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18|03|2003 |
e-mail-interview
abgründe hinter verschlossenen mauern
häuserbilder von ingmar alge |
correspondence
ingmar alge - paul winstanley
eine
ausstellung in der
dany keller galerie
von 06.03.2003 bis 03.05.2003
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Das folgende Interview wurde komplett per E-Mail geführt. Herzlichen
Dank an Ingmar Alge.
Andrea Hartmann: Lieber Ingmar, in der Dany Keller Galerie
zeigst Du zum zweiten Mal eine Auswahl Deiner großformatigen Ansichten
von Wohnhäusern, die so seltsam verschlossen und abweisend wirken. Was
reizt Dich an dem Thema Haus?
Ingmar Alge: Die einen malen Menschen, die anderen eben Häuser. Ich
könnte Dir jetzt eine Unzahl von Gründen aufzählen, warum es heute relevant
und wichtig und bedeutsam ist, Häuser zu malen - ich habe mich eingehend
damit beschäftigt. Ich weiß nicht warum - wüsste ich es, würde ich wahrscheinlich
keine mehr malen. |
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sinnbilder des unbehagens
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A.H.: Anders gefragt: Haben Deine Häuser für Dich etwas von Sinnbildern
oder Porträts und wenn ja - für was?
I.A.: Na ja, die Häuser sind wohl Sinnbilder meiner Angst, meines
Unbehagens. Das jetzt genauer zu begründen ist sehr schwierig, aber
ich fühle so etwas wie einen riesengroßen Abgrund hinter diesen Mauern,
der mich interessiert, von dem ich aber gleichzeitig weiß, dass es
da ziemlich gefährlich werden kann. Darum halte ich Abstand.
A.H.: Dieses Unbehagen, von dem Du sprichst, spürt man auch als
Betrachter Deiner Bilder sehr deutlich. Heruntergelassene Rolläden,
stockdustere Eingangsbereiche und vor allem die in einem zweiten Schritt
wieder zugemalten Fensteröffnungen machen die Häuser zu uneinnehmbaren
Festungen oder aber zum Gefängnis ihrer imaginären Bewohner. Garagen,
die den Blick auf das eigentliche Wohnhaus abschirmen, oder auch eine
Hecke, die sich wie eine Polizeikette vor dem Haus aufgestellt zu
haben scheint - die Mittel, mit denen Du emotionale Distanz aufbaust,
sind vielfältig. Deine Arbeiten entstehen nach Fotografien, die Du
selbst aufnimmst. Mich würde interessieren, wie viel Manipulation
der Vorlagen notwendig ist, um die beschriebene Wirkung der gemalten
Bilder zu erreichen.
I.A.: Das kommt darauf an. Es gibt Arbeiten, die fast unverändert
sind, und andere, die fast nichts mehr mit dem zu tun haben, was ursprünglich
auf dem Foto war. Letztendlich versuche ich einfach, mein inneres
Bild über das reale Vorbild zu stülpen. Da kann dann eben mal eine
Tür dran glauben oder ein Baum.
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vom inneren bild zum gemälde
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A.H.: Bearbeitest Du die Fotovorlagen denn auch im Computer? Ich
denke da an Bilder, deren Farbstimmung ausgesprochen künstlich wirkt.
I.A.: Ja, schon seit langem. Und natürlich beeinflusst auch er - mal
mehr, mal weniger - meine Malerei. Der Computer ist mein Skizzenbuch,
ich überprüfe dort meine Bildideen, verändere und füge sie in anderer
Kombination wieder zusammen. Dieses Medium ermöglicht es mir, mit
verhältnismäßig geringem Aufwand, meine Vorstellungen davon, wie etwas
dann im Bild aussehen sollte, ansatzweise vorwegzunehmen. Mittlerweile
weiß ich ziemlich genau, wie weit ich Photoshop vertrauen kann und
ab welchem Zeitpunkt es notwendig wird, Pinsel und Farbe in die Hand
zu nehmen. Ich habe kein Interesse daran, mehr Zeit als unbedingt
notwendig mit selektiven Tonwertkorrekturen usw. zuzubringen.
A.H.: Künstlern, die erkennbar nach fotografischen Reproduktionen
der Realität arbeiten, wurde von Seiten der Kunstkritik oft ein medienreflexiver
oder medienkritischer Impetus zugeschrieben. Die durch Massenmedien
vermittelte Wahrnehmung der Realität - ist das ein Thema für Dich
oder steht für Dich eher der praktische Aspekt des Malens nach Fotografien
im Vordergrund?
I.A.: Ohne sich jetzt zu tief auf einen kunsttheoretischen Diskurs
einzulassen, kann man doch sagen, die Wahrnehmung der Realität ändert
sich laufend, z.B. glaubte noch vor zehn Jahren die Mehrheit von uns,
ein Foto würde mehr oder weniger Realität "abbilden". Langsam ging
diese Vorstellung verloren. Heute ist klar, dass es kein unbearbeitetes
Foto mehr in den Medien gibt, es gibt sogar schon wieder Modefotografen,
die ähnlich wie die "Dogma"-Filmleute mit ihren Handkameras keine
digitale Bildbearbeitung mehr an ihren Fotos zulassen, sozusagen "Biofotografen".
Das finde ich irgendwie sympathisch. Andererseits, würden sie doch
an ihren Models herumbasteln, würde es auch keiner merken. Wir werden
also die Wahrheit nie erfahren. Fast wie im wirklichen Leben. Ich
kann mir also gut vorstellen, meine Staffelei auch wieder ins Freie
zu tragen. Allerdings - ich male auch jetzt nicht "nach Fotografien".
Fotografien können helfen, wie auch Computer oder gute Farben. Aber
das war's auch schon. Nicht ganz: diese ganzen Mittel können auch
zum reinen Selbstzweck degenerieren und dann wird's kritisch.
andrea hartmann
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