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besprechung
zeigt her eure füßchen, zeigt her eure schuh...
"lotuslillies"

eine ausstellung in der Galerie SixFiedrichLisaUngar
von 07.12.2000 bis 26.01.2001

Es ist oft nur ein unauffälliges formales Detail, das Beate Passow fasziniert, und das sie dazu bewegt, sich auf die Suche danach zu begeben. Das war nichts anderes mit der Fotoserie "Numbers", die sie 1996 erarbeitet hat. Dabei handelte es sich um Zahlen, wie der Titel schon sagt, aber um ganz besondere: um die Nummern, die den Menschen in Konzentrationslagern auf den Unterarm tätowiert wurden. Passow machte sich also auf den Weg durch Deutschland und nach Israel, um die letzten dieser Nummern ausfindig zu machen und fotografisch festzuhalten. Als historisches Zeugnis, denn die letzten Überlebenden sind bald nicht mehr. Indem die Künstlerin das Indiz für das Schreckliche festgehalten hat, dafür gesorgt hat, dass Fotografien davon angefertigt wurden, kann das kollektive Gedächtnis dieses Detail nicht mehr vergessen..
Dabei zeigen die Aufnahmen jeweils immer nur den Unterarm und die Hand der Betroffenen. Das Gesicht ist, findet sie, dabei nicht wichtig, würde nur von der Erzählung im Details ablenken. Es genüge, dass die Hände allein schon Geschichten darüber erzählen, wie es dem Einzelnen im weiteren Leben ergangen ist: Nagellack oder Rolex, faltige oder glatte Haut, sonnengegerbt oder blass; diese Auskunft genügt, um den "Nummerierten" Identität zu stiften, und die Tatsache des "Abgestempeltseins" Lügen zu strafen.
Zu ihrem neuesten Projekt wurde die Künstlerin, die 1969-1975 in München Kunst studiert hat, wieder von einem formal Aufsehen erregenden Objekt inspiriert: in Los Angeles hatte sie winzig kleine Schuhe in einem chinesischen Laden entdeckt. Und als ihr klar wurde, dass diese Puppenschühchen für Menschen gemacht waren, ließen sie sie nicht mehr los. Also machte sie sich auf nach China, um die Trägerinnen der Schuhe zu finden, wie im Märchen der Prinz das Aschenputtel. Mit Hilfe eines Dolmetschers und einer Pressefotografin hat sie die Besitzerinnen ausfindig gemacht. Nun sieht man sie auf ihren Fotografien quietschvergnügt stehen: Frauen, mittlerweile in hohem Alter, denen die Füße abgebunden wurden, seit sie Kleinkinder waren. Dies, damit sie später nicht arbeiten mussten, und weil die kleinen dreizehigen Füße als sexuell äußerst attraktiv galten. Tatsächlich soll die orthopädische Verkrüppelung zu Veränderungen in der vaginalen Muskulatur führen. Unter Maos Regime waren solche Extravaganzen verpönt. Ihm gelang es als erstem, die tausendjährige Tradition zu brechen: indem er die Frauen trotz "Lotusfüßen" zum Arbeiten aufs Feld schickte. Heute leben die Frauen unbehelligt in kleinen Dörfern und sind sogar in Clubs "organisiert". Sie tanzen und spielen gemeinsam. Beate Passow hat sie in ihrem Hotel und bei ihnen Zuhause getroffen. Doch hat sie dabei nicht auf die unsagbar klein wirkenden Füße fokussiert, sondern hat die Frauen sich in ihrer Umgebung präsentieren lassen.
Was auf westlichen Frauen als unfassbar machoistische Geste wirkt, die unwillkürliche Verkrüppelung, ist in China kein Thema. Missionarischer Eifer ist unangebracht. Die Frauen sind im Gegenteil noch immer stolz auf ihre Minifüße. Die prunkvoll bestickten Schuhe stellen sie selbst her. Allerdings verkaufen sie sie auch gern als Souvenir. Denn zu Geld sind sie nie gekommen, auch wenn sie wortwörtlich nie arbeiten gehen konnten.
Indem die Fotos als große Prints, die hinter Plexiglas kaschiert wurden, präsentiert sind, fällt zunächst nichts besonders ins Auge. Man sieht einen chinesischen Seniorinnenklub in leuchtend blauen Jacken, mal in Reihe posiert, mal mit einer Coke am Pool. Dann sieht man sie wieder in ihren häuslichen Interieurs, wie sie gerade an den Schuhen sticken, oder neben ihrem Ehegatten sitzen - wegen dem sie einst deformiert wurden. Aber aus ihren Augen leuchtet kein Gram. Europa und Asien prallen hier aufeinander. Westfrauen müssen sich Rechenschaft ablegen über ihr Bild der Frau, das mit diesen Aufnahmen so unkompatibel ist. Es kumuliert in einem winzigen Detail, dass man zunächst beinahe übersieht: winzige Schühchen... doch, Moment..., hielt nicht der letzte Sommertrend für uns winzige bestickte Pantöffelchen bereit?

milena greif

   


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