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besprechung
a walk in the park

skulpturenpark ismaning 2000

eine ausstellung im und vor dem kallmann-museum
vom 19.05.2000 bis 22.10.2000

ist Balsam für stress- und lärmgeplagte Großstadtmenschen - so zieht es uns Münchner scharenweise in den Englischen Garten oder in den Nymphenburger Schloßpark.
Mal ehrlich - wird das nicht langsam aber sicher etwas langweilig?
Dagegen ist jetzt Abhilfe geschaffen, denn den ganzen Sommer über bietet das Projekt des Skulpturenparks in Ismaning eine reizvolle Alternative. Reizvoll vor allem, weil man neben der frischen Luft, der himmlischen Ruhe und der idyllischen Lage des Schloßparks zugleich noch dem Kunstgenuß frönen kann.
Über den gesamten Park und in den Räumen des Kallmannmuseums, das in der ehemaligen Orangerie des Schlosses untergebracht ist, haben 35 KünstlerInnen 42 Kunstwerke verteilt - man sollte sich die Zeit nehmen sie zu entdecken (es gibt natürlich einen genauen Lageplan - aber spannender ist es sicherlich, die Objekte selbst zu suchen und zu finden). Also Augen auf, und ab und zu einen Blick nach oben werfen!

   
ein rundgang
Dort, im Geäst eines Baumes bekommen wir zum Beispiel die interaktive Installation "Love + Marriage" von Christoph Brech zu sehen. Anstelle der in Baumstämme geritzten Liebesbekundungen (wir alle kennen sie aus eigener Erfahrung, die Herzen mit den diagonalen Pfeilen und den Initalien) können Liebespaare nunmehr digitale Nachrichten über ein elektronisches Laufband hinterlassen. Liebesgedichte deutscher Lyriker liefern die Texte, welche die zukünftigen Ehepaare im Standesamt, das im Ismaninger Schloß untergebracht ist, auswählen.

Ein Park ist normalerweise der Lebensraum für viele Vogelarten. Das Künstlerduo M+M (Marcus Weis und Martin de Mattia) erinnern an einen früheren Bewohner, indem sie, in Zusammenarbeit mit den Architekten Allmann, Sattler und Wappner, eine Kuckucksuhr installierten.
Natürlich weicht dieses „Kuckuckshaus" in seiner Ausführung von den herkömmlichen Schwarzwalduhren ab. Jede halbe Stunde kann man nun den Ruf des Kuckucks vernehmen.

Zurück auf dem Boden der Tatsachen finden wir uns vor einem ungewöhnlichen Gemüsebeet wieder: In exakter reihenförmiger Anordnung scheinen 12 faustförmige Gebilde aus pastellblauem- und grauem Granit sowie ein roter Bogen aus Buxbaum aus dem Boden herauszuwachsen. Die künstlichen Gebilde erinnern uns in gewisser Weise an reale Krautköpfe - der Künstler Bernhard M. Eusterschulte kombinierte, und betitelte sie als "Faustköpfe".
Mit dem Thema der Parkbegrünung hat sich auch Wolfgang Schenk auseinandergesetzt. Er plaziert bunte und überdimensionierte Kegel des Fang-den-Hut-Spiels mitten in den gepflegten Rasen, greift die Formen der künstlichen Bepflanzung auf und kritisiert so auf spielerische Weise die barocke Unart, Hecken zu widernatürlichen Formen zurecht zuschneiden. Bezeichnenderweise nennt er sein Arrangement "Vermessen".
   
Beim Gang durch die Parkanlage fällt auf, daß ihr ein wesentlicher Bestandteil – der Zierbrunnen – fehlt. Zwei Künstler haben versucht dieses Defizit auszugleichen:
"substitute" bezeichnet Roswitha Huber ihr „Ersatzwasserspiel", dass sie auf den Resten des ursprünglichen Brunnens errichtet hat. Sie kreiert eine digitalisierte Fotomontage aus klassischen Brunnenansichten vermischt mit modernen Elementen und spannt das Ganze auf eine Folie. So entsteht ein knallbunt leuchtendes „Wasserspiel" – wir vermissen nur den akustischen Reiz von sprühendem oder plätscherndem Wasser.
Markus Heinsdorff läßt das natürliche Element des Wassers ebenfalls beiseite. Statt dessen wird sein 36 qm großer quadratischer „Pool" (gebildet aus Stahl und königsblauen Glasplatten) zu einem Becken, das mit Licht gefüllt ist. Tag und Nacht wird der „Brunnen" von unten angestrahlt und präsentiert sich als magisch leuchtende Lichtskulptur.
   
Klassische Statuen aus der griechisch-römischen Mythologie werden wir im Ismaninger Park nicht finden – dafür präsentieren uns die Künstler, Jochen Sendler („Doppelfigur", „Paar"), Joachim Palm („Stehen, Liegen, Kopf") und Lothar Fischer („Große weibliche Aktstele") ihre zeitgenössischen freistehenden Plastiken, die sich mit der Darstellung des menschlichen Körpers auseinandersetzen.

Vielleicht sollten wir unseren Rundgang kurz unterbrechen, und eine Pause einlegen – Ruhebänke gibt es zu Genüge. Doch Vorsicht, die beiden Grassofas vor dem Museumsgebäude dürfen nicht als reelle Sitzgelegenheiten verstanden werden (auch wenn uns der Künstler Daniel Spoerri mit seinen „Liegewiesen" in gewisser Hinsicht dazu animiert).
Auch die dekorativ im Gras verstreuten Ruhekissen von Sabine Fockner dienen nicht unserem leiblichen Wohlbefinden, sondern allein dem (symbolischen) Vergnügen von fünf Damen, die vor langer Zeit durch den Park flanierten: Den Maitressen von Fürstbischof Johann Theodor, der sich im 18. Jahrhundert als Schürzenjäger hervortat. Jedes Kissen trägt den schriftlichen Verweis auf eine der Favoritinnen – sie treten wieder in das Licht der Öffentlichkeit.

Setzen Sie Ihre Erkundungsreise nun alleine fort – es gilt noch über 20 KünstlerInnen mit ihren Kunstwerken zu entdecken.
KünstlerInnen, die sich an keine gestalterischen Vorgaben und ästhetische Konditionen halten mußten. Kunstwerke, die für keinen bestimmten Standort entwickelt wurden, und mehr oder weniger überall präsentiert werden könnten. Objekte, die sich zum Teil spezifisch mit dem Wesen eines Parks auseinandersetzen oder aber sogar direkten Bezug auf die Geschichte der Ismaninger Gemeinde nehmen. Gerade die Verbindung von realen persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen im Zusammenhang mit dem Schloßpark macht den Spaziergang so spannend:
„Jeden Sonntag von Mai bis September, von zehn bis fünf Uhr hat man reindürfen, und sonst war das ein verbotenes Gebiet. Das ist lang in uns dringesteckt – darf man da überhaupt rein? – die Scheu musste man erst überwinden, das steckt seit Generationen in uns drin." (Interview von Angela Dorrer zu ihrem Projekt „Lieblingsweg").
Wir dagegen dürfen den Park rund um die Uhr besuchen.

angelika steer



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