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bernard larsson
berlin - hauptstadt der republik 1961 - 1968

eine ausstellung im haus der kunst

Als Anfang August 1945 Clement Attlee, Harry S. Truman und Josef Stalin das Potsdamer Abkommen ratifizierten, wurden spätestens die unterschiedlichen Interessen der Alliierten deutlich, die mit der Währungsreform drei Jahre später schließlich vollends zum Bruch führten. Mittelpunkt und quasi Exemplum für alle Teile Deutschlands war Berlin. Nicht nur die Währungsreform jährt sich nun zum 50. Mal, sondern eben auch die Luftbrücke der Amerikaner, die den hermetisch abgeriegelten Westteil der nun geteilten Stadt versorgte. Deutschland war wie Berlin geteilt. Der Mauerbau 1961 machte jegliche Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung zunichte.

In dieser Zeit kommt der schwedische Fotograf Bernard Larsson nach Berlin und dokumentiert die Parallelen der Systeme ohne wirklich selbst Partei zu ergreifen. Sein schwedischer Paß läßt ihn sowohl im West- wie auch im Ostteil arbeiten und seine Bilder haben nie die propagandistische Qualität wie es die offiziellen Fotografien aus dem geteilten Deutschland immer hatten. Wie ein Flaneur durchwandert Larsson die Straßen Berlins, um die Menschen zu entdecken. Eindruckvoll sind die Aufnahmen der Menschen, die sich an der Mauer einfinden, um ihren Angehörigen zuzuwinken. Mit Ferngläsern versuchen sie ihren Liebsten nahe zu sein, doch der letztendlich verbaute Blick, vernichtet auch die letzte Möglichkeit persönlicher Freiheit und Zwischenmenschlichkeit. Das Schauen wird hier zur Metapher für Freiheit - ein Autothema der (Presse-)Fotografie.

Uns Wessis sind die inszenierten Aufmärsche zum 1. Mai in Ostberlin sicherlich noch gut in Erinnerung. Es waren die offiziellen Fotos oder Filmberichte, die die Stärke und Kraft der DDR vorführen sollten, die aber gerade das negative Bild dieses Regimes im Westen geprägt haben. Larssons Aufnahmen dieses Feiertages sind nicht offizieller Art, sie sind aus der Menge heraus fotografiert, zeigen die Menschen, nicht die Marionetten. Und sie zeigen vor allem (wieder einmal), wie manipulierbar der Mensch durch Bilder ist.

Ein weiterer Schwerpunkt von Larssons Betrachtung wird auf eine neue Phase der Westdeutschen Geschichte gelenkt, die von einer neuen Generation ausgeht, die die folgenden aber entscheidend geprägt hat: Die Studentenbewegungen. Die Bilder von Rudi Dutschke, der Sit-ins oder der Demonstrationen gegen den Schah 1967 erscheinen nicht mehr so neutral und wertungsfrei wie die früheren. Der Fotograf dokumentiert die politische Aktivität der jungen Generation und das Unrecht des altväterlichen Staates. Die bekannte Fotosequenz vom zusammengeschossenen Studenten Benno Ohnesorg markiert auch hier einen Höhepunkt. Das Aufzucken der Blitze, die das dramatische Geschehen für den kurzen Moment der Aufnahmen Larssons erleuchtet, sieht man im Bericht des Filmes zur 68er Bewegung. Larssons ist im Film präsent - ohne daß man ihn sieht. Der Film belegt die Authentizität der Fotografien, wie auch umgekehrt. Ein weiterer Ansatz, um sich Gedanken über die Zeit, die Geschichte und die Authentizität von Bildmedien zu machen.

Die Ausstellung macht bewußt, wie viel Zeit seitdem vergangen ist, wieviel sich verändert hat. Nicht einmal seit 1945, oder 1967, sondern auch seit 1989.

Christian Schoen




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