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324 14|09|2004 | besprechung "kirchen" unserer tage zeichnungen von matthias beckmann in der deutschen gesellschaft für christliche kunst |
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religiöses und
profanes
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Die Reihe der
insgesamt 52 Blätter wird in Analogie zur traditionellen kirchlichen
Liturgie von den Zeichnungen zweier Weihwasserbecken eröffnet und
beschlossen. Wie in einen einzigen großen Kirchenraum tritt der Besucher
dieser Ausstellung also in die Welt der "Kirchen" Beckmanns.
Der auffallend allgemein gehaltene Titel des Zyklus’ verrät, dass
es dem Künstler nicht in erster Linie um das je Besondere der einzelnen
Kirchen, sondern um das in ihnen wahrgenommene Exemplarische von Kirche
überhaupt ging. So sind es weniger die eindrucksvollen Formen der
romanischen Architektur, die Beckmann vor Ort mit dem Bleistift festhält,
als das unter ihnen und in ihnen stattfindende, sich in charakteristischen
Objekten und Einrichtungen manifestierende Leben. Aus schlichten,
meist ansatzlos ihren Gegenstand umschreibenden Linien ersteht unter
der Hand des Künstlers auf dem Papier Religiöses und Profanes in ihrem
so vorgefundenen, selbstverständlichen, manchmal skurrilen oder leicht
amüsanten Nebeneinander. |
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MoMA als kirche |
Der
sich über weite Teile der Galerie erstreckende Zyklus "Kirchen"
findet ein überraschendes Gegenüber in 18 kleinformatigen Zeichnungen,
in denen Beckmann das Ereignis des "MoMA in Berlin" schildert.
Sie fallen dem eintretenden Besucher in ihrer dichten Reihung auf der
prominenten linken Wand des Durchgangsbereichs zwischen Eingangsraum
und Ausstellungssaal zuerst ins Auge. Wie ein gezeichnetes Tagebuch
über das 6-monatige Berliner Großereignis sind diese Arbeiten zu lesen
– auch sie ein Zeitdokument von besonderer Aktualität. Nicht die berühmten
Kunstwerke selbst, ihre Hängung und Präsentation werden dabei in Augenschein
genommen, sondern das teils geduldige, teils gelangweilte und träge
Warten nicht enden wollender Menschenschlangen vor der Neuen Berliner
Nationalgalerie und die unendliche Kreativität von Musikern, Tänzern,
Würstchen- und Brezelverkäufern, den Wartenden auf für sie einträgliche
Weise die Zeit zu verkürzen. Der nüchtern beschreibende Stil Beckmanns
erhält hier, mehr als im Zyklus der "Kirchen", durch die einer
fotografischen Serie oder filmischen Sequenz vergleichbare Kombination
der einzelnen Blätter stärker kommentierenden, mithin auch ironisierenden
Charakter. Ist es nun ein Zufall, dass dieser jüngste Zyklus Beckmanns aufgrund seines besonderen Bezugs zur Gegenwart Einlass in diese Ausstellung fand und gleichfalls unter der großen Überschrift "Kirchen" gezeigt wird? Oder erlaubt der allgemeine und umfassende Titel der Ausstellung auch einen solchen Blick auf die modernen Kirchen unserer Tage? |
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