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Patti Smith,  Query for Harry Smith, 2002

302 13|01|2004
besprechung
die macht des wortes -
patti smiths genresprengende arbeiten in münchen
Eine Ausstellung im Haus der Kunst stellt die Erweiterung der medialen Grenzen im Werk
der Rock-Rebellin Patti Smith vor.
eine ausstellung im haus der kunst
bis 29. Februar 2004

"Einst verband die Menschen ein Geist und eine gemeinsame Sprache", sagt Patti Smith über die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel. Das Münchner Haus der Kunst widmet Smith, die vor allem als Rockmusikerin und Dichterin bekannt ist, erstmals eine umfassende Ausstellung. Zeichnungen, Fotografien, Gedichtbände, Videos und Live-Aufnahmen veranschaulichen das vielfältige kreative Spektrum der 1946 geborenen Künstlerin. Laut Kurator Chris Dercon präsentiert die Schau kein Gesamtkunstwerk sondern öffnet Zwischenräume für Erfahrungen jenseits genrespezifischer Eingrenzungen.
Die US-Amerikanerin Patti Smith sieht den Terroranschlag vom 11. September 2001 als Ergebnis fehlender Verständigung und mangelnder Toleranz zwischen unterschiedlichen Kulturen. Sie erlebte die Zerstörung des World Trade Centers in New York aus unmittelbarer Nähe. Die Ruine des Südturms erinnerte sie an Darstellungen des Turms von Babel. Smith verarbeitete die Katastrophe in einer Bildreihe, der im Haus der Kunst Kupferstiche aus dem 16. Jahrhundert gegenüber gestellt werden.
Der Ausstellungstitel "Strange Messenger", "Fremder Botschafter", leitet sich von einem Songtext der Sängerin ab. Die Kommunikation mit dem Publikum und die Sprache in Gesang und Dichtung nehmen eine zentrale Bedeutung in ihren Arbeiten ein. Dies zeigen auch die Blei- und Farbstiftzeichnungen. Smith integriert Worte in die Bilder oder stellt die geschwungene Handschrift selbst in den Mittelpunkt. Einflüsse von Künstlern wie William Blake, Antonin Artaud oder Cy Twombly fließen ebenso in das Werk ein wie die Liebe zur Kalligraphie.

 

   
Patti Smith, Selfportrait 1969

In der Ausstellung sind auch Künstler vertreten, die mit Smith zusammen arbeiteten oder durch sie inspiriert wurden. So schuf die Modedesignerin Ann Demeulemeester eine Installation mit Details aus Smith' Gedichten.
Die gezeigten Werke knüpfen ein Netz gegenseitiger Beziehungen und kunsthistorischer Anspielungen vom Symbolismus und Surrealismus bis zum Abstrakten Expressionismus. Durch die Methode der Collage und Ausradierung überlagern sich Bild- und Bedeutungsebenen und verweisen auf den zeitlichen Entstehungsprozess. Die Zeichnungen sind durch die Gegensätzlichkeit von hartem Strich und sanfter Linie, aggressiver Farbsetzung und zarten Pastelltönen gekennzeichnet. Die Arbeiten aus den sechziger und siebziger Jahren zeigen oftmals Figuren und Selbstporträts. Auffällig ist ihr fragmentarischer Charakter sowie die Balance zwischen expressiver Gestik und geometrischer Konstruktion.
Die aktuellen graphischen Werke bewegen sich im Spannungsfeld von amorphen und umrissenen Formen, organischer Schrift und gerader Linie. Die Wiedergabe des Gegenständlichen weicht dem symbolischen Zeichen. Die skelettartige Turmruine wirkt durch die Technik des Siebdrucks, den Disaster-Bildern Andy Warhols ähnlich, wie ein Memento Mori oder Mahnmal. Als digitalisiertes, schattenhaftes Bild bildet sie die Hintergrundfolie für Verwandlungen durch Übermalung und Überschreibung. Ein zentrales Anliegen von Patti Smith ist es, Erfahrungen mit neuen Inhalten zu besetzen und dadurch ein verändertes Bewusstsein zu schaffen.

Claudia Funke

 


 



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