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224 13|03|2002 | besprechung ein abend mit tracey emin |
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Im Rahmen der Ausstellung "Prüderie und Leidenschaft. Der Akt in viktorianischer Zeit" hat die britische Küsntlerin Tracey Emin eine Installation in den oberen Räumen der Ausstellung aufgebaut, die der Prüderie viktorianischer Kunst echte sexuelle Offenheit entgegensetzt. Zur Eröffnung des hinzugekommenen Ausstellungspartes wurde Emin zu einer "Performance" eingeladen, der sie mit einer Aufforderung nach Fragen zu ihrer Arbeit nachkam. Ein bißchen Mut gehört schon dazu, sich vor 300 Leute zu stellen mit der Bemerkung "Fragt, wenn ihr Fragen habt". Um so mehr wenn das Publikum überwiegend männlich besetzt ist und an Emins Kunst durchaus Anstoß nehmen könnte. Mit der Zusicherung, daß man das Publikum nur deshalb eine halbe Stunde habe warten lassen, damit auch die Schlange vor der Kasse noch Zutritt zu der Veranstaltung bekomme, trat die britische Youngster-Künstlerin in imposanter Garderobe vor das gespannte Kunstpublikum. Schuhe, wie man sie noch nicht gesehen hat und ein aufgepolstertes Rugby-Shirt in Schwarzgelb verlieh der Künstlerin die eindrucksvolle Gestalt einer Wespe. Hübsch anzusehen, aber vermutlich unberechenbar! Im Kontrast zu Emins Person und ihrer Arbeit gab sich der folgenden Abend dann allerdings eher harmlos. | |
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Natürlich war das Publikum auf Fragen nicht vorbereitet, vermutlich wollten die meisten einfach nur sehen, wie denn so eine provokante Person wohl in natura aussieht. Überraschend war, daß Tracey Emins Person im Grunde konsequent ihre Kunst weiterführt. Der Mut, Bilder seiner Brüste, seines Bauches, seiner Vagina, ja insgesamt seines nicht mehr ganz jugendlichen Körpers zu zeigen, und sich vor ein Publikum zu stellen, das genau zu diesen Bildern fragen darf, was es will, zeugt von eben dieser Konsequenz. Hier wird keine provokante Kunst für Galerien, Museen und einen skandalhungrigen Kunstmarkt gemacht, sondern offenbar lebt Emin ihre Kunst ebenso überzeugt, wie sie sie anschließend zu verteidigen in der Lage ist. Beeindruckend waren denn auch weniger Emins Worte - ein Postulat an jeden, seine Gefühle offen zu zeigen, damit die Menschheit nicht krank werde - als die Offenheit, mit der Emin bereit war (und ist) sich vor einer großen Menge zu entblößen - wörtlich als auch im übertragenen Sinn. Was fragt man nun eine Künstlerin, die Vergewaltigungen, Abtreibungen und vieles mehr hinter sich hat und dem in ihrer Kunst ganz offen Ausdruck verleiht. Fragt man so persönlich wie es die Kunst ist? in der Art von "Tracey, wie war das damals? Wie hast du dich gefühlt?" oder fragt man inhaltlich und auf kunsttheoretischer Ebene? Die Unbeholfenheit gegenüber dieser Person und ihrer mehr als persönlichen Kunst kam schließlich auch offensichtlich in der Frage "What is your message?" zum Tragen. Seit wann reduziert man in der zeitgenössischen Kunst und Kunstkritik, Künstler auf ihre Botschaft? Geradezu so, als würden wir noch in einer Ära der künstlerischen Produktion stecken, in der der Künstler seiner Kunst ein Fähnchen ansteckt mit dem Inhalt seiner künstlerischen Intention.
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Dass Emins sehr persönliche Kunst offenbar von großem Interesse ist,
das demonstrierte der große Zulauf, den die Installation im Haus der
Kunst hatte, sowie der Zuspruch allgemein, der Emin zukommt. Vielleicht
zeigt das auch eine Tendenz aktueller Kunst und Kunstkritik, die sich
von einer allzu großen Theoretisierung weg bewegt hin zu Biographie
und Person des Künstlers. Was der Betrachter dann mit diesem Vorstoß
fremder Privatsphären anfangen kann, die auf einmal in das öffentliche
Blickfeld rücken, kann vermutlich nur jeder für sich alleine beantworten.
Tracey Emin stand an diesem Abend auf jeden Fall ziemlich verloren
in dem Kreis der an ihrer Kunst interessierten Personen!
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