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04|02|2003 |
besprechung
selbstgespräch - sam taylor-wood, tracey moffatt, rineke
dijkstra |
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Dass die bayerischen
Staatsgemäldesammlungen in den letzten Jahren auch im Bereich Fotografie
und neue Medien zahlreiche Ankäufe getätigt haben, ist durch die eingeschränkten
Ausstellungsmöglichkeiten des Hauses bis zur Eröffnung der Pinakothek
der Moderne wohl kaum einem aufgefallen. Die Ausstellung "Selbstgespräch"
in der Pinakothek der Moderne verschafft diesem Manko endlich Abhilfe
mit Fotoarbeiten aus dem Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
zusammen mit einigen Leihgaben aus Privatbesitz.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen drei zeitgenössische Fotokünstlerinnen
mit Arbeiten aus jeweils zwei Serien.
Den Auftakt bildet die australische Künstlerin Tracey Moffatt (*1960)
mit ihren Serien "Scarred for Life" und "Up in the Sky". Moffatt begann
in den 80er Jahren mit inszenierten Fotografien, Filmen und Videos
zu arbeiten, wobei ihrem Werk immer eine erzählerische, meist der
Alltagsdramatik entnommene Struktur zu Grunde liegt. So verwendet
Moffatt in "Scarred for Life" (1994) Text und Bild, um kleine Ereignisse
zu inszenieren, die von den physischen und psychischen Verletzungen
von Kindern und Jugendlichen erzählen. Ein breiter Balken über und
unter den Fotografien sowie die Kombination aus Schrift und Bild erinnert
dabei an die Gestaltung des Life-Magazins aus den 60er Jahren. Dieser
formale Kunstgriff, Layout eines auf Sensationen abzielenden Bildjournalismus
kombiniert mit unspektakulären Motiven, kann dabei als charakteristisch
für Tracey Moffatt bezeichnet werden, insofern Moffatt sich zahlreicher
"unkünstlerischer" Bildmittelö bedient. Die nächste
Arbeit, "Up in the Sky", ist formal eine ganz andere, so dass hier
Moffatts Stilpluralismus offen zum Tragen kommt. Die Fotografien sind
in monotoner Farbigkeit gehalten und zeigen motivisch ganz unterschiedliche
und nicht eindeutig zusammenhängende Darstellungen; Männer, die miteinander
ringen, Autowracks usw. Der fehlende Zusammenhang macht die Lesart
der Bilder als Geschichte schwierig und fordert den Betrachter auf,
sich seinen eigenen Reim auf die Motive zu machen, die nur am Rande
auf Moffatts Auseinandersetzung mit der australischen Kultur und Geschichte
hinweisen.
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Auch Sam Taylor-Wood
(* 1967) lässt die Lesart vieler ihrer Bilder offen. Die großen Fotografien
aus der Serie "Soliloquy" weisen zwar auf den ersten Blick auf Meisterwerke
der Malerei (u.a. Velazquez), in ihrem predellenartigen Abschluss
kehren sie diese Meisterwerke aber in ihr Gegenteil, indem sie die
- zum Teil ganz profanen - Sehnsüchte und Alpträume der auf dem oberen
Bildteil dargestellten Personen zeigen.
In "Five Revolutionary Seconds" überträgt die britische Künstlerin
die Mittel des Films auf die Fotografie. Die Bilder, die jeweils einen
einzigen Raum - ein Londoner Loft mit gelangweilten Protagonisten
aus einer coolen Mittelschicht - darstellen, sind mit einer Panoramakamera
aufgenommen, die sich in fünf Sekunden einmal um die eigene Achse
dreht. Durch ihre ungeheure Länge (ca. 7,5 m) können die Bilder nicht
mit einem Blick erfasst werden, so dass der Betrachter sich in der
Art von filmischer Wahrnehmung die Motive nur schrittweise aneignen
kann. Unterstützt wird dieser filmische Moment durch Lautsprecherboxen
am Rande der Fotografien, die die Geräusche innerhalb des Lofts wie
in einem Film wiedergeben.
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Anders als Sam
Taylor-Wood und Tracey Moffatt beschäftigt sich die dritte Künstlerin
der Ausstellung mit einem einzigen Genre, dem Porträt. Rineke Dijkstra
(* 1959) hat in den 90er Jahren mit einer Porträtserie begonnen, die
Kinder und Jugendliche an den Stränden ihrer Heimat zeigt. In selbst
gewählten Posen und nur mit Badeanzügen bekleidet stehen die Kinder
schutzlos dem Blick des Betrachters ausgesetzt. Trotz gleichbleibender
Kulisse, die von Äußerlichkeiten wie Kleidung und Umgebung ablenkt,
fallen die kleinen, sozialen und physiognomischen Unterschiede sofort
ins Auge.
Diesen feinen Unterschieden geht Rinke Dijkstra auch in einer zweiten
Arbeit nach, "Tia", die eine junge Frau kurz nach ihrer Geburt und
noch einmal fünf Monate später zeigt. Während Tia auf dem früheren
Bild verhärmt und alt wirkt, hat sie sich in dem zweiten Bild um Jahre
verjüngt.
Mit diesen drei unterschiedlichen fotografischen Positionen gibt die
Ausstellung einen schönen Einblick in die aktuelle Fotokunst, die
sich mit ganz verschiedenen Themen beschäftigt. Merkwürdig wirkt daher
der übergreifende Titel "Selbstgespräch", der etwas zusammenzufassen
versucht, was eigentlich nicht zusammengehört. Die "Frage nach der
visuellen Repräsentation des Individuums in seinen gesellschaftlichen
Bezügen, die Suche nach dem >>Wer bin ich?<< und >>Wer bin ich zwischen
den anderen?>>" mag für Rineke Dijkstra mustergültig sein, aber schon
Tracey Moffatt und spätestens Sam Taylor-Wood engt er hinsichtlich
ihrer thematischen und stilistischen Vielfalt etwas zu sehr ein.
christine walter
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