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besprechung sag mir, was du ißt...
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"I Dreamt I Kissed Your Perfect Lips", raunt ein Schokoladenkuchen
mit rauchiger Stimme dem Betrachter zu. "I Want to Know What
it is Like to Taste Your Mouth", singen die Desserts von gegenüber
im Chor. Julia Jacquette schlägt in der Galerie Oliver Schweden den Ton des Menschens liebstes Kind direkt, ohne Umwege über kognitive Sicherungen des Verstandes an. Jeder, ohne Ausnahme kann sich begeistern für diese emailierten Hochglanztableaus, für die minitiöse Darstellung kulinarischer Errungenschaften und für die eingängigen Slogans, die sie begleiten. Personifizierte Kuchen hängen da beispielsweise, Männer als süßes Zuckerwerk, der Nachtisch der Famme Fatale, den sie sich auf der Zunge zergehen läßt: eine Reihe von Bildern versammelt tatsächlich jeweils einen männlichen Vornamen mit einem Glibberpudding oder einem Sahnebaiser. - Die Männer, die diesen Darstellungen ihren Namen liehen, kann man sich wahrhaft bildlich vorstellen. Dann die redenden Bilder: Der Wunsch, von Lippen zu kosten, den Mund zu schmecken, ihn gar gegen den eigenen Mund zu drücken geht mit schimmernden Kalorienbomben einher. Weiß nicht jeder, was gemeint ist? Essen und Liebe, Erotik und Schlemmen - Assoziationen, die auf der Hand liegen. Schließlich ist jeder damit aufgewachsen. Von jedem Plakat, von jeder Fernsehwerbung bekommen wir das zu hören: Iß und du bist schön. Je schöner die Speisen, desto begehrenswerter die Köchin. Oder funktioniert das doch nicht so leicht? Ist die Wurstplatte lediglich Zeugnis exzessiver Freßanfälle aufgrund von Liebesfrust? Sind die Sahnetörtchen doch nicht übereinzubringen mit dem lockenden Kußmund? Ist Begehren doch nicht auf Hochglanz trimmbar und mit Esslust zu vergleichen? | |
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Unser gesellschaftliches Verhalten, die Struktur unseres Lebens
dreht sich doch - Hand aufs Herz - um solcherart kleinmütiger
Genüsse und Gelüste. Und verrät dabei unendlich
viel über die Konstitution unserer pragmatischen Einschätzung
von Bedürfnisbefriedigung. Freud läßt grüßen:
Triebsublimierung. Wer keinen Mann abbekommt, muß Torten
lieben. Doch es muß sich nicht gleich ums Ärgste drehen.
Essen ist auch Gelegenheit für Liebe, Liebesbeweis, Konstruktion
der Lebensart. Von der Mutterbrust bis zur intravenösen
Ernährung ist der Mensch von Nahrung abhängig, und
die so unterschiedlichen Lebensphasen lassen sich an der Konsistenz
erkennen. Torten und Wurstplatten signalisieren in unserer Kultur
unmißverständlich: Fest und Feiern, Zelebrieren, oft
eben gerade diese Übergänge von einem Lebensabschnitt
zum nächsten, und selbst am Schluß wird da ein Leichenschmaus
bereitet. Die kulturelle Komponente ging zwar allmählich
verloren, der freigewordene Posten wurde von sogenannten niedrigen
Begierden besetzt: Frust, Lust, Sucht kreisen wie ein Dreigestirn
um den "heißen Brei". Apropos - auch in die Sprache hat
sich dieser menschliche Grundpfeiler eingeschlagen, man denke
nur an das "Honigkuchenpferd" und an das "Pizzaface". Schließlich
hängt die ganze körperliche Konstitution von der Nahrungsaufnahme
bzw. -abnahme ab. Abertausende von Anleitungen existieren, wie
man mit einem bestimmten Speiseplan glücklicher wird. Und
daß ein hungriger Manager schlechter arbeitet als ein satter,
ist inzwischen wirtschaftspsychologisch auch keine Offenbarung
mehr. Noch bis zum 4.Juli ist die Ausstellung in der Damenstiftsstraße zu sehen, die man nicht so schnell vergißt. "I Can't Get the Tought of You Out of My Mind", säuselt zum Abschluß die Wurstplatte zärtlich. | |
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