Patricia Drück und Christian Schoen präsentierten Pierrick Sorin, Max Mohr, Simone Böhm und Tobias Regensburger. | |
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Schonmal eine Videokassette ins Bewusstsein eingelegt, auf
"record" gedrückt und den Film schließlich zu Ausstellungszwecken
verwendet? Hört sich irgendwie futuristisch an, Pierrick Sorin
aber benutzt ganz simple - und trotzdem pfiffige - Techniken der Soundcollagen,
Video- und Rauminstallationen. Er versucht wie so manch anderer Zeitgenosse zu irritieren, provozieren und appellieren. Schlagworte wie "reizüberflutete Entertainmentgesellschaft", "Sensationsgier" oder "Voyeurismus" sind in. Wohin der allgemeine Trend jedoch - leider - nicht geht, da befindet sich der 40-jährige Videokünstler aus Nantes: Pierrick Sorin fesselt die Blicke der Zuschauer und schafft, was Kunst so oft mißlingt: Er trifft den Betrachter genau an seinem Schwachpunkt. Wer kann sich nicht allzu gut mit dem hypernervösen Typen, der vergeblich nach seinem Schlüssel sucht, identifizieren? Er weiß, dieser Schlüssel - zur innerlichen Ruhe? - befindet sich an seinem Körper, man hört das Klingeln sogar! Dieser Augenblick, in dem man meint, gleich verrückt zu werden - noch unerträglicher wegen der überdimensionierten Größe und den übersteigerten Geräuschen - scheint gar nicht enden zu wollen. Stellenweise erinnert Sorin als Protagonist in all seinen Installationen an den Komiker Mr. Bean. Auch Mr. Sorins Geheimnis ist die Direktheit, mit der er uns bloßstellt. Man fühlt sich winzig und nackt wie der Mann, der auf einer drehenden Schallplatte versucht, Halt zu finden und den Zuschauer um Hilfe anfleht - ein absurdes Spiel, das er nur verlieren kann. Diese Erkenntnis hat selbst der Kunstbanause, der die Ausstellung nur besucht um seiner Freundin zu imponieren. Gegenüber dem kleinen Versager, der in der schnelllebigen Multimediawelt fast "auf die Schnauze fällt", hat der Zauberer auf der Bühne die Fäden in der Hand, an denen wir als Publikum hängen. Seine billigen Tricks durchschaut man erst bei näherem Hinsehen. Bleibt also doch alles beim Alten: Der Pseudointeressierte, der nach einigen "Oh-"s und "Ah-"s, Kinn Kratzen und Stirnrunzeln die Ausstellung verläßt, ist nachher genauso schlau wie vorher. Auch Tobias Regensburger kann - und will - mit dem "High-Tech-Wahn", wie er es nennt, nicht mithalten. Na ja, seine selbst gebauten Maschinen sehen auch nicht danach aus ... Das liegt wohl weniger daran, daß er Bildhauerei und nicht Maschinenbau studiert hat. Für den Künstler entstehen zu viele Abhängigkeiten von den alltäglichen "Maschinen", deren Konsequenzen gleichzeitig völlig aus dem Bewußtsein verdrängt werden. Er führt uns vor Augen, daß wir einen Gegenstand, der wie die Maschinen aussieht, die wir kennen, mit "Nützlichkeit" und "Funktionalität" assoziieren. Wir erwarten automatisch eine Steigerung der eigenen Lebensqualität. Regensburgers "Reinmachefrau" jedoch ist z. B. nur eine "gefakte" Maschine. Sie erfüllt ihren Zweck nicht, obwohl sie doch genau wie ein weiblicher Roboter mit allen zugehörigen äußeren Attributen einer "typischen Putzfrau" aussieht! Was lernen wir daraus? Traue keinem außer dir selbst! "Entdecke dich selbst!" heißt es bei Max Mohr. Apollo 8 steht für das wahr Werden des männlichen Expansionstraumes und die Eroberung des Kosmos. Ende der 60-Jahre wagten ein paar tollkühne Männer den Schritt in das Unbekannte. Max Mohr lädt uns ein es diesen Männern gleich zu machen und uns mit Hilfe seines Raumschiffs Apollo 8 auf eine Reise zu begeben. Diese soll uns jedoch nicht in die Weiten des Universums führen, sondern umgekehrt, uns in die Tiefen des menschlichen Körpers transportieren. Eigentlich müßten wir nur all unseren Mut zusammen nehmen, uns in das hautfarbene Gebilde aus Nylon, Prothesenstoffe und Gummi begeben, auf den eingebauten Zahnarztsitz Platz nehmen und die Knöpfe und Hebel auf dem kleinen Pult vor uns betätigen, wenn da nicht ein kleines Schild mit der Aufschrift "Bitte nicht berühren!" angebracht wäre. So werden wir dazu gezwungen, das Kunstobjekt genauer anzuschauen, um festzustellen, daß Max Mohr seine Wunschwirkung erzielt und in uns seltsame Gefühlsregungen hervorruft. Denn einerseits weckt der cleane orthopädische Charakter der Arbeit ein tiefes Unbehagen, das uns Abstand halten läßt, andererseits fühlen wir uns durch die phallischen Formen und vaginalen Motive erotisch angezogen. So werden wir allein schon als Betrachter der Apollo 8 zu Passagieren dieser Reise durch sowohl Körper- als auch Gefühlswelten . Auf den ersten Blick erscheint uns die Videoinstallation "The
Beautiful Sound of Seduction" von Simone Böhm als
mißglückte MTV-Imitation. Vier Gesichter werden großformatig
auf Leinwände projiziert. Die Schauspieler bewegen ihren Mund
stumm mal mehr, mal weniger passend zu Lovesongtexten aus den letzten
Jahrzehnten. Auf den zweiten Blick wird aber schnell klar, dass die
in München lebende und arbeitende Künstlerin nicht versucht,
einem gegenwärtigen Musikvideo nachzueifern. Weder die spektakulären
Kamerafahrten noch die schnellen Schnitte sind in ihrer Arbeit gegeben.
Ihr geht es also nicht um Unterhaltung des Zuschauers oder Perfektion
der Technik. Mit der quadratischen Anordnung der vier Leinwände
versucht sie vielmehr einen Ruhepol mit Sitzgelegenheit zu schaffen,
in dem wir Zeit finden, die Popsongs anzuhören, damit verbundene
Erinnerungen hervorzuholen und über unsere eigenen Vorstellungen
von Liebe zu reflektieren. Gleichzeitig wird durch die äußere
Verwandlung der Sänger in verschiedene Charaktere die Identitätenvielfalt
unserer Zeit aufgegriffen - die Möglichkeit durch unser Aussehen
verschiedene Eigenschaften zu betonen und damit die Vorstellung der
Umwelt von unserer Persönlichkeit zu beeinflussen. |
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