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2 1 0 3 1 1 0 2 0 0 1 | besprechung essen als individualitätsform von kunst
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Nach der großen Retrospektive im Museum Tinguely in Basel, die am 2. September diesen Jahres zu Ende ging, präsentiert nun Daniel Spoerri seine "Eat-art" auch im Zollgewölbe des Aktionsforum Praterinsel in München. Doch im Gegensatz zur Basler Ausstellung hat die Kuratorin Elisabeth Hartung den Schwerpunkt auf die Eat-art gelegt. So sollen alle relevante Aspekte der Eat-art durch eine selektive Auswahl von Spoerris Fallenbildern, Multiples und persönlichen Aufzeichnungen bis hin zu Werken der Eat-art Galerie ein Licht auf jene Kunstströmung werfen, die das Essen in den Mittelpunkt ihres kunstphilosophischen Denkens gestellt hat. Herausgekommen ist dabei eine Ausstellung, die gleichermaßen anziehend als auch abstoßend den Betrachter zum Nachdenken stimuliert. | |
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Begonnen hat alles im wahrsten Sinne des Wortes im Nichts.
Es war bei Addi Koepcke im Kopenhagen der 60er Jahre. Spoerri ist gerade
dreißig Jahre alt geworden, hat mit seiner Karriere als Balletttänzer
abgeschlossen und ist auf der Suche nach neuen Wegen. Vielleicht war
es die existentiell bedrohliche Situation, in der er und seine Freunde
damals lebten, die dazu führte, dass sie sich kritisch mit der
Gesellschaft auseinander setzten. Denn inmitten einer Gesellschaft,
der es nach langer Zeit der Entbehrung wieder gut ging, mussten er und
seine Freunde um das tägliche Essen kämpfen. Die Reaktion: Eine
Kunstausstellung, in der Nahrungsmittel zu Kunstobjekten erhoben wurden.
Allein ein Stempel mit der Aufschrift "Attention œuvre d'art" enthob
die einfache Butter, die sterile Zuckerdose oder das Tomatenmark in
der Flasche dem profanen Bereich der Konsumgüter. Spoerri ging noch
einen Schritt weiter und ließ Brötchen mit Abfall füllen. Katalog
Tabu, Eat-art nannte er diese Objekte, die selbstverständlich auch
in der Ausstellung auf der Praterinsel zu sehen sind. |
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Alle Aspekte von Eat-art kann eine solche Ausstellung natürlich
nicht nachzeichnen, insbesondere die vielen Happenings, bei denen Spoerri
lediglich als "Koch, Gastronom oder Impresario großer Feste zum Initiator
von Kommunikation und von sinnlichen Ereignissen" wurde und in Erscheinung
trat. Denn auch wenn die ritualisierten Banketts in Form von Fotografien
und Aufzeichnungen dokumentiert sind, ein unmittelbarer Eindruck kann
dadurch nicht vermittelt werden. Dennoch, und das macht die Ausstellung
"Daniel Spoerri presents Eat-art" zu einer sehenswerten, wird
etwas von dem damaligen Geist in den Exponaten ersichtlich. Da gammeln
ausgedrückte Kippen in einem Aschenbecher, ein Weinkorken liegt neben
der Flache, Essensreste kleben auf weißem Porzellan. Der Tisch sieht
aus wie ein Schlachtfeld. Alles deutet darauf hin, dass hier ein barbarischer
Eingriff stattgefunden haben muss. Und dann das ordentlich zusammengelegte
Besteck des Gastes. Kniggemäßig liegt das Messer rechts von der Gabel,
zeigt an, dass das Mahl beendet ist. Plötzlich taucht in dem Chaos
Kultur auf, wo man keine vermutet hat.
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Daniel Spoerri ist ein Künstler der Kontraste. Warum quillt
Teig aus dem Schuh, läuft der Film verkehrt herum ab? Was macht
der Tisch an der Wand? Statt einer prächtig gedeckten Tafel, an der
man die Symmetrie des Gedecks oder die Schönheit des Bestecks bewundern
kann, zeigt Spoerri den abgeschlossenen Akt der Nahrungsaufnahme. Raffiniert
verweist er damit den Betrachter auf den Ursprung der Nahrung. So ekelt
man sich nicht vor dem abgenagten Lenden-Steak-Knochen, weil hier ein
Mensch gegessen hat, sondern weil man an den Ausgangspunkt des Fleisches
erinnert wird: die Kuh, der Metzger, das Schlachthaus, das Blut. Daniel
Spoerri ist kein Künstler, der allein zu eingeweihten Kunsthistorikern
spricht. Spoerri ist ein vitaler, lebensfroher Mensch, der mit viel
Witz und Ironie die Dinge betrachtet. Dass er darüber hinaus zum Denken,
Sinnieren, ja auch zum Philosophieren anregt, weist ihn als einen Künstler
von großem Format aus. Allein Neugier muss der Betrachter von Eat-art
mitbringen, denn ohne diese bleiben ihm die Kunstwerke verschlossen.
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