|
besprechung Blütenblätter an der Wand
| |
|
Ellsworth Kelly im Münchner Haus der Kunst Nicht so populär, wie die von Comics entlehnten Raster von Roy Lichtenstein, nicht so spektakulär wie die ausladenden Schleifenbilder von Frank Stella: als dritten der großen amerikanischen Maler der Nachkriegskunst ehrt das Münchner Haus der Kunst Ellsworth Kelly mit einer Retrospektive. Schon beim Eintreten in die Ausstellung bleibt diesmal das vetrauliche Gefühl aus, das sich bei einem durch typische Stilmerkmale bekanntem Oeuvre einstellt. Man befindet sich im Einflußbereich der Moderne, zweifelsohne; doch wer, außer fundierten Kennern des Werks, könnte schon mit Gewißheit sagen, daß diese oder jene Kombination monochromer Farbtafeln von dem 74-jährigen stammen, und nicht von einem früheren oder späteren Künstlerkollegen? Die Farbfeldmalerei ist nun einmal ein Gebiet, das den Künstler vor der Realität des jeweiligen Kunstwerks zum Anonymus werden läßt, da jeder persönliche Gestus fehlt. | |
|
Kelly zählte (neben Robert Rauschenberg und Jasper Johns) zu den ersten Nachkriegs-Künstlern, die ein Bild aus mehreren Tafeln zusammensetzten - der Vergleich mit mittelalterlichen Altarwerken kommt hier nicht von ungefähr. Doch er ist auch ein großer Verehrer der primitiven Kunst: davon zeugt in der Ausstellung eine übermannshohe, totemähnliche Stele aus Aluminium. Farben sind sein Elixir, sie bedeuten „etwas ganz Abstraktes“ für den Maler. Er sucht nach der idealen Formgebung für jeden Ton, immer die Idee seiner sogenannten „Inbetweens“, der Bildobjekte zwischen Skulptur, Leinwand und Holzpaneel im Visier. Bei den Wandstücken gewinnt die Farbe Körper: Schwarz escheint als Quadrat oder Rechteck in verschiedenen, oft wenig aufregenden Farb- und Formkonstellationen, wird aber dramatisch raumgreifend, wenn es etwa von einem orangefarbenem Tor drei Meter breit eingerahmt wird. Die Auseinandersetzung mit Form auf Grund beschäftigte Kelly schon früh. Die Leinwände der beginnenden sechziger Jahre weisen häufig eine elementare Form auf, die sich gemäß dem ihr zu eng erscheinenden Rahmen „verhält“, nämlich an dessen Grenzen anstößt. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte wird sich die monochrome Form in immer neuen Variationen von der Rahmung befreien und die Wand direkt bespielen. Grandios sind hier die verschieden gekurvten Leinwände in Orange, Grau und Grün (1986), die wie überdimensionale Blütenblätter die Wand entlang zu tanzen scheinen. | |
|
So rational, wie diese Kunst auf den ersten Blick erscheint,
ist sie nicht. Naturformen, seien es vegetabile Motive, oder
Licht und Schatten, etwa auf einer Photographie festgehalten,
standen Pate. An den Pflanzenzeichnungen, die parallel zum zeichnerischen
Werk laufen, läßt sich die Metamorphose zur chromatischen
Leinwand erahnen. So lassen auch die collagierten Studien und
Postkarten ekennen, daß diese so seriös wirkende Malerei
durchaus spielerische Ursprünge haben kann. (Die Papierarbeiten
sind leider nicht in der Ausstellung zu sehen, dafür aber
ausführlich im Katalog ausgebreitet). Die Retrospektive im Münchner Haus der Kunst ist außer der Londoner Tate-Gallery die einzige Station in Europa und dauert bis 18.Januar 1998. Der Katalog, erschienen im Cantz Verlag, kostet in der Ausstellung DM 49.- | |
galerien und museen in muenchen |
berichte, kommentare, stellungnahmen |
meinungen, thesen, aktionen |
kulturinformation im internet |