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265 04|02|2003
besprechung
selbstgespräch - sam taylor-wood, tracey moffatt, rineke dijkstra
selbstgespräch

eine ausstellung in der
pinakothek der moderne von 31.01.2003 bis 31.03.2003

Dass die bayerischen Staatsgemäldesammlungen in den letzten Jahren auch im Bereich Fotografie und neue Medien zahlreiche Ankäufe getätigt haben, ist durch die eingeschränkten Ausstellungsmöglichkeiten des Hauses bis zur Eröffnung der Pinakothek der Moderne wohl kaum einem aufgefallen. Die Ausstellung "Selbstgespräch" in der Pinakothek der Moderne verschafft diesem Manko endlich Abhilfe mit Fotoarbeiten aus dem Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zusammen mit einigen Leihgaben aus Privatbesitz.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen drei zeitgenössische Fotokünstlerinnen mit Arbeiten aus jeweils zwei Serien.
Den Auftakt bildet die australische Künstlerin Tracey Moffatt (*1960) mit ihren Serien "Scarred for Life" und "Up in the Sky". Moffatt begann in den 80er Jahren mit inszenierten Fotografien, Filmen und Videos zu arbeiten, wobei ihrem Werk immer eine erzählerische, meist der Alltagsdramatik entnommene Struktur zu Grunde liegt. So verwendet Moffatt in "Scarred for Life" (1994) Text und Bild, um kleine Ereignisse zu inszenieren, die von den physischen und psychischen Verletzungen von Kindern und Jugendlichen erzählen. Ein breiter Balken über und unter den Fotografien sowie die Kombination aus Schrift und Bild erinnert dabei an die Gestaltung des Life-Magazins aus den 60er Jahren. Dieser formale Kunstgriff, Layout eines auf Sensationen abzielenden Bildjournalismus kombiniert mit unspektakulären Motiven, kann dabei als charakteristisch für Tracey Moffatt bezeichnet werden, insofern Moffatt sich zahlreicher "unkünstlerischer" Bildmittelö bedient. Die nächste Arbeit, "Up in the Sky", ist formal eine ganz andere, so dass hier Moffatts Stilpluralismus offen zum Tragen kommt. Die Fotografien sind in monotoner Farbigkeit gehalten und zeigen motivisch ganz unterschiedliche und nicht eindeutig zusammenhängende Darstellungen; Männer, die miteinander ringen, Autowracks usw. Der fehlende Zusammenhang macht die Lesart der Bilder als Geschichte schwierig und fordert den Betrachter auf, sich seinen eigenen Reim auf die Motive zu machen, die nur am Rande auf Moffatts Auseinandersetzung mit der australischen Kultur und Geschichte hinweisen.

 
stilpluralismus
Foto:Sam Taylor-Wood

Auch Sam Taylor-Wood (* 1967) lässt die Lesart vieler ihrer Bilder offen. Die großen Fotografien aus der Serie "Soliloquy" weisen zwar auf den ersten Blick auf Meisterwerke der Malerei (u.a. Velazquez), in ihrem predellenartigen Abschluss kehren sie diese Meisterwerke aber in ihr Gegenteil, indem sie die - zum Teil ganz profanen - Sehnsüchte und Alpträume der auf dem oberen Bildteil dargestellten Personen zeigen.
In "Five Revolutionary Seconds" überträgt die britische Künstlerin die Mittel des Films auf die Fotografie. Die Bilder, die jeweils einen einzigen Raum - ein Londoner Loft mit gelangweilten Protagonisten aus einer coolen Mittelschicht - darstellen, sind mit einer Panoramakamera aufgenommen, die sich in fünf Sekunden einmal um die eigene Achse dreht. Durch ihre ungeheure Länge (ca. 7,5 m) können die Bilder nicht mit einem Blick erfasst werden, so dass der Betrachter sich in der Art von filmischer Wahrnehmung die Motive nur schrittweise aneignen kann. Unterstützt wird dieser filmische Moment durch Lautsprecherboxen am Rande der Fotografien, die die Geräusche innerhalb des Lofts wie in einem Film wiedergeben.

 

 
porträt und individuum
Foto: Rineke Dijkstra

Anders als Sam Taylor-Wood und Tracey Moffatt beschäftigt sich die dritte Künstlerin der Ausstellung mit einem einzigen Genre, dem Porträt. Rineke Dijkstra (* 1959) hat in den 90er Jahren mit einer Porträtserie begonnen, die Kinder und Jugendliche an den Stränden ihrer Heimat zeigt. In selbst gewählten Posen und nur mit Badeanzügen bekleidet stehen die Kinder schutzlos dem Blick des Betrachters ausgesetzt. Trotz gleichbleibender Kulisse, die von Äußerlichkeiten wie Kleidung und Umgebung ablenkt, fallen die kleinen, sozialen und physiognomischen Unterschiede sofort ins Auge.
Diesen feinen Unterschieden geht Rinke Dijkstra auch in einer zweiten Arbeit nach, "Tia", die eine junge Frau kurz nach ihrer Geburt und noch einmal fünf Monate später zeigt. Während Tia auf dem früheren Bild verhärmt und alt wirkt, hat sie sich in dem zweiten Bild um Jahre verjüngt.

Mit diesen drei unterschiedlichen fotografischen Positionen gibt die Ausstellung einen schönen Einblick in die aktuelle Fotokunst, die sich mit ganz verschiedenen Themen beschäftigt. Merkwürdig wirkt daher der übergreifende Titel "Selbstgespräch", der etwas zusammenzufassen versucht, was eigentlich nicht zusammengehört. Die "Frage nach der visuellen Repräsentation des Individuums in seinen gesellschaftlichen Bezügen, die Suche nach dem >>Wer bin ich?<< und >>Wer bin ich zwischen den anderen?>>" mag für Rineke Dijkstra mustergültig sein, aber schon Tracey Moffatt und spätestens Sam Taylor-Wood engt er hinsichtlich ihrer thematischen und stilistischen Vielfalt etwas zu sehr ein.

christine walter



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