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280 29|06|2003 | besprechung grotesk! 130 jahre kunst der frechheit |
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Die Ausstellung "Grotesk! 130 Jahre Kunst der Frechheit", ein Import aus Frankfurt, entstand in Zusammenarbeit der Kuratorinnen Pamela Kort und Stefanie Rosenthal und den jeweiligen Direktoren Max Hollein in Frankfurt und nun Chris Dercon in München. In der Eröffnungsrede kündigte Dercon die Absicht an, die Geschichte des Hauses der Kunst "kritisch zurückzubauen", wozu diese Ausstellung ein erster Schritt sei. In Annäherung an die "Ehrenhalle" des Hauses, in der 1937 "entartete Kunst" gezeigt wurde, hat das Team der Münchner Grotesk-Inszenierung die Da-Da-Box aufgebaut. Der Kubus mit den Zeugnissen einer vergangenen Zeit, Bilder, die schon einmal als Da-Da-Wand Inhalt einer Ausstellung im Haus der Kunst waren. Dies mag wohl einer der inhaltlichen und thematischen Mittelpunkte der Ausstellung sein, vielleicht auch die nachvollziehbarste Identifikation mit dem Begriff "grotesk" (mit Ausrufezeichen!) selbst. Dieser Titel, glaubt man Dercon und seiner Kuratorin, ist in vielerlei Richtungen auszulegen, sowohl als Gegenentwurf zu einer autoritären Kunst (wie z.B. der Nazidiktatur), als anarchistisches "Anderes", als Gegenwelt zu einer in der Kunst thematisierten Welt des Wahren und Schönen (ja? ist sie das?) und auch als zeitgenössischer Ausdruck für ein Wissen um ein persönliches Scheitern am Postulat eines "idealen" Lebens. In diesen weitgefassten Fokus kann man nun allerlei hineintransportieren, was hier auch geschah. |
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Die Anordnung der Arbeiten sei, betont man, nicht chronologisch, sondern inhaltlich. So gruppieren sich um den Da-Da-Raum Arbeiten von Maria Lassning, Thomas Schütte und Martin Kippenberger. Persönlich hätte ich hier lieber die unsägliche Installation von Jonathan Meese gesehen, von dem ich eigentlich gehofft hätte, er wäre nun endlich wieder "aus der Mode" gekommen - die subversiv-frechen Da-Da-Inszenierungen hätten seiner inhaltsleeren Installation möglicherweise ein bisschen Weihe und Bezug gegeben (oder sie als dümmlich-pubertäre Brabbelei entlarvt, die sie ist??). Nun jedenfalls ist die Installation in einen Seitenflügel verbannt und quakt dort pseudo-provokant vor sich hin. Berührend im buchstäblichen Sinne die Installation auf der Gegenseite, wo BetrachterIn sich durch hängende, ausgestopfte Socken/Strümpfe tasten muß und den anschließenden Raum durch einen schmalen Durchstieg in der Wand betritt. Grotesk anzusehen, für die bereits im Raum befindlichen Personen, wie dort der Neuankömmling blinzelnd durch das Loch in der Wand tritt. Nach überstandenem Schrecken darf man sich hier an den Arbeiten von Sigmar Polke freuen, immer ein intelligentes Spiel mit dem Abseitigen. Unverständlich war mir der Film von John Bock, dafür bin ich vielleicht schlicht nicht intelligent genug. Weiteres von diesem Künstler kann man sich am 10. Juli angedeihen lassen: Im Theater im Haus der Kunst findet in Kooperation mit der Ausstellung eine Uraufführung statt: das Stück "ZeroHero" ist eine Auftragsarbeit des Bayerischen Staatsschauspiels an den Künstler und beschäftigt sich inhaltlich mit einem Transponat der Kaspar Hauser Geschichte in "...den Kosmos der Wörter, Bilder, Objekte und Geschichten, mit denen wir aufgewachsen sind: Glamrock, die beiden Uschis, der weisse Wal, Strickpullover ... " (Ankündigung, Haus der Kunst). |
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Zum Thema der Ausstellung findet am 10. Juli um 11h eine Lesung statt, am 08. Juli, 20.00h eine Diskussion; auf englisch mit u.a. der Kuratorin Pamela Kort, und im Cross Over mit dem Filmfest München Filmvorführungen von Ulrike Ottinger. Ein Wiedersehen mit ihren wundervollen Filmstils, die so herrlich die Waage halten zwischen dem schier Unglaublichen, dem ästhetisch Wunderschönen und dem surreal (grotesk) Wider-natürlichen kann man auch in der Ausstellung feiern. |
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Insgesamt eine interessante Ausstellung, vielleicht streckenweise zu bemüht, inhaltliche Anknüpfungspunkte zwischen den gezeigten Exponaten und dem Thema zu konstruieren. Vergißt man jedoch den Titel, sieht man eine Ausstellung, die sich abseits vom bekannten Mainstream-Zeitgenösssich-Modernen abspielt, ohne diesem eklatant zu widersprechen, eine gelungene Mischung zeigt zwischen Bekanntem und bisher nicht (oder selten) Gesehenem. Schön in diesem Kontext auch die Bilder aus dem 19. Jahrhundert, allen voran Böcklin, auch wenn der Beweis, er sei ein Ur-Vater der klassischen Moderne, nicht konsequent angetreten werden kann. Was aber eigentlich nicht besonders stört. |
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