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Camille d’Olivier, Weiblicher Akt, 1888

314 04|05|2004
besprechung
eine neue kunst? eine andere natur!
kunsthalle der hypo-kultur-stiftung
von 1. mai bis 18. juli

 

Die Ausstellung "Eine neue Kunst? Eine andere Natur!" in der HypoKunsthalle lässt sich im weitesten Sinn als Folge der bereits 1970 präsentierten Werkschau "Fotografie nach der Malerei" betrachten. In beiden Ausstellungen geht es um das Wechselverhältnis von Fotografie und Malerei, wobei die Betonung der früheren, von Schmoll gen. Eisenwerth kuratierten Ausstellung auf dem "nach" lag, während für die aktuelle Ausstellung die Situation doch eine etwas andere ist: zahlreiche kunsthistorische Forschungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Fotografie und Malerei nicht nur ein am Rande erwähnenswertes war, sondern dass die Entstehung vieler (malerischer) Werke mit bestimmten stilistischen Ausprägungen im 19. Jahrhundert ohne die der Fotografie eigene Ästhetik gar nicht denkbar gewesen wäre.
Entsprechend liegt der Schwerpunkt der aktuellen Ausstellung weniger auf der Malerei als auf der Fotografie, weshalb von den 300 gezeigten Exponaten nur ein geringer Teil auf die Malerei entfällt (ca. 40).

   
dialog zwischen den medien
Giacomo Caneva Pifferaro, 1850

In 14 Kapiteln zeichnet die Ausstellung den Dialog zwischen Fotografie und Malerei nach, wobei gleich der erste Raum zu den unbestrittenen Höhepunkten der Ausstellung zählt. Das bereits hundertfach reproduzierte Buch "Pencil of Nature" von Henry Fox Talbot ist hier mit einigen Originalaufnahmen aus den 1840er Jahren vertreten, die den Unterscheid zu den Reproduktionen sehr deutlich machen. Die hoch empfindlichen Abzüge, die nur einer minimalen Lux-Zahl ausgesetzt werden dürfen - die ganze Ausstellung ist in diffuses Dämmerlicht getaucht, das, nicht immer zur Freude des Betrachters, zum Schutz der Bilder notwendig ist - gehören zwar zu den ersten fotografischen Aufnahmen überhaupt, zeigen in der Wahl der Bildausschnitte aber gleichzeitig eine erstaunlich Modernität. Diesen Aufnahmen steht eine in Größe und Ausschnitt ähnelnde Ölstudie von Friedrich Wasmann, "Offenes Fenster" von 1830, gegenüber, die man aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu den ausgestellten Fotografien auf den ersten Blick für eine eben solche hält. Bildauffassung wie auch die Wahl des Sujets waren bei Malern und Fotografen folglich nicht allzu weit voneinander entfernt, so dass sich die Erfindung der Fotografie entsprechend auch nicht als plötzlicher Einfall technisch begeisterter Tüftler interpretieren lässt, sondern ihr Auftauchen durchaus mit den Interessen der Maler in Zusammenhang gebracht werden muss.
Diesen Ansatz verdeutlicht auch der zentrale Raum der Ausstellung, der der Landschaft gewidmet ist. Unterteilt in

  • Paysage intim
  • Gletscher- und Berglandschaften und
  • dem Abbilden von Wolken und Wellen
    zeigen Fotografien wie Gemälde die Gemeinsamkeiten in der Landschaftsdarstellung.
   

querschnitt fotografischer produktion

Jean-Léon Gérôme Pifferaro, 1854

Geleitet von einem spätromantischen Ansatz ging es sowohl den Malern wie den Fotografen um das Aufzeigen der Vergänglichkeit und der Winzigkeit des Menschen angesichts sich auftürmender Gletschermassen und vorüberziehender Wolkengebilde.

Zwar können nicht alle thematisch geordneten Räume das Thema der Ausstellung vollkommen überzeugend vermitteln - die physiognomischen Porträtfotografien fallen in diesem Zusammenhang etwa ebenso heraus wie die Architekturfotografien, die in der Malerei ihresgleichen vergeblich suchen -, doch liefert die Ausstellung insgesamt ein umfassendes Bild von dem Wechselspiel von Malerei und Fotografie, das zudem (fast) die gesamte Bandbreite fotografischen Schaffens im 19. Jahrhundert festhält (Körperbilder, Tierstudien, Orientalismus, Industriebilder....). Dabei ist es vor allem die hervorragende Hängung, die die gegenseitige Beeinflussung beider Medien häufig auf überraschende Weise hervorhebt, etwa wenn Adolph von Menzels "Wolkenstudie" (1851) auf Carlo Baldessare Simellis Wolkenfotografien treffen oder eine Kalotypie Giacomo Canevas einen "Pifferaro" exakt so wiedergibt wie es ein Gemälde von Jean-Léon Gérômes leistet.

Die Ausstellung wird von einer Vortragsreihe begleitet, die jeweils Dienstags um 18 Uhr im Literaturhaus am Salvatorplatz stattfindet.

  • 11. Mai, "Eine neue Kunst? Eine andere Natur", Dr. Ulrich Pohlmann
  • 18. Mai, "Lenbach und Stuck - Zwei Münchner Malerfürsten und die Fotografie", Prof. Dr. Schmoll gen. Eisenwert
  • 25. Mai "Adolph Menzel und die Fotografie", Dr. Claude Keisch

Außerdem ist zur Ausstellung ein hervorragender, wenn auch nicht billiger (35,- ) Katalog erschienen, der die genannten Themen umfassend dokumentiert. Sieht man von einem Essay von Schmoll gen. Eisenwerth ab, in dem der Kunsthistoriker anstatt einen Rückblick über die 1970 von ihm kuratierte Ausstellung zu geben, auf schon fast anmaßende Weise ausschließlich seine persönlichen Leistungen hervorhebt (ich, mich, meine Vorlesungen, meine Essays, mich als Gastprofessor etc.), ist der Kauf des Kataloges schon aufgrund der guten Abbildungsqualität unbedingt zu empfehlen.

Christine Walter

 

 


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