der
"anblick ihrer angst"?
|
|
Harmlos nehmen sich alle weiteren Ausstellungsbeiträge
daneben aus. Fast erscheint der mitteleuropäische wohltemperierte Narzißmus,
der hier gepflegt wird, neben dem ukrainischen Elend als Farce. Isabelle
Heimerdinger beobachtet beispielsweise die Schauspielerin Terri, die
einen Hollywoodfilm beim Ansehen mitempfindet. Für den Betrachter spiegelt
sich die filmische Ausdruckskraft in Terris fotografischer Mimik als Echo
wider. Doch Terri reißt ihn nicht mit, die emphatische Kraft bleibt
im Bild eingeschlossen, auch die Kuschelecke und eine Kopie des Drehbuchs
helfen nicht (Terri watching Gloria again, 1998).
Dunja Evers "Portraits" (1997) bleiben sprichwörtlich
in der fotografischen Schicht gefangen. Gesichter aus Filmen wurden reproduziert
und mit einer farbigen Lasur versehen. Wie ein dicker Nebelschleier legt
sie sich über das schemenhaft erkennbare Antlitz. Ob es schläft
oder wacht, ob stumm oder beredet, "es" bleibt für sich allein
und gerät in die Nähe leblosen Ornaments. Die Kamera fungiert
hier nicht mehr als Medium der Kontaktaufnahme, so wie sie Zoltán
Yókay auf ganz klassische Weise einsetzt. Er bat Unbekannte auf
der Straße, sie fotografieren zu dürfen, und hat so einige schöne
Exemplare eingefangen. Ebenso selbstbewusst wie zerbrechlich wirken sie.
Hat erst die Kamera sie ihrer selbst bewusst werden lassen? Und dann hat
deren unverschämte Neugier die Verletzbarkeit ausgelöst, erst
an die Oberfläche gebracht? Ähnlich scheint sich Rineke Dijkstras
Objektiv auf junge Menschen am Strand auszuwirken, doch aus Verlegenheit
fallen sie scheinbar willkürlich in Posen der klassischen Kunstgeschichte
(Hilton Head Island, S.C. USA, 24. Juni 1992). Mehr Zurückhaltung hätte
dem zahnbezäumten Mädchen aus Dijkstras neuerer Videoarbeit nicht
geschadet: Es wird und wird nicht müde, einen Backstreet Boy Song zu
intonieren, die Endlosschleife zwingt den Zuseher alsbald, sich resigniert
abzuwenden. (Annemiek, 1997). Wie bei diesem Video fühlen sich die
Protagonisten in Ursula Roggs Aufnahmen von der Künstlerin scheinbar
unbeobachtet. Und doch agieren sie merkwürdig steif und ungelenk. Aufschluss
gewinnt man erst durch Nachlese: Ein Fernsehkoch des britischen Vorabendprogramms
hat Durchschnittsbürger in ihr Heim begleitet, um sich in ihrer Privatküche
filmen zu lassen. Die Fernsehkamera verströmt medusens Wirkung - die
Fotografin brauchte als unbeteiligte Dritte nur noch abzudrücken (Surprise
Chefs, 1997). Völlig anteilslos an seinem Werk erscheint auch Richard
Hoeck: Eine Bauchtänzerin tanzt vor laufender Kamera, von deren
Existenz sie niemand in Kenntnis gesetzt hat. Martin Kippenberger gewidmet,
der einmal gesagt habe, dass der Künstler nur ein Bauchtänzer
sei. Einer, der sich windet, um seinem Publikum zu gefallen. Der seinen
Reiz anpreist, um ihn im gleichen Zuge dem Zuseher wieder zu entziehen.
Der Reiz der Arbeit liegt darin, den Betrachter zum ungebetenen Voyeur zu
stempeln. Mit Video arbeitete auch Matthias Wähner, der als
"Mann ohne Eigenschaften" in den 90er Jahren Pressebilder mit
seinem Konterfei "betrat". Nun projieziert er Screenshots von
Homepages unkommentiert an die Wand, über Kosovo und Nato, Neonazis
und Serben (Warshots, 1999). Offizielle und private Sites mischt er und
erweckt so den Eindruck inhaltlicher Orientierungslosigkeit im Netz. Subjektive
Eindrücke werden hier fahrlässig vermengt, dem ahnungslosen User
als objektive Berichterstattung verkauft? Um wieder auf die Intention der
Ausstellung zurückzukommen: Wie spiegelt diese Arbeit ihren Autor wider?
Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten hält er sich raus, gibt
sich als Operateur am Videogerät. Subjektiv ist lediglich die Auswahl,
die er traf - und die ist durch die Verbindung mit politischen Themen subversiv.
Sie ist gefährlich, weil sie ein Bild liefert, das den Tatsachen ausserhalb
der Kunst so nicht entsprechen muss. Oder ist dies der "Anblick seiner
Angst", mit dem er uns "belästigt"? |