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besprechung
blondies and brownies - weiß weiß bin auch ich
blondies and brownies - weiß weiß bin auch ich

eine ausstellung in der aktionsforum praterinsel
von 17.03.2001 bis 21.04.2001

"Jetzt red' I" - besonders in Bayern gilt der Stammtisch im Wirtshaus nebenan als Ort, an dem einerseits der Stammtischbruder (seltener die Stammtischschwester) frei von jeglicher Zensur seinem Grant oder seiner Zustimmung zu bestimmten Themen freien Lauf lassen kann. Gerade aber die oft konservativ-reaktionäre Meinungsmache dieses bierseligen Mikrokosmos' ist manchem kritischen Beobachter suspekt.

Die spezifisch deutsch/bayerische Einrichtung des Stammtisches dient den Kuratoren, Rafael von Uslar und seiner Mitarbeiterin Irmtrud Wojak, als formaler Rahmen, um den Link des Themas "Multikulturalismus und Rassismus" mit dem Ausstellungsort München herzustellen.Über ausgetretene Holzdielen wandert der Besucher durch die Räume des Wurzelkellers, dem Lagerraum der ehemaligen Likörfabrik, kann an den bereitgestellten Biertischen und - bänken Platz nehmen und die dargebotenen Spezereien - Bier, Brezln und natürlich die amerikanischen Süßigkeiten Brownies und Blondies - kosten. Darüber hinaus sind Gespräche erwünscht. Anregungen zur Auseinandersetzung mit Rassismus und Intoleranz - der deutschen Geschichte im allgemeinen und der eigenen Erfahrung und Einstellung im besonderen - gibt es viele, fast zu viele: Werke von über 40 KünstlerInnen aus Europa, den USA, Australien und Neuseeland sind über Säulen, Wände und die Decke des Kellers verstreut, erscheinen auf den ersten Eindruck wie ein kurioses Sammelsurium, über das man sich erst einmal Überblick verschaffen muß.

 

born in the usa

Viele Objekte reflektieren dabei den rassistischen Blick des "weißen" Amerika auf den "schwarzen Mann", wobei die Frage der (mehr oder weniger subtilen) Diskriminierung anderer Minderheiten - religiöser oder sexueller Art - stark mithineinspielt. LeRoy "King of the Art" beispielsweise ironisiert in seiner Arbeit "Ethnic Envy" das Klischee von einer übermäßigen sexuellen Potenz männlicher Afro-Amerikaner und der kaufmännischen Gerissenheit des Juden: "Poor Little Lonesome LeRoy, I wish I was a black Jew. Then I'd have a big dick and a lot of money." Afro-amerikanische Stars der Popkultur oder des Sports - Gebiete, auf denen den Schwarzen eine Karriere "erlaubt" wird - fehlen nicht: Peter Saul thematisiert den Skandal um O.J. Simpson, Jimi Dams Installation "Of the Angel O!" läßt auf rosafarbenem Papier gezeichnete Bilder eines Rap-Stars namens Angelo zu einem Müllberg anwachsen.

don't drink german beer!l


Wem die Probleme der Afro-Amerikaner in den USA, der Albaner in Italien (Antonio Riellos Computerspiel "Italiani Brava Gente") oder der Asiaten in Australien (Tiffany Lee Shoys "Who(yellow on the outside)") zu fern erscheinen, wird auf die nationalsozialistische Geschichte Deutschlands aufmerksam gemacht: nicht nur in der Anspielung des Titels auf ein damals beliebtes Volkslied ("schwarzbraun ist die Haselnuß"), sondern beispielsweise auch in der Fotoarbeit von General Idea - der "Nazi-milk"-Trunk läßt über den Lippen eines Mannes mit schwarzer Hautfarbe einen Milchbart "erwachsen", der bekannt vorkommt...

Am eigenen Leib erfuhr Jn. Ulrich Désert neonazistischen Terror: einen Angriff auf ihn in Berlin verarbeitete er zu der Performance "Negerhosen 2000" - die "weiße Haut" in Form einer Lederhose angelegt und mit Attributen bayerischen Volkstums ausgestattet, läßt er sich als "Sensation" betrachten, während im Hintergrund eine Soundcollage aus Fußballlärm und Marlene Dietrich-Chansons ertönt. Seine "Negerhosen 2000"-Kampagne will Jn. Ulrich Désert in Form von bedruckten Bierdeckeln tatsächlich an die Stätten des geselligen Trinkens und Debattierens bringen - ähnlich wie die Fotos von Candida Höfer es dokumentieren -, will Leute erreichen, die den Weg in die Ausstellungsräume vielleicht nicht finden.

Ein pikantes Detail der Münchner Geschichte sei noch erwähnt: das Attentat Georg Elsers, das Hitler im Bürgerbräukeller treffen sollte, schlug fehl, weil Hitler den Saal früher als geplant verlassen hatte...

tina fröhlich



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