magazin

322 27|07|2004
besprechung
roland fischer: camino
Roland Fischer
CAMINO
Ausstellung vom 22. Juni bis 19. September 2004
www. dombergmuseum-freising.de
Roland Fischer, dem bereits 2003 in der Pinakothek der Moderne eine Retrospektive gewidmet wurde, zeigt in der Ausstellung CAMINO computertechnisch bearbeitete Fotos von Kathedralen.

 

 


überblendung bewirkt mehransichtigkeit



irdische mathematik in heiligen räumen

Im Auftrag des Museums Moderner Kunst in Santiago de Compostela fertigte Fischer 18 großformatige Fotografien von gotischen Kathedralen an, die auf dem Pilgerweg von Pamplona und Jacca bis nach Santiago de Compostela liegen. Santiago ist neben Rom und Jerusalem eine der grössten Wallfahrtsorte.
Nicht schlicht fotografierte Dokumente von der Reis werden hier präsentiert, sondern mittels fototechnischer Überblendung persönliche Erlebnisse und Eindrücke visuell verständlich gemacht.

Den ersten Eindruck vermittelt ein im Lichthof hängendes, monumentales Foto, das eine dunkelgraue gotische Fassade zeigt, die geschickt durch ein anderes, ein hellgraues Kreuzrippengewölbe wiedergebendes Foto, überblendet wurde. Dabei sind gleichzeitig die Innen- und Aussenansicht derselben Kathedrale aus LÉON in diesem Bild durch Fotomontage vereint.

Eine weitere Raffinesse, die Fischer in seinen computergestützten Werken anwendet, ist das Hervorheben der mathematisch konstruierten Linien und geometrischen Strukturen, die sich in den Fassaden und Deckenkonstruktionen der gotischen Kathdralen jahrhundertelang verbargen. Er legt Fotos so geschickt übereinander, dass gleiche Proportionsmassstäbe unterschiedlicher Raum- bzw. Fassadenmotive sichtbar werden.
Damit schafft es Fischer, zu beweisen, dass für diese gotische Kathedrale in Léon das damalige mathematisch machbare Können erfolgreich umgesetzt wurde.

bilder mit hohem emotionalen gehalt


 

kollektivporträts - verschiedenste menschen mit
demselben ziel

Fischer zeigt uns seine Eindrücke, die er auf der Pilgerreise gewonnen hat. Dabei liebt er das Motiv des Strebepfeilerbündels, das seine 18 motivsch unterschiedlichen Werke wie einen roten Faden durchzieht (z.B. "JACCA", "PAMPLONA", 2003).
Seine Absicht ist es, uns Einblick in seine Erinnerung zu geben, in der ihm nur Fragmente von Architektur oder grell lichtdurchflutete oder auch rotstichige Innen- und Aussenansichten von Kathedralen geblieben sind. Diese empfundenen Gefühle versucht er aus der Erinnerung heraus zu verdeutlichen:

So wirkte die gotische Kathedrale "LÉON" auf Fischer wie ein kühler, klar strukturierter Bau mit nur vereinzelt auftretenden Ornamenten, wie der riesigen Rosette an der Frontseite. Sein Hauptaugenmerk lag auf dem symmetrisch konstruierten Bau, der einen hermetisch berechneten Baustil aufwies.
Dagegen hinterließ in Logrono das Bauwerk einen überladenen Eindruck auf ihn, bei dem vor allem auffällige, barockisierte Elemente an der gotischen Fassade ihm noch im Gedächtnis blieben.

Ein riesiges Bild aus kleinen Porträts von 1000 Pilgern, säumt eine Seite des Lichthofganges. Darauf sind Menschen verschiedenster Nationalitäten und unterschiedlichsten Alters zu sehen, die sich entweder durch dasselbe Farbenmuster am Kragen, aber gewiss durch die gemeinsame Absicht, die Wallfahrt nach Santiago mitzumachen, zugehörig zeigen. ("PILGRIMS", 2003)

konglomerat von stillepochen in einem Bild

Das Gotteshaus ist ein unvergleichliches Zeugnis künstlerischen monumental-plastischen Könnens, das in Europa bis in die Romantik zurückreicht.
Fischer verbindet hier Epochen wie die romanische Baukunst mit der gotischen und der des Barock in einem Bild. Und fälscht hierbei nichts ab! Er dokumentiert nicht nüchtern, sondern auf emotionale Weise den Befund verschiedener Stilepochen an einem Kathedralsbau, der sich durch lange Bauzeiten ergeben hat.
Schönes Beispiel: "JACCA II"; 2003. In diesem Bild lässt sich deutlich ein, in Rot gehaltener, irdischer Bereich, mit typischen romanischen schmucklosen Portalsrundbögen, deuten. Darüberliegend ist eine, grünlich wiedergegebene, Zwischenzone mit gotischen, feingliedrigen Spitzbögen zu sehen und als oberster Abschluss thront die barocke Dreifaltigkeit, die durch weißen Negativdruck plastisches Volumen erhält und mitreissend eine himmlische Sphäre verdeutlicht.

impressionistische serien, barocke und abstrakte momente

Bei seiner Serie "GAUDI I-VI", benannt nach dem spanischen Architekten Gaudi, hat Fischer ein Kathedralswerk mit verschiedensten Farben experimentell ausgeleuchtet und dadurch illusionistische Höhepunkte erzielt, z.B. ein weiß gehaltenes Negativ eines Chorganges, der dadurch plastisch und nach hinten raumbildend wirkt, oder ein wie ein Jugendstilbau anmutendes Portal, das durch Anfügen von Elementen einer Innenansicht entstanden ist. Die Art solcher Serien erinnern mich an den Impressionisten Monet, der sich erstmals im ausgehenden 19. Jahrhundert an Objekte aus der Natur gewagt hat und das Spiel von Licht und Atmosphäre darin veranschaulichen wollte.

Im Bild "PAMPLONA" (2003) erscheint wieder das Motiv des Bündelpfeilers, der sich, aus dem Zusammenhang gerissen, schwebend positioniert im Bild befindet. Die Bildstruktur ist durch kubisch überlagerte Fotoflächen verändert und stark abstrahiert worden. Fischer spielt hierbei mit den Formen, indem er wie ein Steckverfahren Fotostreifen, die die Aussenfassade zeigen, in die dahinter gelegte Ansicht des Innenraumes einarbeitet.

illusionistische höhepunkte durch negativ-motive


Bei den, durch Negativdrucke erzeugten und mit Weiß oder Rot hinterfangenen, Illusionen bedient sich Fischer der barocken Kunstauffassung, die mit theatralen und gefühlsbeladenen Darstellungen den Betrachter (damals: zur Gegenreformation) mitreissen wollte ("JACCA II", 2003). Dabei bewirkt die Farbgestaltung auch eine andere Stofflichkeitswahrnehmung. Bei seinem Werk "SANTO DOMINGO DELA CALZADA" (2003) ist ein Negativabzug einer Ikonostase rot ausgemalt worden, wodurch der Eindruck einer Seidenmalerei entsteht, da die fragmentarischen Formen wie punktiert gesetzte Malflächen erscheinen. Dabei sollte der Betrachter aber immer im Kopf behalten, dass Fischer die Absicht einer rudimentär erhaltenen Erinnerung darstellen möchte.

die hohe kunst der fotomontage



Ein Bild fiel mir besonders auf, da es einen auffälligen symbolischen Charakter hat. Dem Heiligen Jakobus wurde die Kirche "SANTIAGO DE COMPOSTELA" gewidmet. Spanien war seit der Eroberung im 7. Jahrhundert islamisch, nur der Norden mit seinem Zentrum Santiago war christlich, in dem Jakobus, Bruder des Apostels Johannes, um 30. n. Chr. sich für das Christentum einsetzte. Er ist der Schutzheilige von Santiago geworden, nachdem seine Gebeine ebd. um 600 n. Chr. begraben wurden.

Fischer zeigt uns auch hier die lange Schaffensphase dieses Kirchenbaus, indem er den monochromen romanischen Innenbau mit seinem Emporengang gegen die barocke Fassade mit der Steinfigur des Heiligen Jakobus als Bekrönung setzt. Dabei hat er harte Licht- und Schattenkanten in das Bild geschnitten, wodurch ich beim ersten Hinblicken dachte, dass das natürliche Sonnenlicht mich blendet und ich dadurch nur Fragmente sehen kann. Tatsächlich ist eine nur halb angeschnittene Fotofläche durchaus beabsichtigt.

 

Roland Fischer und sein Werkzyklus CAMINO sind in der Reihe "Junge Kunst im Dombergmuseum Freising", Domberg 21, 85354 Freising zu sehen.

Öffnungszeiten: Dienstags bis Sonntag, 10-17 Uhr
Anfahrt: S1 Freising, Bahnhofstraße Richtung Ortszentrum, dann rechts in "Oberer Domberg"
Eintritt: 4 EURO
Ermäßigt: 2 EURO

Zeitgleich findet in den Räumen des Dombergmuseums die Ausstellung Zeitinseln Ankerperlen. Geschichten um den Rosenkranz vom 16. Mai bis 24. Oktober 2004 statt.

Diana Fleischer


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