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besprechung
food for the mind
Die Sammlung Udo und Anette Brandhorst

eine ausstellung in der staatsgalerie moderner kunst
von 09.06.2000 bis 08.10.2000


miró und picasso

Endlich! Die Münchner Museumslandschaft, die sich bisher mit dem Repräsentieren von Gegenwartskunst eher zurückhielt, ist durch die Sammlung Brandhorst entscheidend bereichert worden.

Jean Mirós Collage „Papier collé„ wurde 1971 zum Ausgangspunkt der Sammlung. Die für den Künstler ungewöhnliche Arbeit, in der er sich von der Malerei abwandte ist typisch für die Sammlung Brandhorst, die sich zum Ziel setzte, überwiegend für die Entwicklung der modernen Kunst bedeutende Werke zu sammeln.

Die klassische Moderne wird vertreten durch Arbeiten von Malewitsch, Schwitters, Arp und Picasso. Einen Höhepunkt bilden die fast vollständig gesammelten illustrierten Bücher von Picasso, die in eigens von einem Bühnenbildner geschaffenen Vitrinen zu bewundern sind.

   
twombly und warhol

Einen herausragenden Schwerpunkt bilden die Gemälde und Skulpturen von Cy Twombly, dem führenden Vertreter der lyrisch-musikalischen Richtung des American Abstract Expressionism. Die Schrift ist wesentlicher Bestandteil seiner Arbeiten, die man nicht vollständig lesen, aber betrachten kann – akustisch wahrgenommen entsprechen sie dem Flüstern oder Tuscheln. Ebenso ist seine Malerei nicht vollständig, ist flüchtig, mit Kratzern und Tropfnasen, sie soll den Inhalt nur andeuten, nicht ausformulieren. Die Stadt New York wird z.B. durch weiße unregelmäßig horizontale Striche auf blauem Grund angedeutet. Im Kontrast dazu stehen die Arbeiten von Andy Warhol, die überwiegend im mittleren großen Ausstellungsraum zentral präsentiert werden. Zu sehen sind u.a. Warhols Selbstportraits, das Portrait von Joseph Beuys, die „Eggs„, „Crosses„, „Knives„, das „Gun„ sowie „The Last Supper„.

   
die tendenzen der 2. hälfte des 20. jahrhunderts

Daneben bieten die Werke von Polke, Beuys, Merz, Kounellis, Nauman, Katz, Baselitz, Richter, de Kooning, Koons, Flavin, Palermo u.a. ein breites Spektrum der die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts prägenden Tendenzen. Der Besucher wird beim Betrachten der einzelnen Werke - die nach optischen Gesichtspunkten ausgestellt sind - ständig wechselnden Gefühlen ausgesetzt. Er wird konfrontiert mit Kounellis’ Papagei, der am Rande eines Farbtopfs sitzt, der zwischen die Seiten eines Buches geschoben wurde, wobei die oberen aufgeschlagenen Seiten wesentlich kürzer sind als die unteren, auf welchen der Farbtopf steht. Mario Merz plaziert in die Mitte des Raumes einen Haufen – ein Iglu? – von Stoffsäcken, bekrönt durch eine Leuchtschrift mit den Worten „Mai alzato pietra su pietra„ (Nie Stein auf Stein gehoben). Joseph Beuys ist u.a. durch seine „Dumme Kiste„ vertreten, deren Holzplatten jeweils durch Filzstoff voneinander getrennt werden. Interessant sind Richard Tuttles „Medusa„ in Form eines blauen Ovals, Georg Baselitz’ „Frau aus dem Süden„ als gelber Holzkopf auf einem Stativsockel, oder Sigmar Polkes „Marienerscheinung„ – Maria als ovale Form, die sich im Raster aufzulösen scheint. Bruce Naumann schockiert durch sein „Hanging Cat„ aus Fugenschaum und Draht, Katharina Fritsch irritiert durch Reihungen vertrauter (?) Gegenstände, die durch die neue Gesamt- und Erscheinungsform verfremdet werden – leuchtend gelbe Madonnenfiguren werden in kreisrunden Reihen zu einem Zylinder übereinandergestellt.

   
die gegenwart



Die zeitgenössische Kunst wird vertreten durch die die aktuelle Kunstdiskussion beherrschenden Künstler wie Robert Gober, Damien Hirst oder Mike Kelley, die jeweils in besonderer Weise mit Alltagsgegenständen den Betrachter zu irritieren wissen. Die Künstler – so scheint es – wollen nicht nur nachdenklich stimmen, sondern auch amüsieren. Die Werke haben nicht selten ironischen, ja sogar bisweilen albernen Charakter. Oder welchen Eindruck hat der Betrachter, wenn er die Treppe zum ersten Stock der Ausstellung hinaufschreitet und plötzlich am Boden auf einer weißen Decke zwei Plüschtier-Eisbären – Mutter mit Jungem – erblickt? Erst später wird der Betrachter auf die Worte aus dem Radio aufmerksam – „What is secreted inside of us, slowly becomes part of us„. Ob im Betrachter dabei die verdrängten Ereignisse aus der Kindheit wachgerufen werden – wie angeblich vom Künstler beabsichtigt - sei dahingestellt und sollte von jedem selbst vor Ort getestet werden.

Die Ausstellung besticht durch ihre einzigartige Vielfalt der ausgestellten Werke, die wahrlich „Food for the mind„ des Betrachters sind. Wer nicht fünf Jahre warten will, sollte sich die Sammlung nicht entgehen lassen, die erst im Jahr 2005 im Erweiterungsbau der Pinakothek der Moderne umfangreich präsentiert werden wird.

veronika hausler



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