magazin


309 02|03|2004
besprechung
die stadt des monsieur hulot
die stadt des monsieur hulot

Pinakothek der Moderne bis 02.05.2004


Jacques Tati ist in Deutschland vor allem als großartiger Regisseur und Schöpfer der komischen Figur Monsieur Hulot bekannt. Doch Tatis Filme enthalten mehr als nur unterhaltsamen Witz. Sie entlarven mit feinsinniger Komik die teils fragwürdigen Errungenschaften der fortschrittsgläubigen und auf die Technisierung und Normierung der gesamten Lebenswelt ausgerichteten Gesellschaft in der Zeit des ungebremsten wirtschaftlichen Wachstums Frankreichs. Tati beobachtet auf seine leise subversive Art die Veränderung der Gesellschaft, die durch den steigenden Lebensstandard und die damit einhergehende Modernisierung und Mobilisierung in den Trente Glorieuses (den drei Jahrzehnten von 1946 bis 1975) ausgelöst wurden.

Die Ausstellung „Die Stadt des Monsieur Hulot„ in der Pinakothek der Moderne setzt sich mit Jacques Tatis Blick auf die moderne Architektur auseinander, der sich in seinen Filmen manifestiert. Die Gliederung der Schau folgt den Leitbegriffen Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Verkehr und Kulturerbe. Diese sind dem Konzept von Le Corbusiers Charta von Athen (1943) entlehnt. Zitate aus eben diesem für die moderne Architektur und Stadtplanung wegweisenden Werk Le Corbusiers werden mit kurzen Darstellungen der damaligen gesellschaftlichen Entwicklungen ergänzt und mit Tatis Filmen in Verbindung gebracht. Zahlreiche Fotos, Videosequenzen und besonders die Entwürfe des Architekten Jacques Lagrange, der als künstlerischer Mitarbeiter an mehreren Filmen beteiligt war, machen deutlich, welch zentrale Bedeutung Tati der Gestaltung der Architektur in seinen Filmen zumaß.

In den Filmen „Mon Oncle„ (1958) und „PlayTime„ (1967) setzt Tati die Architektur gezielt ein, um die neugestaltete Lebenswelt zu hinterfragen, in deren gleichförmigen Betonwüsten sich die Menschen zunehmend ihrer Umwelt entfremden.Das Model der Villa Arpel veranschaulicht als ein zentrales Objekt der Ausstellung eindrucksvoll das vollautomatisierte, keimfreie Universum einer Architektur, die den menschlichen Bedürfnissen enthoben, zum Ausstellungsraum für die neuesten technischen Finessen und kargen Möbel gerät.

Die Ausstellung legt großen Wert darauf, Tati nicht allein als grandiosen Komiker oder gar als Feind der Moderne darzustellen, sondern seine Fähigkeit hervorzuheben mit vorausschauendem Blick eine Gesellschaft zu ironisieren, die von überflüssigem technischen Spielzeug umgeben ist und in deren Gleichförmigkeit und unterkühlter Sachlichkeit der Mensch sich die Möglichkeit echter Kommunikation und Individualität rauben lässt.

Begleitet von regelmäßigen Filmvorführungen bietet diese Werkschau dem Publikum die Möglichkeit sich auf unterhaltsame Weise dem kritischen Komiker Tati anzunähern. Die Kritik, die Tati an Architektur, Stadtplanung und den gesellschaftlichen Entwicklungen übt, haben kaum an Aktualität verloren. Nicht zuletzt deshalb ist die Ausstellung auf jeden Fall einen Besuch wert.

Beate Meyer


email
impressum


kunst in münchen

berichte, kommentare,
archiv

kulturinformation
im internet