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besprechung bestechende kleinteiligkeit
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Das kleine Kunstwerk geriet im Zuge der sogenannten „Zweiten
Moderne“ zusehends ins Hintertreffen. Großformatiges, Überdimensionales
überzog die Museumswände bis an den Rand deren Kapazitäten.
Dann traten die Werke in den Raum, an die Decke, raubten dem
Betrachter seinen Standpunkt. Das feinsinnige Kabinettstück,
die preziöse Kleinheit wurde nur noch durch Gattungen vertreten,
deren Technik die große Geste nicht unterstützt -
Lithographie, Aquarell und Drucke, wenngleich mancherorts auch
schon Abzüge mit der Dampfwalze gewonnen werden müssen. In der Artothek im Münchner Ignaz-Günther-Haus wird seit dem 2. Dezember gezeigt, daß Kleinteiligkeit doch noch bestechen kann. Dies außerdem in idealem Rahmen, weil das Künstlerhaus aus dem 14.Jahrhundert ein ebensolches Schmuckstück ist. In nur zwei niedrigen Räumen sind Werke so bunt nebeneinander gehängt, daß bereits die Zusammenstellung eine Augenfreude ist. Dabei wird Vielfalt praktiziert, von jedem der Münchner Künstler hängt nur jeweils ein Exponat. Und das sich nähernde Auge sucht vergeblich nach Titel und Datierung, nur der Name des Urhebers neben den Ausstellungsstücken verrät, daß es sich trotz der geringen Ausmaße um Arbeiten handeln muß, die stellvertretend für den persönlichen Standpunkt stehen müssen und können. Wie klein ist denn nun „klein“, mag man sich im Zeitalter der Peanuts fragen. Am kleinsten ist wohl die Streichholzschachtel von Beate Passow, und dennoch prangt der Künstlername auf ihrer Hülle, bedurfte nicht des danebengeklebten Hinweisschildes. Die meisten Werke überragen das DinA 4 Format nur wenig und bleiben zurückhaltend rektangulär. In diesem Rahmen dennoch herausragend erscheint beispielsweise ein unkenntliches Sandporträt von Hermann Kleinknecht oder ein Tableau von Stanislav Horvath, das von der Struktur her vorgibt, ein Fresko zu sein. Eine winzige Photographie von Ralf Peters, (sehr) frei nach van Dyck braucht auf den unabdingbaren Goldstuckrahmen nicht verzichten. Ben Willikens, dessen Klasse ab dem 2.Dezember im Kunstbunker Tumulka ausstellt, ist mit nur einer Zeichnung vertreten, aber dennoch oder gerade deswegen präsent. Ohne sich der Größenordnung zu beugen, machen einige Arbeiten die Frage nach dem Format obsolet. Das Hinterteil von Conny Siemsens Holzhummer ist einfach in der Wand versteckt; ebenso das des brüllenden Papiertiegers von Andreas von Weizäcker. Der Filzbikini von Michaela Melian ist schließlich nicht mehr auf die Wand angewiesen. Indem er sich trotzdem dort brav einreiht, wird seine überraschende Wirkung eher noch verstärkt. Es bleibt zu wünschen, das das Bild von Patricia London ante Paris den Betrachter innwendig wiederspiegelt. Seine Beschriftung: Darstellung von Glücksprozessen bei Lebewesen. | |
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