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besprechung
plastik und multimedia

plastik und multimedia

eine ausstellung im kunstbunker tumulka

"Plastik und Multimedia - Szenen einer Beziehung" lautet der Titel des diesjährigen Kunstbunker Beitrags zur open art. ‘Plastik und Multimedia’ ist zuallererst der Name eines Fachs an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Die Klasse wurde dort von Marie-Jo Lafontaine gegründet, jetzt leitet sie Jai-Young Park, der diese Ausstellung im Kunstbunker dementsprechend auch kuratiert hat.

‘Plastik und Multimedia’ ist im Zwischenfeld von Technologie und traditioneller Plastik angesiedelt. Die beiden Begriffe erzeugen eine gewisse Spannung, denn bei der Plastik handelt es sich um einen klassischen Gattungsbegriff aus der bildenden Kunst, bei ‘Multimedia’ läuten ersteinmal medieneuphorische Glocken, die an Cyberspace, Virtual Reality, Computerkunst usw. denken lassen. In den Räumen des Kunstbunkers werden sie heute mit 14 Video- und Fotoarbeiten sowie Installationen konfrontiert, die unterschiedlichste Themenbereiche des menschlichen Miteinanders ansprechen. Doch dazu später.

Wenn man von der traditionellen Definition eines ‘plastischen Werks’ ausgeht, dann thematisiert und gestaltet die Materie - sei es Gips, Bronze oder Marmor - in der Art und Weise ihrer Ausdehnung, den sie umgebenden Raum. Sie kann weit ausgreifen, mehr Platz als den ihr zugedachten für sich beanspruchen, sie kann sich aber auch auf ihren engsten Umkreis beschränken. Denkt man an Multimedia, so hat man vielleicht als erstes den allgegenwärtigen Fernsehbildschirm oder eine andere Projektionsform (etwa das Dia) vor dem geistigen Auge. Abgesehen von der kubischen Form des Monitors bzw. der Beschaffenheit der Wand konzentriert sich das Interesse des Betrachters (paradoxerweise) in erster Linie auf die illusionierte Räumlichkeit. Weniger läßt er sich gefangennehmen von der realexistiernden Umgebung als von der imaginierten. Der Schein verdrängt das Sein. Ergibt der Titel ‘Plastik und Mulitmedia’ nicht somit einen Widerspruch?
‘Steffi bleibt’ heißt die Arbeit von Patrizia Karda, eine Diaprojektion auf Papier und Wände. Ich möchte ihre Arbeit fast als Raumkollage ansprechen, denn sie spielt mit der Beziehung zwischen der Befindlichkeit im Realraum der Bunkerzelle und dem projizierten Bild einer Abrißwohnung. Im Raum und an der Wand hängende Papierstreifen lösen das Raumgefüge noch weiter auf, heben Einzelemente hervor, anderes tritt zurück. Wo befinden wir uns?
Bei Beate Kameckes Arbeit beobachten wir eine projizierte Labormaus, die unter einem realen Glas gefangen zu sein scheint. Die Verhältnisse kehren sich jedoch um, wenn wir merken, daß wir von einer übergroßen Mausprojektion observiert werden. Wer sieht wen? Wer inszeniert wen? Raumbezüge verändern sich, Gewohntes wird in Frage gestellt. Auch die Arbeit von Ji-Young Rhee ‘Türen’ beschäftigt sich mit der Raumerfahrung. Sie faßt die Architektur eine Bauwerks als Körper auf, konzentriert ihren Blick (der Videokamera) auf das Gesicht des Gebäudes - auf die Türen und Tore durch die wir Menschen schreiten.

Ein anderes Thema, das in unserer Zeit gerade wegen der neuen Informationstechnologien zu einem wichtigen geworden ist, ist das der Kommunikation. Die Arbeit von Marita Maul, eine Installation aus Gazestoff und kleinen insektenähnlichen Lautsprechern, rekonstruiert ein Kaffeetischszenario, das als Metapher für das Zustandekommen eines Dialogs zu verstehen ist. Demgegenüber zeigt die Videoarbeit von Eva Keil - mit dem Titel ‘Grün’ - eine Tischgesellschaft. Die Szenerie läßt an ein Theaterstück denken, ohne daß jedoch ein Protagonist oder eine bedeutungsvolle, stringente Handlung auszumachen wären. Es dominiert das Nebeneinander, das Auf-sich-selbst-bezogen-Sein der Personen, ein Eindruck, der durch die separat geschnittene Tonspur und die flankierenden Projektionen noch verstärkt wird. Auch die Arbeit von Stephen Haigh Greenwood ‘An Exile’s Letter to who knows where’ handelt vom Drama eines nichtzustandegekommenen Dialogs. Hier sind es die geschriebenen Worte eines Strafgefangenen des 18. Jahrhunderts, der seinen Brief auf seinem Transport zum Verbannungsort Australien verfaßt hat. Als Flaschenpost ist er an einen unbekannten Adressaten gerichtet und wie bei einem barocken Zerrbild können wir die im Strudel des Meeres untergehende Schrift in der Spiegelung korrekt lesen.

An dieser Stelle muß bemerkt werden, daß die Erwartungen ausgehend von dem Stichwort ‘Multimedia’ in Verbindung mit den zukunftsorientierten Häusern in Karlsruhe (also dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie und der Hochschule für Gestaltung) vielleicht nicht erfüllt werden. Da muß es doch eigentlich verwundern wieso die Künstler, statt begeistert mit den verschiedensten Techniken zu experimentieren, auf das Video als Dokument einer Performance zurückgreifen? Das war vor einem Vierteljahrhundert modern - wenn denn Modernität ein Kriterium ist.
Betrachtet man die Arbeiten vor dem Hintergrund der Geschichte des Künstlervideos bzw. vor der vor nicht allzulanger Zeit abgeflauten Euphorie, mit der die ach so neuen Medien bedacht wurden, dann muß man erstaunt zur Kenntnis nehmen, daß immer noch und immer wieder sehr klassisch mit dem Video umgegangen wird. Wie bei der eindrucksvollen Arbeit von Chun-Chi Lin beispielsweise, dient das Medium in erster Linie der Dokumentation einer Performance. Drei Stunden dauert die zum Ritual werdende Handlung, bei der sich der Künstler schwarz-weiß Kopien seines eigenen Gesichts auf eine übergestülpte Gipsmaske klebt. ‘Ich suche mich, bis ich es nicht mehr ertragen kann’ lautet der Titel seiner Performance. Um Grenzerfahrung einer wesentlich direkteren Art geht es Nadine Böll, die mit einer Kamera die Kräfteeinwirkung des freien Falls dokumentiert. Wenngleich sie sich hier unweigerlich dem Reality oder Action TV annähert, wird deutlich, daß sie das Medium in erster Linie zur Selbsterfahrung und Selbstaussage nutzt. Es ist nicht der voyeuristische Blick, der uns beim Sprung aus dem Flugzeug mitfiebern läßt, sondern das subjektiv und unperfekt (auf-)bzw. wahrgenommene.
Die während der Eröffnung entstandene Videoperformance von Sandra Ließmann ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Sie nimmt den Diskurs mit dem Fernsehen auf - allerdings auf eine sehr indirekte, emotionale Weise.

Eine auf Schnelligkeit ausgerichtete laute Welt, wie sie im Fernsehen insbesondere bei MTV eine spezielle Ästhetik entwickelt hat, wurde auch immer wieder in jüngster Zeit im Künstlervideo thematisiert. Auffällig ist, daß die einzige Arbeit, die sich im Rahmen dieser Ausstellung diesem Thema direkt annimmt, eine Arbeit stillstehender Bilder ist. Gemeint ist der Fotozyklus von Sven Erik Klein, die folgerichtig den Titel ‘Quicktime’ trägt. In diesem Bezug ist auch das ‘Holo TV’ von Nadja Schöning zu sehen, das der erwarteten Schnelligkeit der Bilder auf dem Fernsehbildschirm, das Hologramm des Fernseherinneren gegenüberstellt. Während sich der Zuschauer normalerweise faul auf seinem Sofa räkelt, während die Bilder auf ihn einstürmen, muß er sich vor dem Holo TV um das Bild bemühen. Ein Hologramm erschließt sich nur durch die Bewegung des Betrachters. Hervorzuheben als einzig interaktive Arbeit, ist die Installation von Shuichi Fukazawa. Hier wird durch die Bewegung im Raum, der Betrachter Gegenstand in einem sich anscheinend zufällig konstituierenden Bild, das sich im nächsten Moment wieder verflüchtigt hat.
Zeit- bzw. Technikkritisches findet sich in der Installation von Anja Kempe und Julia Pfeffer, die auf zwei Monitoren mit veralteten Gegensprechanlagen versuchen miteinander zu kommunizieren. Ein gewisser Anachronismus liegt nicht nur in der veralteten Kommunikationstechnik, die sie hier verwenden, sondern auch in der Anlehnung an das ‘Closed-curcuit-Verfahren’, das in der Videoperformance der 70er Jahre große Bedeutung erlangte. Eine ironische Zuspitzung erfährt die Szenerie durch die auf Amerika - dem Land des informationstechnischen Heils -verweisenden Symbole.

In den letzten Jahren ist viel über die neuen Informationstechnologien diskutiert worden. Kürzlich ist in einem Kunstmagazin kritisiert worden, daß innerhalb der fast monopolisierten multimedialen Kunst- u. Kunsttheoriefabrik in Karlsruhe, keine kritische Reflexion über die Medien stattfände, die eingesetzt werden. Angesichts dieser Ausstellung ließe sich dieser Vorwurf (mit einigen Ausnahmen) vielleicht bestätigen, doch stellt sich die Frage, ob ein medialer Autodiskurs tatsächlich ständig vonnöten ist. In dem selbstverständlichen Umgang mit multimedialen Ausdruckformen kennzeichnet sich die junge Kunst in der ‘Post-Medien-Euphorie’-Phase. Es wird sich zeigen welche Kunst, welches Medium auf Dauer die Kraft haben wird, gesellschaftsrelevante Aussagen zu transportieren. Doch hier und heute ist sicherlich nicht der Ort, um dieses zu entscheiden. “Die Frage nach der Kunst wird nicht von der Technologie entschieden, sondern liegt im Selbstverständnis der einzelnen Studierenden begründet.” schreibt Hans Belting in dem Katalog zu dieser Ausstellung.

Christian Schoen





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