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324 14|09|2004
besprechung

"kirchen" unserer tage

zeichnungen von matthias beckmann in der deutschen gesellschaft für christliche kunst

matthias beckmann
zyklus "kirchen"

deutsche gesellschaft für christliche kunst


Bis zum 7. November zeigt die Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst (DG) in ihrer Galerie am Münchner Wittelsbacher Platz einen Zyklus von Zeichnungen des jungen, in Berlin lebenden Künstlers Matthias Beckmann mit dem Titel "Kirchen". Er entstand eigens für die DG in den Jahren 2002/03 in Köln und bietet einen ungewöhnlichen Rundgang durch die zwölf berühmten romanischen Kirchen der Domstadt. Jeder von ihnen widmet Beckmann zwei oder mehr Zeichnungen mittleren Formats, die in Gruppen neben-, im großen, hinteren Ausstellungssaal auch übereinander gezeigt werden.

religiöses und profanes

Die Reihe der insgesamt 52 Blätter wird in Analogie zur traditionellen kirchlichen Liturgie von den Zeichnungen zweier Weihwasserbecken eröffnet und beschlossen. Wie in einen einzigen großen Kirchenraum tritt der Besucher dieser Ausstellung also in die Welt der "Kirchen" Beckmanns. Der auffallend allgemein gehaltene Titel des Zyklus’ verrät, dass es dem Künstler nicht in erster Linie um das je Besondere der einzelnen Kirchen, sondern um das in ihnen wahrgenommene Exemplarische von Kirche überhaupt ging. So sind es weniger die eindrucksvollen Formen der romanischen Architektur, die Beckmann vor Ort mit dem Bleistift festhält, als das unter ihnen und in ihnen stattfindende, sich in charakteristischen Objekten und Einrichtungen manifestierende Leben. Aus schlichten, meist ansatzlos ihren Gegenstand umschreibenden Linien ersteht unter der Hand des Künstlers auf dem Papier Religiöses und Profanes in ihrem so vorgefundenen, selbstverständlichen, manchmal skurrilen oder leicht amüsanten Nebeneinander.

Keine Hierarchien - Mit der scheinbaren Unbefangenheit des schlichten Beschreibens setzt sich Beckmann, ohne zu provozieren, über konventionelle Hierarchien und eingefahrene Prämissen der Kunstbetrachtung hinweg. Die gleiche Akribie und Liebe verwendet er auf die ausdrucksvolle spätgotische Kreuzigungsgruppe in Groß St. Martin, wie auf einen sich im kargen romanischen Gemäuer von St. Pantaleon verlierenden barocken Beichtstuhl oder den elektrischen Treppenlift eines Seiteneingangs von St. Severin. der Mensch als Motiv Obwohl der Mensch als Motiv in den Zeichnungen beinah ganz fehlt oder eine untergeordnete Rolle spielt, ist er doch gegenwärtig - wenigstens im Zeichner selbst, dessen Arbeiten vor allem anderen durch Schlichtheit und Menschenmaß charakterisiert werden können. Gleich einem Fotografen nimmt Beckmann seine Motive in den Blick, wird aber, mehr noch als dieser, durch die besondere Auswahl bestimmter Details und das Weglassen anderer zum leisen Interpreten. Seine Zeichnungen werden so zu treffenden und sensiblen Zeitdokumenten von zugleich nüchterner Objektivität sowie persönlicher Wärme und Unmittelbarkeit.

MoMA als kirche

Der sich über weite Teile der Galerie erstreckende Zyklus "Kirchen" findet ein überraschendes Gegenüber in 18 kleinformatigen Zeichnungen, in denen Beckmann das Ereignis des "MoMA in Berlin" schildert. Sie fallen dem eintretenden Besucher in ihrer dichten Reihung auf der prominenten linken Wand des Durchgangsbereichs zwischen Eingangsraum und Ausstellungssaal zuerst ins Auge. Wie ein gezeichnetes Tagebuch über das 6-monatige Berliner Großereignis sind diese Arbeiten zu lesen – auch sie ein Zeitdokument von besonderer Aktualität. Nicht die berühmten Kunstwerke selbst, ihre Hängung und Präsentation werden dabei in Augenschein genommen, sondern das teils geduldige, teils gelangweilte und träge Warten nicht enden wollender Menschenschlangen vor der Neuen Berliner Nationalgalerie und die unendliche Kreativität von Musikern, Tänzern, Würstchen- und Brezelverkäufern, den Wartenden auf für sie einträgliche Weise die Zeit zu verkürzen. Der nüchtern beschreibende Stil Beckmanns erhält hier, mehr als im Zyklus der "Kirchen", durch die einer fotografischen Serie oder filmischen Sequenz vergleichbare Kombination der einzelnen Blätter stärker kommentierenden, mithin auch ironisierenden Charakter.

Ist es nun ein Zufall, dass dieser jüngste Zyklus Beckmanns aufgrund seines besonderen Bezugs zur Gegenwart Einlass in diese Ausstellung fand und gleichfalls unter der großen Überschrift "Kirchen" gezeigt wird? Oder erlaubt der allgemeine und umfassende Titel der Ausstellung auch einen solchen Blick auf die modernen Kirchen unserer Tage?





Galerie der DG
Wittelsbacher Platz 2, Eingang Finkenstraße
Ausstellungsdauer: bis 7. November 2004
Öffnungszeiten: Montag – Freitag, jeweils 14-18 Uhr
Weitere Informationen unter www.dgfck.de .


Text: Stephan Dahme


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