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besprechung mauern, nichts als mauern?
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Wann hat es je einen Künstler gegeben, der seinen Namen und somit
sich Selbst so bedingungslos zum Gegenstand seiner Kunst gemacht hat?
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Beinahe über Nacht findet er schließlich in der Darstellung
der Mauer, der tapia, seinen idealen Bildgegenstand. Eine Mauer soll schützen und verbergen - diese Symbolik liegt auf der Hand. Tàpies hinterläßt in ihr jedoch stets Lücken, Öffnungen - man glaubt, das, was sie verbirgt, erkennen und finden zu können. Der Künstler ersetzt den Pinsel durch Spachtel, Schaber, Kratz- und Schneidewerkzeuge. Farben werden vermischt mit Erde, Gips, Zement, Leim und Marmorstaub. Seine Mauerdarstellungen sind weder Bilder noch Skulpturen, sondern zentimeterdicke Reliefs: „Ich habe ein Bild immer als Objekt betrachtet nicht als ein Fenster, wie das in der Malerei üblich ist". Ambiguität der Kunstgattungen. Die Oberfläche einer Mauer bietet seit Urzeiten den Anreiz, Zeichen anzubringen und somit menschliche Spuren zu hinterlassen. Tàpies' Inschriften sind meist kaum zu entziffern oder zumindest doppeldeutig: Der Buchstabe T kann für Tàpies bzw. Theresa (der Frau des Künstlers) stehen, oder als Antoniuskreuz gedeutet werden. Leicht verfremdet wird es zum Christuskreuz, zum Pluszeichen oder zu einem x. Die zweite Initiale seines Namens, das A kann auch als Begrenzung (Anfang) gedeutet werden. Oft verändert Tapies es zu einem Piktogramm - dem Galgen. Der Künstler löst sein Objekt mit Chiffren und Buchstaben auf, damit der Betrachter es nicht allein mit einem Blick erfassen kann. |
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Die Gegenwart der menschlichen Existenz begegnet uns in Tapies‘
Werken nicht nur in seinen Mauergraffities, sondern auch in den Objekten,
die er auf seinen „Gemälden" anbringt. Banale Gebrauchsgegenstände
wie Kissen, Decken, Körbe, Stühle, Tische, die der Betrachter leicht
erkennen und mit denen er sich identifizieren kann. Abgesehen von
seinen frühen Selbstbildnissen wird jedoch der menschliche Körper
niemals im Ganzen dargestellt. Stets begegnen uns nur einzelne – oft
deformierte - Körperteile, insbesondere Füße (Matèria en forma
de peu, 1965) oder auch nur Fußabdrücke (Petjades sobres llit
marró, 1966) in seinen Kunstwerken. Tàpies‘ Spiel mit Ambiguitäten ist zurückzuführen auf seine
wichtigste Inspirationsquelle – die Mystik. Mit der Darstellung der
Mauer – das heißt, mit der Darstellung seiner Person – gibt er ein
Stück von sich selbst preis. Seine Mauern tragen Spuren der Verwitterung
und Kritzeleien. Verletzungen und Markierungen reißen ihre Oberflächen
auf. Ein Rest von Selbstschutz muß jedoch stets erhalten bleiben,
sein Innerstes kann von Außenstehenden nur erahnt, aber nicht
vollständig erfaßt werden. Doppeldeutigkeiten zur Bewahrung
seiner Geheimnisse.
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