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besprechung
in neuem und anderem licht

albrecht dürer
die gemälde der alten pinakothek und druckgraphik

eine ausstellung in der Neuen Pinakothek

Dem Alltag des großen deutschen und historisch schon früh verklärten Künstlers Albrecht Dürer kommt man in der Ausstellung der Neuen Pinakothek auf die Spur. Wie entsteht ein Bild? Vom Auswählen, Zuschneiden und Zusammenleimen des Holzes, bis zur Auswahl und Beschaffung der Pigmente, über all das informiert diese - wissenschaftliche - Ausstellung. Die Erkenntnisse über das Grundieren, die ersten Vorzeichnungen, bis zur endgültigen Fassung, aber auch über spätere Eingriffe sind für die Interpretation des jeweiligen Werks jedoch von noch größerer Bedeutung. Die Ausstellung mit ihrem umfassenden Katalog dokumentiert die größte bisher vorgenommene maltechnische Untersuchung der Gemälde des Nürnberger Meisters.
Etwas paradox mutet das Zustandekommen dieser Ausstellung an, denn wenngleich sie Einblicke in den Entstehungsprozeß der Bilder offenbart, war der Auslöser die Zerstörung von drei Werken der Alten Pinakothek.

1988 fielen die ‘Schmerzensmutter’, die ‘Glimsche Beweinung’ und der ‘Paumgartner Altar’ einem Säureattentat zum Opfer. Die darauffolgenden zehn Jahre wurden nicht nur für die Restaurierung benötigt, sondern auch zu eingehenden Untersuchungen genutzt. Zwei der großformatigen Gemälde präsentieren sich nun nahezu im alten Glanz, die ‘Schmerzensmutter’ ist jedoch noch nicht wieder hergestellt; sie ist dennoch für kurze Zeit in der Ausstellung zu sehen. Das Interesse des Besuchers konzentriert sich jedoch nicht nur auf die Gemälde, sondern vor allem auf die Infrarotreflektographien bzw. Röntgenaufnahmen, die mit einem neuen (digitalisierten) Verfahren entstanden sind und somit in unglaublicher Qualität präsentiert werden können.

Die sichtbar gemachten Unterzeichnungen vermögen einen neuen Eindruck von der Schaffenskraft Dürers zu geben. Seine unterschiedlichen Ausdrucksweisen in der Malerei sind schon früher erkannt worden. So kann man mit bloßem Auge zwischen den aufwendig ‘gemalten Gemälden’ und denen mit besonderer zeichnerischer Qualität unterscheiden. Letztere sind - um Beispiele außerhalb Münchens zu nennen - z.B. das kuriose Bild des ‘Zwölfjährigen Jesus unter den Schriftgelehrten’ (1506) in der Thyssen-Sammlung oder auch die nicht minder aufregenden ‘Adam und Eva’-Tafeln im Prado (1507), also ebenfalls in Madrid. Der zeichnerische Stil drückt sich hier in der aufwendigen Modellierung der Formen durch mit dem Pinsel gezogene Schraffuren aus. Vergleichbar ist diese zeichnerische Struktur, die begünstigt durch die nachträglich transparent gewordenen Bindemittel ist, mit der Unterzeichnung vom berühmten ‘Selbstbildnis’ von 1500. Der Unterschied ist, daß diese erst durch die Infrarotaufnahmen sichtar wird. Demgegenüber stehen die wesentlich knapper gefaßten Vorzeichnungen der späteren Werke, besonders eindrucksvoll bei den ‘Vier Aposteln’ (1526). Von einer unglaublichen zeichnerischen Virtuosität zeugen jedoch alle Unterzeichnungen - mit Ausnahme der Holzschuherschen Beweinung’ (1500?), die dementsprechend wohl endgültig der Dürer-Werkstatt zugeschrieben werden muß. Neues gibt es auch vom ‘Paumgartner-Altar’ zu berichten, dessen Seitentafeln aus einem anderen Holz als die Mitteltafel bestehen, was evtl. für eine gesonderte (= spätere?) Anfertigung der Seitentafeln sprechen könnte.
Es gibt noch unglaublich viel zu entdecken bei dem wohl berühmtesten deutschen Künstler. Seine außerordentliche malerische Qualität wird in ihrem breiten Spektrum erneut wunderbar deutlich, doch auch seine graphisch-zeichnerischen Qualitäten sind hier zu bewundern. In Ergänzung zu der genauen Betrachtung der Gemälde bestückte die Graphische Sammlung zwei Kabinette mit den bedeutendsten druckgraphischen Arbeiten des Meisters.

Christian Schoen






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