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263 14|01|2003

besprechung
dokumentarist der deutschen

stefan moses

 

stefan moses
retrospektive

eine ausstellung im
münchner stadtmuseum

11.12.2002 - 23.2..2003

Ein Foto, das spontan ein Lachen bei mir auslöst: Ein kleiner, am Boden sitzender Junge hält sich eine handgemachte Tigermaske vor sein Gesicht und ist damit der Katze neben ihm, der die gleiche Maske übergestülpt wurde, zum Verwechseln ähnlich. Beispiele von Bildern, die der Fotograf Stefan Moses von seinem Sohn Manuel gemacht hat. Dabei hat er nicht einfach wahllos Fotos geschossen, sondern das Kinderleben seines Sohnes wie in einem Tagebuch dokumentiert. Mit Stefan Moses widmet sich die Fotoabteilung des Münchner Stadtmuseums in einer Retrospektive einem der wichtigsten deutschen Fotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hauptthema des Fotografen ist Deutschland und die Deutschen, deren Identität und Lebensweise er über die Jahrzehnte hindurch dokumentiert hat.
   


Stefan Moses Werk ist eine Mischung aus Konzept- und Lifefotografie. So hat er beispielsweise ausgestorbene oder im Aussterben begriffene Berufsgruppen wie Straßenbahnschaffnerinnen gleichsam auf einer Bühne präsentiert. In ihrer Arbeitskleidung posierend, werden sie durch ein im Hintergrund gespanntes Tuch aus der städtischen Kulisse herausgehoben.
Persönlich angesprochen wurde ich durch eine Abbildung von Schülerinnen einer Gesamtschule in den frühen 1980er Jahren. Der Anblick von Karottenhosen, Löchergürteln und Fönfrisuren weckten in mir Erinnerungen an eine längst versunkenen Zeit, an meine Jugendzeit. Ähnlich dürfte es vielen anderen aller Altersgruppen gehen, so dass Besucher einander zuraunen können: "Weißt du noch - damals?".
Bekannt ist Stefan Moses auch für seine Porträts berühmter deutscher Persönlichkeiten wie Theodor W. Adorno, Ingeborg Bachmann, Ernst Bloch, Erich Kästner und weiteren Künstlern. Die deutsche intellektuelle Elite fotografierte er vor einer für Deutschland symbolhaften, Kulisse - dem "deutschen" Wald.
Wieder waren es deutsche Prominente, die für eine weitere Serie beeindruckender Fotografien posierten: Stefan Moses fotografierte ihre Spiegelbilder.

   


Moses konfrontiert den Besucher mit sich selbst und führt nicht nur vor. Dem Betrachter wird klar, dass er sich nur über sein Spiegelbild kennt und hoffen kann, dass sich seine Mitmenschen annähernd das Bild machen, das er selbst von sich hat. Jede Ausstellungseinheit wird von kurzen, manchmal etwas zu philosophisch anmutenden Texten begleitet. Deutschland und die Deutschen des vergangenen Jahrhunderts werden eindrucksvoll in variierten Sichtweisen gezeigt, so dass Raum für eigene Erinnerungen, Gefühle und Meinungen bleibt.

evelyn safian



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